OGH 12Os7/17x

OGH12Os7/17x2.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Philipp U***** wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 3. November 2016, GZ 35 Hv 31/16w‑75, sowie über die Beschwerde gegen den zugleich gefassten Beschluss nach § 494a Abs 6 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00007.17X.0302.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Philipp U***** (anklagekonform [ON 35; zu dem für die Zuständigkeit des Schöffengerichts maßgeblichen Schadensbetrag siehe aber § 31 Abs 3 Z 6a letzter Halbsatz StPO]) des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in W***** und an anderen Orten fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 Euro übersteigenden Wert mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz weggenommen, und zwar:

1./ am 28. Oktober 2015 der V***** GmbH 20.000 Euro;

2./ von 1. April bis 28. Oktober 2015 Gewahrsamsträgern der Bekleidungsgeschäfte K*****, Z*****, C***** und L***** zahlreiche Kleidungsstücke;

3./ von Jänner 2015 bis 28. Oktober 2015 der V***** GmbH zahlreiche Kleidungsstücke;

4./ zwischen 1. Jänner 2013 und 4. November 2015 Sarah S***** das Gemälde „Milchgarten“ von Christian Ludwig Attersee.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Die mit Bezug auf die Abweisung des Antrags auf „Einholung eines Sachverständigengutachtens (…) zum Beweis dafür, dass das (…) Gemälde 'der Milchgarten' des Künstlers Ludwig Attersee (…) im Maß von 44 cm x 31,5 cm Mischtechnik mit Acryl nicht den Wert von 5.000 Euro hatte, sondern nur einen Wert von 1.600 Euro“ (ON 74 AS 14), erhobene Verfahrensrüge (Z 4) geht ins Leere, weil der Antragsteller nicht bekannt gab, aus welchen Gründen die Durchführung des begehrten Sachverständigenbeweises das behauptete – mangels eines Einflusses auf die Wertgrenze des § 128 Abs 2 StGB gar nicht entscheidungswesentliche – Ergebnis erwarten lasse. Solcherart richtete sich das Begehren auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis (RIS‑Justiz RS0118444).

Die gegen den Schuldspruch 1./ gerichtete Kritik der Mängelrüge (Z 5), wonach aus der Verpflichtung des Angeklagten zur periodischen Übermittlung der Bargeldbestände der Modeboutique an die Bank (US 3) noch nicht auf seine Täterschaft geschlossen werden könne, geht daran vorbei, dass nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (RIS‑Justiz RS0098362).

Soweit die Beschwerde die Täterschaft des Angeklagten mit eigenständigen Spekulationen in Bezug auf ein Gelegenheitsverhältnis anderer Mitarbeiter sowie den zeitlichen Abstand zwischen der letztmaligen Anwesenheit des Angeklagten und der Wahrnehmung des Kassenfehlbestands bezweifelt, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Unterschiedliche Schätzungen der Kolleginnen des Angeklagten, Maryam Se***** und Julia Ke*****, dazu, wieviel Geld sich vor der vom Schuldspruch 1./ umfassten Wegnahmehandlung im Safe befunden hat, stehen (schon im Hinblick, dass beide Zeuginnen von einem 5.000 Euro übersteigenden Bargeldbestand berichteten) der Annahme des dem Angeklagten angelasteten Diebstahls nicht entgegen und bedurften daher keiner Erörterung in den – gedrängt abzufassenden (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – Entscheidungsgründen.

Da der Beschwerdeführer ein Beweisergebnis für seine Behauptung, die genannten Zeuginnen hätten noch am 29. und am 30. Oktober 2015 Bargeldeinnahmen in den Safe gesperrt, sodass ein Fehlbestand schon früher hätte auffallen müssen, gar nicht bekannt gibt, sondern nur auf verzeichnete Eingänge in einem Kassabuch verweist (ON 6 AS 29), geht auch der darauf bezogene Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) ins Leere.

Die die Schuldsprüche 2./ und 3./ betreffende Mängelrüge (Z 5) übersieht, dass der Feststellung der Tatzeit keine entscheidende Bedeutung zukommt, wenn – wie hier – die Taten sonst hinlänglich individualisiert sind (RIS‑Justiz RS0098557).

Ebensowenig spielt es für die Schuldfrage eine Rolle, ob der Angeklagte „modebewusst“ war.

Da die Tatrichter dem Angeklagten ohnedies nicht angelastet haben, seine Bekleidungsbedürfnisse ausschließlich durch rechtswidrige Handlungen befriedigt zu haben, mussten sie sich auch nicht mit – als übergangen reklamierten (Z 5 zweiter Fall) – Beweisergebnissen betreffend diesbezügliche redliche Erwerbsvorgänge befassen.

Eine (in Richtung § 129 Abs 1 Z 1 StGB weisende) Annahme, wonach sich der Angeklagte über ein (den Durchgang zum Lager verschließendes) Gitter Zugang zum Diebstahlsobjekt verschafft hätte, hat das Erstgericht nicht getroffen, sodass die darauf bezogenen Beschwerdeausführungen ins Leere gehen.

Welches Ausmaß der Warenschwund während des Beschäftigungszeitraums des Angeklagten im Vergleich zu seiner Vorgängerin annahm, stellt keinen entscheidenden Umstand dar. Die Tatrichter mussten darauf bezogene Beweisergebnisse daher nicht erörtern.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

Indem die gegen den Schuldspruch 1./ gerichtete Beschwerde im Wesentlichen die Argumentation der Mängelrüge wiederholt und Verdachtsmomente gegen seine ehemaligen Kolleginnen Maryam Se***** und Julia Ke***** äußert, weckt sie keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen.

Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10) mit Blick auf die erstgerichtliche Feststellung, wonach dem Angeklagten die Bargeldbestände in der Kassa anvertraut waren und er die Losungen in periodischen Abständen auf das Bankkonto seiner Arbeitgeberin einzuzahlen hatte (US 3), geltend macht, dass insoweit keine Diebstahls‑ sondern eine Veruntreuungshandlung anzunehmen wäre, fehlt es dem Rechtsmittel an der erforderlichen Beschwer. Denn der Oberste Gerichtshof müsste auf Basis dieses Vorbringens bei weiterhin dem Angeklagten zur Last liegenden Diebstählen (2./ bis 4./) in Ansehung des Schuldspruchfaktums 1./ eine zusätzliche Tatbeurteilung nach § 133 Abs 1 und 2 erster Fall StGB vornehmen, was zum Nachteil des Angeklagten ausschlagen würde (vgl 12 Os 46/16f, EvBl 2016/149, 1030; 17 Os 28/13s, EvBl 2014/121, 832; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 656, § 282 Rz 15 ff, § 290 Rz 32; Schroll/Schillhammer , Rechtsmittel in Strafsachen 2 , Rz 293).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde (§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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