OGH 12Os7/19z

OGH12Os7/19z4.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2019 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Mann und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rögner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ajub M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Khasan Ma***** sowie über die Berufungen der Angeklagten Ajub M***** und Albin H***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Jugendschöffengericht vom 14. September 2018, GZ 40 Hv 4/18i‑94, sowie über die Beschwerden der Angeklagten Ajub M*****, Albin H***** und Khasan Ma***** gegen unter einem gefasste Beschlüsse gemäß §§ 494, 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0120OS00007.19Z.0304.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerden werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten Khasan Ma***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthält, wurde Khasan Ma***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 25. Juni 2017 in G***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Ajub M*****, Turpal B***** und weiteren unbekannten Mittätern (§ 12 erster Fall StGB) dem Mato Ba***** mit Gewalt, und zwar durch Versetzen von Faustschlägen, Stößen und Fußtritten, wodurch das Opfer zu Boden kam, fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Geldbörse mit Bargeld und ein Handy mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, Z 9 [lit a] und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Khasan Ma*****, der keine Berechtigung zukommt.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall), die dann vorliegt, wenn ein Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS‑Justiz RS0099431), wird mit dem Vorwurf, die Feststellungen stünden in Widerspruch zu den Aussagen der Angeklagten und des als Zeugen vernommenen Opfers sowie der Verletzungsanzeige des Krankenhauses der Sache nach nicht eingewendet (vgl RIS‑Justiz RS0099492).

Nichtigkeit nach Z 5 dritter Fall liegt (unter anderem) vor, wenn Aussprüche über entscheidende Tatsachen nach den Denkgesetzen und grundlegender Lebenserfahrung nicht miteinander in Einklang zu bringen sind oder wenn die festgestellte Tatsache zu den dazu angestellten Erwägungen in Widerspruch steht. Die Mängelrüge verkennt jedoch, dass ein nichtigkeitsrelevanter Widerspruch sich bloß aus dem Urteilsinhalt selbst ergeben kann, nicht aber aus dessen Vergleich mit den Verfahrensergebnissen (RIS‑Justiz RS0117402 [T12, T16]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde richtet sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung, indem sie ausführt, im Hinblick auf die Verletzungsanzeige wären die Angaben des Opfers nicht nachvollziehbar, es wäre lebensfremd anzunehmen, dass in einer Verletzungsanzeige einer Kinder‑ und Jugendambulanz Hämatome im Gesicht oder im Kopfbereich nicht dokumentiert würden (vgl jedoch US 17 f).

Der Vorwurf, das Erstgericht hätte sich mit der in der Hauptverhandlung verlesenen Ambulanzkarte nicht auseinandergesetzt (Z 5 zweiter Fall), trifft nicht zu (US 17 f).

Weshalb die zur subjektiven Tatseite auf US 10 getroffenen Konstatierungen, wonach den Angeklagten bewusst war, dass sie gemeinsam mit weiteren unbekannten Tätern mit Gewalt gegen das Opfer dessen Handy und dessen Geldbörse mit Bargeld wegnahmen, wobei sie wussten, dass sie keinen Anspruch auf die zu bewirkende Vermehrung ihres Vermögens hatten und sich oder Dritte unrechtmäßig bereichern wollten, für einen Schuldspruch nicht ausreichen sollten, legt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht dar.

Das weitere Vorbringen der Rechtsrüge, es wäre lebensfremd und nicht nachvollziehbar, dass zehn bis 20 Personen gemeinsam den Vorsatz gefasst hätten, dem Opfer die Wertgegenstände wegzunehmen, orientiert sich nicht am festgestellten Sachverhalt, und verfehlt damit prozessordnungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

Das gilt auch für das Vorbringen, es wäre lebensfremd und unwahrscheinlich, dass Mato Ba***** nicht bemerkt habe, wie und von wem sein Handy und seine Geldbörse aus seinen Hosentaschen genommen wurden. Weshalb detailliertere Feststellungen dazu erforderlich sein sollten, wie das Wegnehmen genau während der körperlichen Attacken vor sich ging, wird nicht klar.

Mit dem Hinweis auf die leugnende Verantwortung des Rechtsmittelwerbers und das Vorbringen, „bei genauer Betrachtung der vorliegenden Beweise“ könne „nicht mit der im Strafverfahren notwendigen Sicherheit festgestellt werden“, dass er vorsätzlich handelte, wird Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO nicht dargestellt.

Soweit die Rechtsrüge ausführt, Mittäterschaft erfordere eine ernstliche Willenseinigung über die geplante gemeinsame Ausführung der Tat, legt sie nicht dar, weshalb die bereits zitierten Feststellungen nicht ausreichen sollten (vgl RIS‑Justiz RS0090015, RS0089831).

Indem die Nichtigkeitsbeschwerde die Feststellungen zur subjektiven Tatseite schlicht bestreitet, wird materielle Nichtigkeit nicht dargestellt (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) begehrt die Unterstellung des Tatgeschehens unter § 142 Abs 2 StGB, leitet jedoch nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab, weshalb das Versetzen von Faustschlägen gegen das Gesicht und den Hinterkopf sowie von Tritten gegen Rippen und Brustkorb, wodurch das Opfer zu Boden ging (US 9), keinen Einsatz beachtlicher physischer Kraft in vehementer Weise und damit keine erhebliche Gewalt darstellen sollte (RIS‑Justiz RS0094427 [insbesondere T15]). Die Ausführungen zur Frage, ob die Tat nur unbedeutende Folgen im Sinn des § 142 Abs 2 StGB nach sich zog, gehen daher ins Leere. Soweit der Rechtsmittelwerber in diesem Zusammenhang ausführt, das Schöffengericht hätte einen medizinischen Sachverständigen beiziehen müssen (inhaltlich § 281 Abs 1 Z 5a StPO als Aufklärungsrüge), erklärt er im Übrigen nicht, weshalb er daran gehindert war, die vermisste Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung zu beantragen (RIS‑Justiz RS0115823).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (impliziten) Beschwerden folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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