OGH 12Os59/13p

OGH12Os59/13p28.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache gegen Valentin A***** und einen anderen Beschuldigten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 19 HR 442/12s des Landesgerichts Linz, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Valentin A***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 10. April 2013, AZ 10 Bs 95/13m, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Valentin A***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Das Landesgericht Linz verhängte mit Beschluss vom 16. März 2013 (ON 41) über Valentin A***** die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO.

Nach Durchführung einer Haftverhandlung am 2. April 2013 (ON 54) aufgrund eines am 27. März 2013 gestellten Enthaftungsantrags (ON 51) setzte die Haft- und Rechtsschutzrichterin mit Beschluss vom selben Tag die Untersuchungshaft aus den genannten Haftgründen fort (ON 55).

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Linz der Beschwerde des Beschuldigten (ON 57) gegen den Beschluss vom 2. April 2013 nicht Folge und ordnete die Haftfortsetzung aus den Haftgründen der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO iVm § 35 JGG an (ON 60).

Dabei erachtete es Valentin A***** dringend des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter, dritter und fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG verdächtig, weil er in den letzten sechs Monaten vor dem 15. März 2013 vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge übersteigenden Menge aus Tschechien aus- und nach Österreich eingeführt sowie anderen (namentlich in ON 35 S 21 bis 29 genannten) Abnehmern gewinnbringend überlassen haben soll, und zwar zumindest 5.520 Gramm Cannabis mit einem Reinheitsgehalt von 16,9 % sowie 570 Gramm „Crystal“ (gemeint offenbar Amphetamin-Derivat), 120 Stück LSD-Trips und fünf Gramm Rauchopium.

Darüber hinaus soll Valentin A***** - nicht hafttragend - die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster, zweiter und siebenter Fall SMG begangen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen gerichteten Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten kommt keine Berechtigung zu.

Die rechtliche Annahme einer der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof dahin geprüft, ob die Prognoseentscheidung des Oberlandesgerichts aus den in dessen Beschluss angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich bzw unvertretbar angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806, RS0120458).

Diesen Kriterien wird die vorliegende Grundrechtsbeschwerde mit ihrer bloßen Behauptung nicht gerecht, infolge einer dem Beschuldigten im Zuge der Untersuchungshaft widerfahrenen Verletzung seiner sexuellen und körperlichen Integrität seien die vom Oberlandesgericht angenommenen Haftgründe der Tatbegehungsgefahr im Hinblick auf Suchtgiftdelikte ausgeschlossen, hat das Beschwerdegericht die angenommene Prognose doch formell einwandfrei aus dem mehrmonatigen Auftreten des Beschwerdeführers als gewinnorientiert agierenden Suchtgiftdelinquenten mit florierenden Kontakten zum Bezug von Suchtmitteln erschlossen und dabei auch das ihm widerfahrene Verbrechen in seine Überlegungen miteinbezogen (BS 3 f).

Mit eben diesem Vorbringen, das überdies auf die Erholungsbedürftigkeit des Beschuldigten und die Anwendbarkeit gelinderer Mittel (Weisungen, sich im elterlichen Wohnhaus aufzuhalten, sich Suchtmitteln zu enthalten und einer geregelten Arbeit nachzugehen) hinweist, wird selbst unter dem Bezugspunkt des § 35 Abs 1 JGG Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft nicht aufgezeigt, weil diese - wie schon das Oberlandesgericht zutreffend erkannte (BS 4) - auch unter Berücksichtigung der mit ihr verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und das spätere Fortkommen des Jugendlichen schon angesichts des Umfangs der ihm angelasteten Suchtgiftdelinquenz nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat und der für den Fall eines Schuldspruchs zu erwartenden Strafe bei einem aktuellen Strafrahmen von bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe steht. Daran vermag auch die dem Beschwerdeführer im Zuge der Haftsituation widerfahrene, nicht näher konkretisierte Unbill nichts zu ändern.

Unter Hinweis auf Art 1 Abs 3 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit bekämpft der Beschwerdeführer die Ablehnung des von ihm beantragten Vollzugs der Untersuchungshaft als Hausarrest gemäß § 173a StPO mit der Begründung, das Grundrecht auf persönliche Freiheit gebiete in Fällen wie diesem, in dem sich der Beschuldigte zu deren Entzug nicht soweit bereit erklärt habe, als er weiter in Untersuchungshaft in jener Justizanstalt angehalten werde, „in welcher ihm das geschilderte Verbrechen widerfahren“ sei, auch eine Differenzierung nach der Form des Vollzugs der Untersuchungshaft und Fortsetzung derselben in der Form des elektronisch überwachten Hausarrests.

Bei diesem handelt es sich jedoch, vom Beschuldigten zugestanden, nach dem klaren Gesetzeswortlaut (§ 173a Abs 1 StPO) - was auch die Gesetzesmaterialien zum Ausdruck bringen (ErläutRV 772 BlgNR 24. GP 1 und 9) - nur um eine Modalität der Untersuchungshaft, nicht etwa um ein diese substituierendes gelinderes Mittel (§ 173 Abs 5 StPO, dessen Nichtanwendbarkeit gerade Voraussetzung einer Anordnung des Hausarrests ist). Entscheidungen, die auf Fortsetzung der Untersuchungshaft in dieser Form gerichtete Anträge abweisen, greifen demnach - der Beschwerde zuwider - nicht in das Grundrecht auf persönliche Freiheit ein, sondern betreffen bloß die Umstände des Freiheitsentzugs. Diese sind aber nicht Gegenstand der Grundrechtsbeschwerde (RIS-Justiz RS0126401; vgl auch 14 Os 21/09h) und vom Schutzbereich des Art 5 MRK nicht umfasst (vgl Grabenwarter/Pabel EMRK5 § 21 Rz 2).

Die Grundrechtsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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