OGH 12Os31/06k

OGH12Os31/06k1.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Juni 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Dachler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Asim S***** und Edin M***** wegen Verbrechen des schweren Raubes als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten S***** und M***** sowie die diese betreffende Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Wiener Neustadt vom 30. November 2005, GZ 38 Hv 43/05w-159, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten S***** und M***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil - das auch den unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch eines weiteren Angeklagten und unangefochtene Freisprüche enthält - wurde Asim S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (I 1), (jeweils) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (I 2 bis 8) und (jeweils) des Vergehens nach § 50 Z 1 WaffG (I 9, 10) sowie Edin M***** (jeweils) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (II 1 bis 3) schuldig erkannt.

Danach haben

I. Asim S*****

die gesondert verfolgten Branko H***** und Miroslav Ma***** dadurch, dass er ihnen den Tatplan unterbreitete, sie von dessen Realisierbarkeit überzeugte sowie seiner Zusage gemäß die Tatwaffe, einen Rucksack und eine Tragetasche zur Verfügung stellte und Aufpasserdienste leistete, dazu bestimmt, strafbare Handlungen auszuführen, und zwar dazu, dass Branko H***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Miroslav Ma***** unter Verwendung einer Waffe am 6. Mai 2003 in Möllersdorf durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) Verfügungsberechtigten der Sparkasse Möllersdorf fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld, mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegnahm, indem sie „Überfall! Hände hoch und hinlegen!", riefen und H*****, während Ma***** eine Pistole gegen die Bankangestellten Roswitha P***** und Gabriele N***** sowie die Kunden Marian Me***** und Maria A***** in Anschlag brachte, 2.765 Euro aus dem Tresor entnahm und in einen Rucksack packte (1);

und in weiteren sieben Fällen dadurch, dass er die Tatwaffe, einen Rucksack und eine Tragetasche zur Verfügung stellte sowie teilweise das Fluchtfahrzeug zum Tatort lenkte und Aufpasserdienste leistete, weiters zusagte, seine in der Nähe des Tatorts gelegene Wohnung als Versteck zur Verfügung zu stellen, dazu beigetragen, strafbare Handlungen auszuführen, und zwar zur Verübung der vom abgesondert verfolgten Branko H***** (2) und Miroslav Ma***** (3 bis 8) begangenen Taten, nämlich das auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtete Abnötigen fremder beweglicher Sachen durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe, indem der unmittelbare Täter an im Urteil genannten Tagen zwischen August 2003 und Mai 2004 ebendort bezeichnete Personen durch Bedrohung mit einer Pistole zur Ausfolgung von Bargeld in Höhe zwischen 17.000 und 69.145 Euro, insgesamt rund 180.000 Euro zwang; sowie in Mödling von einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis Oktober 2003 (I 9) und von Oktober 2003 bis 5. Juli 2004 (I 10), wenn auch nur fahrlässig, genehmigungspflichtige Schusswaffen, und zwar Faustfeuerwaffen der Marke Beretta Kal 9 mm (I 9) und der Marke Makarov Kal 9 mm (I 10) besessen (I 9, 10) und geführt (nur I 9); II. Edin M*****

zur Ausführung strafbarer Handlungen beigetragen, und zwar zu den vom abgesondert verfolgten Miroslav Ma***** dadurch begangenen Taten, dass dieser Nachgenannten durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89) fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abnötigte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, sie unter Vorweisen einer Pistole zur Ausfolgung von Bargeld zwang, den Raub sohin jeweils unter Verwendung einer Waffe verübte, und zwar am 29. Oktober 2003 in Möllersdorf die Angestellten der Volksbank Doris P***** und Karl V***** zur Ausfolgung von 69.145 Euro, indem er Aufpasserdienste leistete und das Fluchtfahrzeug lenkte (1), am 30. Jänner 2004 in Möllersdorf die Angestellten der Volksbank Doris P***** und Karl V*****, wobei Ma***** die Drohung zudem gegen den Bankkunden Josef M***** richtete, zur Ausfolgung von 16.350 Euro, indem er Aufpasserdienste leistete und das Fluchtfahrzeug lenkte (2) und am 5. September 2003 in Maria Enzersdorf die Postbediensteten Brigitte U*****, Margit H***** und Daniela R***** zur Ausfolgung von 20.335 Euro, indem M***** Ma***** vor der Tat zusagte, seine in unmittelbarer Nähe zum Tatort gelegene Wohnung als Versteck zur Verfügung zu stellen (3).

