OGH 12Os42/23b

OGH12Os42/23b26.4.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. April 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Fitzthum in der Strafsache gegen * H* MSc wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, AZ 29 Hv 99/22t des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 9. März 2023, AZ 11 Bs 28/23i, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120OS00042.23B.0426.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

Fachgebiet: Grundrechte

 

Spruch:

 

* H* MSc wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem nicht rechtskräftigen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 7. Dezember 2022, GZ 29 Hv 99/22t-83, wurde * H* MSc des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

[2] Danach hat sie am 20. November 2021 in N* ihren Vater * P* vorsätzlich getötet, indem sie ihm mit einem Küchenmesser mit einer Gesamtlänge von 32,5 cm und einer Klingenlänge von 20 cm zahlreiche Stich- und Schnittverletzungen im Bereich der Halsvorderseite, der Bauchvorderseite, im Gesicht, an der behaarten Kopfdecke, an der rechten Schädelhälfte sowie an der rechten hohen Schulterregion zufügte und dadurch Halsweichteile durchtrennte, Halsgefäße an- und durchschnitt, die Luftröhre in Höhe des Stirnknorpels abtrennte, die Speiseröhre teilweise abtrennte sowie Darmschlingen mehrfach an- und durchstach, wodurch er in Folge eines Blutverlustes nach außen und einer venösen Luftembolie verstarb.

[3] Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 25. Jänner 2023, GZ 29 Hv 99/22t‑94, mit dem die über die Genannte verhängte Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO fortgesetzt worden war, nicht Folge und ordnete aus demselben Haftgrund die Fortsetzung der Untersuchungshaft an.

Rechtliche Beurteilung

[4] Allein gegen die Annahme des Haftgrundes richtet sich die Grundrechtsbeschwerde der Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.

[5] Die rechtliche Annahme der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren kann im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens nur dahin überprüft werden, ob sie aus den vom Beschwerdegericht angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS‑Justiz RS0117806, RS0118185; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 49).

[6] Das Oberlandesgericht verwies auf die von der Angeklagten mit einer geradezu erschreckenden Brutalität gegenüber dem Opfer ohne begreiflichen Anlass begangene Tat, für welche sie auch selbst keinerlei Erklärung habe, sowie auf ihre mit der Tat im Zusammenhang stehende zentrale Charaktereigenschaft (BS 5 iVm den dort genannten Fundstellen aus den Hv‑Akten). Davon ausgehend erblickte das Beschwerdegericht die Gefahr, die Angeklagte werde ungeachtet des wegen einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gegen sie geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit schweren Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihr angelastete Straftat mit schweren Folgen (§ 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO).

[7] Entgegen dem Vorbringen der Grundrechtsbeschwerde ist darin keine willkürlich begründete Prognose zu erblicken (RIS‑Justiz RS0117806 [T4, T7]).

[8] Die dabei aus Sicht der Beschwerdeführerin unterbliebene (ausreichende; vgl jedoch BS 5) Berücksichtigung der Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen (und daraus für sie abgeleiteter günstigerer Annahmen) kann nicht als Grundrechtsverletzung vorgeworfen werden (RIS‑Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0117806&SkipToDocumentPage=True [T11, T30]).

[9] Gegenstand des Erkenntnisses über eine Grundrechtsbeschwerde ist allein die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Haft (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0121605&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [T3]), weshalb die Behauptung einer Verletzung der Begründungspflicht durch das Erstgericht einer Erwiderung nicht zugänglich ist.

[10] Aus welchem Grund die vom Beschwerdegericht zum Vorliegen des genannten Haftgrundes angestellten Erwägungen (BS 4 f) keine eigene Entscheidung in der Sache (§ 89 Abs 2b erster Satz StPO) darstellen sollten, macht die Beschwerde nicht klar.

[11] Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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