OGH 12Os78/02

OGH12Os78/0212.9.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Traar als Schriftführer, in der Strafsache gegen Cihan B***** und weitere Angeklagte wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Cihan B***** und Sedat G***** sowie über die Berufung des Angeklagten Adem G***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. Mai 2002, GZ 11 Hv 91/02x-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden und die vom Angeklagten Sedat G***** erhobene "Berufung wegen Schuld" werden zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufungen (wegen Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten Cihan B***** und Sedat G***** auch die bisherigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 14. Oktober 1985 geborene Cihan B*****, der am 15. Mai 1985 geborene Sedat G***** und der am 23. Oktober 1985 geborene Adem G***** wurden (anklagekonform) des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB (I), Sedat G***** überdies des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (II) schuldig erkannt. Soweit hier im Rechtsmittelverfahren von Relevanz haben demnach die drei Angeklagten "am 13. 05. 2001 in Graz als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) mit weiteren teils bislang unbekannten Tätern außer den Fällen des § 201 StGB Nachgenannte mit Gewalt zur Duldung geschlechtlicher Handlungen genötigt, indem sie sie in unterschiedlicher Rollenverteilung umzingelten, unter Wasser tauchten, festhielten und über wie auch unter der Badebekleidung im Genitalbereich und an den Brüsten betasteten und zwar:

1. Cihan B***** und Sedat G***** die" (am 23. November 1988 geborene) "Christina P***** und

2. Cihan B*****, Sedat G***** und Adem G***** die" (am 18. April 1986 geborene) "Jasmin G*****".

Rechtliche Beurteilung

Den dagegen von den Angeklagten Cihan B***** aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 8 und 9 lit a StPO und vom Angeklagten Sedat G***** aus Z 5 und 5a leg cit erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.

Nach den den Schuldspruch tragenden erstgerichtlichen Feststellungen wurden die Tatopfer von den Angeklagten und weiteren nicht ausgeforschten jungen Männern türkischer Abstammung vorerst verbal belästigt und später mit zunehmender Intensität "in unterschiedlicher Rollenverteilung und in gemeinsamer Absprache festgehalten, umzingelt, getaucht sowie über wie auch unter der Badebekleidung im Genitalbereich und an den Brüsten betastet, wobei es den Tätern auch teilweise gelang, ihren Opfern die Bikini-Oberteile zu öffnen und ihnen die Bikini-Hosen herunterzuziehen". Dabei wurde Gewalt jeweils mit dem Vorsatz angewendet, an Christine P***** und der (dadurch leicht verletzten) Jasmin G***** gegen deren Willen geschlechtliche Handlungen vorzunehmen.

Das Erstgericht stellte ferner fest, dass es im Zuge dieser Aktivitäten "einem der Täter gelang, sogar einen Finger in den After der Christine P***** einzuführen. Jasmin G***** gelang es, die Versuche mehrerer Täter, ihr mit dem Finger in die Scheide einzudringen, abzuwehren, dies insbesondere deshalb, weil es ihr gelang, ihre Bikini-Hose wieder hochzuziehen" (US 6 f). Dazu ist anzumerken, dass ungeachtet der in Anbetracht der bereits in der Anklageschrift inkriminierten, an der damals zwölfjährigen Christina P***** verübten digitalen Analpenetration (dazu JBl 1997, 403) und der im erstinstanzlichen Urteil darüber hinaus festgestellten an der fünfzehnjährigen Jasmin G***** zumindest versuchten digitalen Vaginalpenetration sowie der - im Falle der Christina P***** schon aus der Altersrelation zu Cihan B***** und Sedat G***** ableitbaren - Unanwendbarkeit der Bestimmung des § 206 Abs 4 StGB (die Angeklagten insoweit gesetzwidrig favorisierend) die gebotene Überprüfung des festgestellten Sachverhaltes in Richtung § 201 Abs 1 bzw § 206 Abs 1 StGB (P*****) und nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (G*****) ersichtlich weder von der Anklagebehörde noch vom erkennenden Senat für notwendig erachtet wurde.