Die Geschworenen hatten zu S***** sämtliche, zu M***** nur drei (von fünf) der an sie gestellten Hauptfragen bejaht; weitere Fragen waren nicht gestellt worden.

Die dagegen von den Angeklagten S***** aus Z 5, 9 und 10a des § 345 Abs 1 StPO, von M***** aus Z 5, 6, 7 und 10a leg cit erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden sind nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****:

Dieser stellte in der Hauptverhandlung vom 30. November 2005 folgenden Beweisantrag: „Zum Nachweis dafür, dass die Tatwaffe von Vladimir Z***** dem Miroslav Ma***** zur weiteren Verwendung übergeben und diese dann in der Wohnung des Asim S***** verwahrt wurde, nach Eruierung der ladungsfähigen Adresse des Vladimir Z*****, möglicherweise aus dem Strafakt gegen Miroslav Ma***** in Kroatien, die zeugenschaftliche Einvernahme über Video sowie zum Nachweis, dass sich der genannte Zeuge gemeinsam mit Miroslav Ma***** in Österreich aufgehalten hat, möglicherweise zum Zweck der Auskundschaftung und Planführung eines Banküberfalles" (S 237 f/V). Der Verfahrensrüge (Z 5) zuwider wurden durch die Abweisung dieses Begehrens grundrechtlich geschützte (Verteidigungs-)Rechte (Art 6 MRK) nicht verletzt:

Abgesehen davon, dass der Beweiswerber auch nur annähernd zielführende Anhaltspunkte für den derzeitigen Aufenthaltsort des Vladimir Z***** (in der Nichtigkeitsbeschwerde: Z*****) nicht darzustellen vermochte (Mayerhofer StPO5 § 281 Z 4 E 109b), ist das erstgenannte Beweisthema im Hinblick darauf, dass dieser selbst einräumt, die Waffe - neben anderen unbestritten zur Tatbegehung verwendeten Utensilien (was allein schon seine Beitragstäterschaft begründete) - Ma***** aus aktuellem Anlass zur Verfügung gestellt zu haben (S 115 f/V), unerheblich (Mayerhofer aaO E 63). Wem die Tatwaffe ursprünglich gehörte und wo sie verwahrt wurde, betrifft ebenso wenig eine entscheidende Tatsache wie die Frage, ob Z***** mit Ma***** allenfalls noch weitere Überfälle besprach, da dies nicht Verfahrensgegenstand war.

Die Wahrspruchsrüge (Z 9) versäumt das prozessordnungsgemäße Aufzeigen der im Gesetz genannten Formalmängel des Wahrspruches selbst, sondern beschränkt sich auf dessen beweiswürdigende Vergleichung mit den Verfahrensergebnissen (Mayerhofer StPO5 § 345 Z 9 E 6), wodurch sie sich im Nichtigkeitsverfahren sachlicher Erwiderung entzieht.

Ebenso wenig an der Prozessordnung orientiert erweist sich die Tatsachenrüge (Z 10a), weil sie weitgehend jeglichen konkreten Aktenbezug vermissen lässt. Keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen vermag ein Entlastungsversuch des Branko H***** zu Faktum I 2 (nach eindeutiger Belastung des Angeklagten in allen früheren Aussagen - S 207/V) zu erwecken; gleiches gilt für mangelnde Details in der Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu den Beitragshandlungen, blieb doch jedenfalls das Überlassen der Tatwaffe unbestritten. Die Behauptung schließlich, „in sämtlichen Urteilssprüchen betreffend die Fakten I/2 bis 8" werde von Bestimmungstäterschaft gesprochen, ist aktenfremd (US 13 bis 17; „Haupttäterschaft" wurde S***** im Übrigen auch zu Faktum I 1 nicht angelastet - US 12).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****:

