OGH 12Os26/13k

OGH12Os26/13k11.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. April 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Viktorin als Schriftführer in der Strafsache gegen Enes Y***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 21. November 2012, GZ 36 Hv 26/12s-31, sowie über die Beschwerde gegen den Beschluss gemäß §§ 50, 52 StGB nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch - statt mit gesondert ausgefertigtem Beschluss (vgl Schroll in WK2 § 50 Rz 16; Danek, WK-StPO § 270 Rz 50) - die Anordnung von Bewährungshilfe enthält, wurde Enes Y***** des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (A./) sowie des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach hat er (zu ergänzen:) in W*****

A./ am 6. März 2012 dadurch, dass er ein brennendes - nur durch manuelles Schließen der Verschlusskappe zu löschendes - Benzinfeuerzeug in den Bereich eines Betstuhls bzw der Erntedankkrone im Seitenschiff des „L*****“ warf, wodurch sich ein bis in den Dachstuhl der Kirche reichendes massives Brandgeschehen entwickelte, das erst durch einen ausgedehnten Feuerwehreinsatz bekämpft werden konnte und wodurch ein Schaden in Höhe von rund 1.000.000.000 Euro (ersichtlich gemeint: 1.000.000 Euro; vgl US 3) entstand, an einer fremden beweglichen Sache, ohne Einwilligung des Eigentümers, vorsätzlich eine Feuersbrunst verursacht;

B./ am 25. März 2012 dadurch, dass er in der WC-Anlage des Städtischen Friedhofs einen auf einem Fensterbrett liegenden Plastiksack mit seinem Feuerzeug in Brand setzte, sodass das Feuer auf Teile der WC-Anlage übergriff und insbesondere eine teilweise Zerstörung der Verfliesung, der Tür und des Wandklosetts bewirkte, fremde Sachen beschädigt, wobei er durch die Tat einen 4.771,94 Euro betragenden, somit 3.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Soweit der Nichtigkeitswerber ohne konkretes Vorbringen zum Schuldspruch B./ die Aufhebung des (gesamten) angefochtenen Urteils beantragt, war seine Beschwerde bereits mangels Substantiierung zurückzuweisen (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

In der Hauptverhandlung am 21. November 2012 beantragte der Angeklagte „die Einholung eines SV-Gutachtens aus dem Fachgebiet der Telekommunikation, allenfalls Einvernahme eines informierten Vertreters des Netzbetreibers sowie die Einholung einer Aufstellung sämtlicher Standorte von Mobilfunkmasten im Stadtgebiet von W***** und zwar zum Beweis dafür, dass die Funkzelle der Basisstation in der W***** maximal einen Durchmesser von einigen hundert Metern hat, jedenfalls aber nicht bis zum W***** reicht“ und der Angeklagte somit am 6. März 2012 gar nicht am Tatort gewesen sein kann, weil die Entfernung zwischen Dom und Basisstation fast 1,5 km betrage und demgegenüber das Mobiltelefon des Angeklagten laut Rufdatenauswertung in keiner anderen, vornehmlich in einer im Bereich der Innenstadt gelegenen Basisstation eingeloggt gewesen sei (ON 30 S 6 f).

Diesen Beweisantrag durfte das Erstgericht der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abweisen (ON 30 S 37 f). Schon im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer laut Rufdatenauswertung (ON 18) am Tattag zur fraglichen Zeit fast eine halbe Stunde lang (nämlich zwischen 17:05 Uhr und 17:34 Uhr) mit seinem Mobiltelefon keine Gespräche geführt hatte (ON 18 S 7), war der unter Beweis zu stellende tatsächliche Umstand nicht in der Lage, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen, zumal es dem Angeklagten in dieser Zeitspanne jedenfalls möglich gewesen wäre, die Funkzelle der Basisstation in der W***** zu verlassen, sich in den (maximal 1,5 km entfernten) W***** zu begeben und sodann wieder in die genannte Funkzelle zurückzukehren (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341). Das behauptete Beweisergebnis wäre somit nicht geeignet gewesen, dessen Täterschaft auszuschließen, sodass das Begehren schon deshalb zu Recht der Abweisung verfiel.

Die behauptete Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) der „Angabe des Tatzeitpunktes“ („zwischen 17:00 Uhr und 17:30 Uhr“; vgl US 2) bleibt unbegründet und ist daher einer sachbezogenen Erwiderung nicht zugänglich. Soweit die Mängelrüge im Übrigen vorbringt, die Feststellungen zur Tatzeit seien „auch unvollständig“ (dSn Z 9 lit a) sowie aktenwidrig (Z 5 letzter Fall), weil sich aus der Rufdatenauswertung ON 18, Beilage ./1, ergebe, dass sich der Angeklagte zur angenommenen Tatzeit im Sendebereich des Sendemastes W*****, somit „an einen weit vom L***** entfernten Ort“ aufgehalten hat, spricht sie keine entscheidende Tatsache an und übersieht, dass Aktenwidrigkeit nur dann vorliegt, wenn ein Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431), nicht aber mit dem Vorwurf zur Darstellung gebracht wird, Feststellungen stünden im Widerspruch zu Beweisergebnissen.

Weshalb sich das Erstgericht mit der Aussage der Zeugin Eva S*****, die sich in der Hauptverhandlung aufgrund des Zeitablaufs an ihre am Tattag gemachten - und seinerzeit der Polizei geschilderten - Beobachtungen kaum mehr erinnern konnte (ON 30 S 22 ff), hätte auseinandersetzen müssen, legt die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht nachvollziehbar dar.

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht methodengerecht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb für die rechtsrichtige Beurteilung des Sachverhalts Feststellungen „über Lage und Anzahl sämtlicher Sendemasten auch im Bereich des L***** in W*****“ erforderlich gewesen wären.

Gleiches gilt in Bezug auf die weiters vermisste Konstatierung, „wie weit das Wohnhaus der Eltern des Angeklagten bzw der Sendemast W***** vom L***** entfernt ist“.

Feststellungsmängel im oben aufgezeigten Sinn werden solcherart nicht dargetan; vielmehr unternimmt die Rechtsrüge den Versuch, ihr nicht genehme Feststellungen mittels eigenständiger Beweiswerterwägungen durch andere zu ersetzen, womit sie den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt verfehlt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 593).

Abschließend behauptet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Fehlen „ausreichender Feststellungen“ zur subjektiven Tatseite, legt jedoch nicht dar, welche über die ohnedies getroffenen - unmissverständlichen - Urteilsannahmen (US 2, 7) hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion noch erforderlich gewesen wären.

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Berufung wegen Schuld war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die (implizite) Beschwerde folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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