Täterbezogen stellten die Tatrichter ergänzend fest: "Cihan B***** und Sedat G***** haben jedenfalls Christina P***** an den Brüsten betastet, während diese von ca zwanzig anderen türkischen Burschen umzingelt und festgehalten wurde.

Cihan B***** und Sedat G***** haben weiters Jasmin G***** festgehalten und zumindest an den Brüsten betastet, teilweise auch unter der Badebekleidung.

Sedat G***** und Adem G***** haben Jasmin G***** an den Oberarmen und am Bauch festgehalten sowie zumindest an den Brüsten betastet, teilweise unter der Badebekleidung. Adem G***** hat auch das Bikini-Oberteil der Jasmin G***** geöffnet" (US 7). Da das angefochtene Urteil - wie dargelegt - von auf entsprechendem Einverständnis beruhender Mittäterschaft der Angeklagten (§ 12 erster Fall StGB) ausgeht, erweisen sich von der Beschwerde (Z 5) reklamierte "konkrete Feststellungen, wer, was, gegenüber wem getan hat, um dem Erstangeklagten auch ein Berühren über und unter der Badebekleidung im Genitalbereich vorwerfen zu können", sinnfällig als obsolet.

Zur ferner vermeintlich unterbliebenen Erörterung der "Abgrenzung

zwischen einem straffreien, wenn auch teilweise ungebührlichen,

pubertierenden Verhalten .... einerseits und einem strafrechtlich

relevanten ... andererseits" genügt der Hinweis auf US 11 f, ohne

dass von der Beschwerde in verfälschender Verkürzung übergangene Urteilspassagen hier zu reproduzieren sind.

Sinngemäßes gilt für die vermeintlich fehlende Begründung der subjektiven Tatbestandskriterien, auf deren Vorliegen die Tatrichter mängelfrei aus den konstatierten Tatmodalitäten folgerten. Aus welchem Grund die - überdies aktenmäßig nicht gedeckte - Beschwerdebehauptung, "dass keiner der in großer Anzahl anwesenden Gäste oder auch die Bademeisterin in das Geschehen eingegriffen hätten, da dies nur als Spiel unter Jugendlichen aufgefasst wurde", mit der erstgerichtlichen Annahme "einer gemeinsamen Absprache zu einem strafrechtlich relevanten Vergehen aus dem Tatgeschehen" unvereinbar sein sollte, ist denklogisch nicht nachvollziehbar. Einmal mehr entgegen der Beschwerdeargumentation ist aus den Urteilsannahmen zur Anbahnung und Durchführung der als Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB beurteilten inkriminierten Aktivitäten kein anderer, als ein für die Bejahung einer Mittäterschaft ausreichender, spätestens während der Tatverübung spontan gefasster, auf die gemeinsame Tatbegehung gerichteter Entschluss (SSt 46/30, 50/7, 60/21) ableitbar, den das Erstgericht mit der Annahme "gemeinsamer Absprache" zum Ausdruck brachte, weshalb sich weitere Erörterungen zum letztgenannten Begriff erübrigen.

Der Beschwerde zuwider war eine gesonderte Auseinandersetzung der Urteilsgründe mit den Angaben des Recep D*****, der angab, den - nach dessen eigener Darstellung zur Tatzeit im Bad anwesenden (284) - Angeklagten Cihan B***** dort nicht gesehen zu haben, und jenen des Cetin B***** schon deshalb entbehrlich, weil beide Zeugen angaben, sich nicht ständig in der Nähe des Angeklagten aufgehalten zu haben (291 f, 301).

