OGH 12Os56/22k

OGH12Os56/22k18.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Dr. Blecha in der Strafsache gegen * B* und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten * K* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 24. Jänner 2022, GZ 610 Hv 7/21p‑123, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00056.22K.0818.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

* K* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Mitangeklagten * B* enthält, wurde * K* des Verbrechens des Mordes nach §§ 2, 12 dritter Fall, 75 StGB (2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie von April 2021 bis 4. Juni 2021 in W* zur Ausführung der von * B* verübten strafbaren Handlung, der seine 2021 geborene Tochter L* B* vorsätzlich tötete, indem er diese in zumindest drei Angriffen mehrfach heftig schüttelte, wodurch diese metaphysäre Läsionen an beiden Oberschenkeln, Netzhautblutungen, Blutungen unter die harte Hirnhaut und daraus resultierende Hirnschädigungen und einen Atemstillstand erlitt und schließlich am 12. Juni 2021 infolge massiver Sauerstoffmangelschädigung des Gehirns verstarb, dadurch beigetragen, dass sie es als Mutter der Genannten vorsätzlich unterließ, deren Begehung durch ihn zu verhindern.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 6, 8 und 9 des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten * K* schlägt fehl.

[4] Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert die (anklagekonforme; zu dieser Verpflichtung vgl § 312 Abs 1 StPO) Aufnahme der mehrfachen körperlichen Angriffe des * B* gegen das Opfer in die die Beschwerdeführerin betreffende Hauptfrage 2./. Solcherart macht sie aber nicht klar, weshalb durch die grundsätzlich zulässige Zusammenfassung von Handlungen zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit (zum Begriff vgl RIS‑Justiz RS0122006, RS0127374; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.204) die Vorschriften der §§ 312 bis 317 StPO verletzt worden sein sollen. Bleibt lediglich anzumerken, dass eine derartige Zusammenfassung ohnedies von tatsächlichen, der Beantwortung durch die Geschworenen vorbehaltenen Umständen abhängt (vgl Ratz, WK‑StPO § 345 Rz 37 mwN).

[5] Eine prozessordnungsgemäße Ausführung der Instruktionsrüge (Z 8) verlangt den Vergleich der tatsächlich erteilten Rechtsbelehrung mit deren nach § 321 Abs 2 StPO erforderlichem Inhalt und die darauf gegründete deutliche und bestimmte Darstellung der Unrichtigkeit der den Geschworenen zuteil gewordenen juristischen Information (RIS‑Justiz RS0119549).

[6] Daran scheitert die Beschwerde, die bloß an das Referat des Inhalts der den Geschworenen erteilten Belehrung die pauschale Behauptung der Unvollständigkeit in Bezug auf die Tatbestandserfordernisse eines Unterlassungsdelikts knüpft, ohne dabei darzulegen, welcher konkrete Belehrungsinhalt unrichtig sein soll (vgl RIS‑Justiz RS0119071).

[7] Aus welchem Grund die (ohnedies erteilte) Instruktion über die Abgrenzung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit auf „Unterlassungsdelikte zugeschnitten“ hätte werden müssen, macht das Rechtsmittel ebenfalls nicht deutlich.

[8] Mit der Bezugnahme auf Streichungen und Ausbesserungen in der Niederschrift der Geschworenen (hier: in Bezug auf gar nicht beantwortete Eventualfragen) kann Nichtigkeit aus § 345 Abs 1 Z 9 StPO nicht abgeleitet werden (vgl RIS‑Justiz RS0101005 [T5]).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).

[10] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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