OGH 12Os44/07y

OGH12Os44/07y3.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin in der Strafsache gegen Metodi T***** wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 17. Jänner 2007, GZ 18 Hv 208/06f-72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Metodi T***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (2), der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (3) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (4) schuldig erkannt.

Danach hat er in Klagenfurt von einem nicht näher bekannten Zeitpunkt 2004 bis zum 12. Juni 2006 in wiederholten Angriffen;

1) mit der am 4. April 1995 geborenen unmündigen Katarina P***** dadurch, dass er sie veranlasste, an ihm den Oralverkehr durchzuführen und mit ihr den vaginalen und analen Geschlechtsverkehr vollzog, den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen;

2) außer dem Falle des § 206 StGB die am 4. April 1995 geborene unmündige Katarina P***** veranlasst, ihn bis zum Samenerguss manuell zu befriedigen, somit eine geschlechtliche Handlung von der unmündigen Person an sich vornehmen lassen;

3) Katharina P***** wiederholt durch die Äußerung, ihre Mutter werde sie töten, wenn sie von diesen Vorfällen erzählen würde (US 5), somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung wegen der zu 1 und 2 genannten Tathandlungen genötigt;

4) in den zu 1 und 2 genannten Fällen mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung dieser Stellung geschlechtliche Handlungen vorgenommen und an sich vornehmen lassen.

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Recht bemängelt der Beschwerdeführer die Abweisung seines bereits im Zwischenverfahren (ON 52) und in der ersten Hauptverhandlung (S 304) gestellten, in der Hauptverhandlung vom 17. Jänner 2007 wiederholten Beweisantrages auf Einvernahme des Zeugen Ibrahim S***** zum Beweis dafür, dass das Tatopfer diesem gegenüber unmissverständlich erklärt habe, ihre Angaben vor der Untersuchungsrichterin und vor Beamtinnen des LKA seien unzutreffend, diese Angaben wären zum Wohl der Kindesmutter getätigt worden und es täte dem Kind furchtbar leid, was es dem Angeklagten mit ihren Aussagen angetan habe (S 360). Das Erstgericht wies dieses Begehren mit der Begründung ab, dass die - nach der ersten Hauptverhandlung verfügte - Ladung dieses Zeugen nicht bewerkstelligt werden konnte und darüber hinaus ein Erkundungsbeweis vorläge, weil die den Angeklagten belastende Katharina P***** in der Hauptverhandlung erklärt habe, mit Ibrahim S***** über die inkriminierten Tathandlungen nicht gesprochen zu haben (S 362).

Der Umstand, dass die Ladung zur Hauptverhandlung dem Zeugen nicht zugestellt werden konnte (ON 67: „unter dieser Adresse nicht bekannt"), reicht noch nicht aus, um von einem nicht zugänglichen Beweismittel sprechen zu können. Davon könnte erst dann die Rede sein, wenn Versuche des Gerichtes fruchtlos geblieben wären, den Zeugen zB durch Anfrage an das Zentralmelderegister, an den Hauptverband der Sozialversicherungsträger oder aber durch Ermittlungen der Polizei auszuforschen (vgl RIS-Justiz RS0108361). Im Hinblick auf das vom Verteidiger genannte Beweisthema kann auch keine Rede davon sein, dass damit unter Berücksichtigung der diesem Beweisstandpunkt widersprechenden Angaben der Belastungszeugin ein bloßer Erkundungsbeweis angestrebt wird. Das Beweisthema stellt die Richtigkeit der Angaben dieser Zeugin in Frage. Indem die Tatrichter die Angaben des Tatopfers ohne entsprechende Beweisaufnahme ungeprüft für richtig unterstellten, liegt eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung vor (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341), welche zur Aufhebung des Urteils zwingt.

Somit zeigt sich, dass die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, weshalb der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben war (§ 285e StPO).

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Im zweiten Rechtsgang wird überdies zu klären sein, inwieweit der im Schuldspruch 3 inkriminierten Nötigung eine gefährliche Drohung iSd § 74 Abs 1 Z 5 StGB zugrunde lag, oder ob gegebenenfalls der Angeklagte nicht bloß den Eindruck hervorrufen wollte, der Eintritt des angekündigten Übels sei - iS einer dem Tatbild nicht entsprechenden Warnung - von seinem Willen nicht beeinflussbar (vgl Kienapfel/Schroll BT I5 § 105 Rz 31; Schwaighofer in WK2 § 105 Rz 48; Jerabek in WK2 (2006) § 74 Rz 24; 11 Os 36/05m, JBl 2007,64 m Anm Burgstaller = SSt 2005/46).

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