Im Hinblick auf die im vorliegenden Fall angenommene - unbekämpft gebliebene - Tateinheit und das zur Haftung der Mittäter bereits Gesagte betrafen weder die Angaben des Zeugen Ercan S*****, wonach sich der Beschwerdeführer in einer Phase des turbulenten, ca 15 Minuten dauernden (Zeuge S***** - 293) Vorfalls ca drei bis vier Meter von den Tatopfern entfernt befand, noch jene der Jasmin G*****, die nach Vorhalt eines Lichtbildes des Beschwerdeführers diesen als einen von ca zwanzig Tätern ausschloss, im Hinblick auf die darüber hinaus vorgelegenen Beweisergebnisse eine entscheidungsrelevante Tatsache - vgl dazu die Angaben der Zeugin Viktoria S*****: "Der" (Cihan B*****) "war sicher bei dem Vorfall mit Christina" (P*****)" dabei" - 123; Zeugin Christina P*****: "Es haben mich mehrere Burschen ausgegriffen, ... der Beschuldigte Cihan B***** war sicher einer der Ärgsten. Was er im Detail gemacht hat, kann ich nicht sagen" - 128, 130; Zeuge Ekrem F*****: "Sie haben das Mädchen" (gemeint: Jasmin G*****)" auch immer wieder zu tauchen versucht und ich weiß auch, dass von hinten jemand das Mädchen umschlungen hat. Da waren auch G***** und B***** dabei - 154; Beschuldigter Adem G*****:

"Auch Cihan hat das Mädchen" (gemeint: Jasmin G*****)" gehalten und auch ausgegriffen" - 187 d.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich im Versuch, durch eigenständige, von jener des Erstgerichtes abweichende Interpretation von - partiell unvollständig zitierten, zum Teil aus dem Zusammenhang gelösten - Verfahrensergebnissen die Lösung der Beweisfrage durch den Schöffensenat nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen, ohne eine bedenkliche Verwertung aktenkundiger Beweisergebnisse in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes darzulegen. Gegenstand der Anklage ist das gesamte Verhalten des Angeklagten, wie es sich aus der Anklagebegründung ergibt (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 8 EGr 8); demnach wurde dem Beschwerdeführer - insoweit abweichend vom Anklagespruch, aber zweifelsfrei inkriminiert - angelastet, mit den Mitangeklagten und weiteren nicht ausgeforschten Mittätern Christina P***** und Jasmin G***** "festgehalten, umzingelt, getaucht und über wie auch unter der Badebekleidung im Genitalbereich und an den Brüsten betastet" zu haben. In der Anklagebegründung wird ferner ausgeführt, dass es "einem der Täter gelang, einen Finger in den After der Christine P***** einzuführen" (208).

Abgesehen von den bereits dargelegten rechtlichen Konsequenzen der Beteiligung nach § 12 erster Fall StGB an einem einheitlichen Tatgeschehen, erweist sich der Vorwurf der Anklageüberschreitung somit auch in tatsächlicher Hinsicht als unzutreffend. Mit den Einwänden, wonach "das bekämpfte Urteil keine Feststellungen trifft, die den Erstbeklagten belasten ..., Feststellungen .... zur subjektiven Tatseite ebensowenig gegeben sind ...., aber auch .... keine Feststellungen vorliegen, die die Grenzüberschreitung zwischen Spaß und Gauklerei einerseits und strafrechtlichem Nötigungsverhalten andererseits nachvollziehbar machen" (Z 9 lit a), vernachlässigt die Rechtsrüge die dazu wesentlichen konträren Urteilspassagen und verfehlt daher eine prozessordnungsgemäße Darstellung.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Sedat G*****:

Die undifferenziert mit der Tatsachenrüge (Z 5a) verbundene Mängelrüge (Z 5) geht schon mit der aktenfremden Pauschalbehauptung, wonach die Feststellungen zu den objektiven und subjektiven Tatbestandserfordernissen "durch keinerlei Akteninhalt belegt sind", in so sinnfälliger Weise fehl, dass sich nähere Erörterungen dazu erübrigen.

Der weitere, unter dem Gesichtspunkt unzureichender Begründung erhobene unsubstantiierte Einwand mangelnder Erörterung der Angaben der Zeugen Recep D*****, Turgey G***** und Cetin B***** schließlich verfehlt mangels gebotener Konkretisierung fundamentale Kriterien entscheidungswesentlicher Relevanz (Mayerhofer aaO § 285a E 43 b, c). Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Cihan B***** und Sedat G***** waren daher ebenso wie die von Sedat G***** erhobene, im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässige "Berufung wegen Schuld" bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285a, 285d StPO).

Daraus resultiert die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen (wegen Strafe) sämtlicher Angeklagten (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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