Zu Unrecht rügt dieser aus Z 5 die Abweisung seines am 29. November 2005 zur Untermauerung seiner Behauptung der Unrichtigkeit ursprünglich abgelegter Geständnisse gestellten Antrages auf „Ausforschung sämtlicher Beschäftigter des Cafe H***** in der Zeit zwischen April 2003 und Juli 2004 und deren Einvernahme zum Beweis dafür, dass der Angeklagte niemals in diesem Lokal anwesend war und niemals Gast dieses Lokales gewesen ist" (S 239 f/V), ließ er doch offen, aus welchem Grund die Bediensteten des einmal als „Motel" (S 53/I) bezeichneten Lokales die genannte Negativerinnerung haben könnten, was nur bei Hinzutreten besonderer - hier eben nicht erwähnter - Umstände zu erwarten wäre.

Genauso wenig verstieß es gegen die Verfahrensgarantie des Art 6 MRK, den ersten Verteidiger des Beschwerdeführers nicht zum Beweis dafür als Zeugen zu hören, „dass bereits beim ersten Gespräch des Verteidigers mit dem Angeklagten M***** dieser erklärt hat, ein unrichtiges Geständnis abgelegt zu haben und ihm vom Anwalt dringend geraten wurde, das bereits dem Untersuchungsrichter darzulegen und diesem Rat des Anwaltes dann gefolgt wurde" (S 241/V). Davon wird nämlich weder eine entscheidende Tatsache betroffen noch ein erheblicher Umstand, war für die Geschworenen doch ohne den in Rede stehenden Beweis evident, dass M***** vor der Polizei (S 155 ff/I) und dem Untersuchungsrichter vorerst (S 219/I) weitgehend geständig war, sich jedoch ab dem 17. September 2004 (S 223/I, 161 ff/V) völlig leugnend verantwortete.

Den auf den Schuldspruch II 3 bezogenen Rügen aus Z 6, 7 und 10a ist durch den Urteilsberichtigungsbeschluss vom 3. April 2006 (ON 176) der Boden entzogen.

Die darüber hinausgehende Tatsachenrüge (Z 10a) geht vorerst schon deshalb fehl, weil sie sich auf die „Begründung der Geschworenen" (gemeint: die Niederschrift gemäß § 331 Abs 3 StPO) bezieht und somit nicht aus den Akten entwickelt wird (13 Os 36/01 = JBl 2002, 129). Gleiches gilt für die angeblich eine „Überforderung" indizierende Dauer der Beratung der Geschworenen (S 251/V). Im Übrigen ist die eigenständig beweiswürdigende Detailanalyse der Aussagen der Beteiligten in diesem von wechselseitigen Hauptschuldzuweisungen und Verantwortungswiderrufen gekennzeichneten Verfahren nicht angetan, erhebliche Zweifel im Sinne eines unerträglichen Fehlurteiles nahezulegen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 470; 12 Os 42/05a uva), zumal M***** nicht nachvollziehbar darzutun vermochte, aus welchem Grund er aus Angst vor Ma***** ursprünglich ein sich und diesen belastendes Geständnis zu einem Teil der gegen ihn erhobenen Vorwürfe (S 155 ff/I, 219/I) ablegte (S 167/V), das sich weitgehend mit der Einlassung des unmittelbaren Täters deckte (S 85/V, 475/III). Zum Faktum II 3 beruhen die Rechtsmittelausführungen lediglich auf der nicht objektivierten Behauptung des Vorhandenseins bloß eines Schlüssels zur Ma***** als Versteck angebotenen eigenen Wohnung (S 385/IV, 169/V).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren somit bereits nach nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO); daraus folgt die Zuständigkeit des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Erledigung der Berufungen (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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