OGH 12Os19/20s

OGH12Os19/20s24.3.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel in der Strafsache gegen Maximilian B***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 25. November 2019, GZ 37 Hv 100/19d‑29, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00019.20S.0324.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Maximilian B***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 7. September 2019 in L***** Julia K***** mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie gewaltsam in eine öffentliche Toilettenanlage zog, ihr die Hosen herunterriss, sie auf den Boden drückte und sodann an ihr gegen ihren Willen den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider gründete das Erstgericht die Konstatierungen, wonach Julia K***** nicht wehrlos oder widerstandsunfähig war, auf die Angaben dieser Zeugin und die Verfahrensergebnisse zum Ausmaß ihrer Alkoholisierung (US 14 f). Das ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Die Feststellungen zum Ausmaß der Kraftanwendung hinsichtlich des „Ziehens am Handgelenk zur Toilettenanlage“ (des im Übrigen körperlich weit unterlegenen Opfers – vgl US 4) sind mit Blick auf den – keine erhöhten Anforderungen beinhaltenden – Gewaltbegriff des § 201 Abs 1 StGB (vgl RIS‑Justiz RS0095260; Philipp in WK2 StGB § 201 Rz 13) nicht undeutlich (Z 5 erster Fall). Im Übrigen spricht die Rüge keinen entscheidenden Umstand an, weil sie jene Urteilsannahmen des Schöffengerichts unbekämpft lässt, wonach der Angeklagte dem Opfer die Hose samt Unterhose herunterriss, es an beiden Schultern packte und es auf den Boden drückte (US 4).

Im Hinblick darauf, dass es für das Nötigungsmittel der Gewalt bereits ausreicht, wenn der Täter eine nicht ganz unerhebliche physische Kraft zur Überwindung eines vermuteten Widerstands einsetzt (vgl erneut RIS‑Justiz RS0095260), geht auch die Kritik (Z 5 vierter Fall) an den Feststellungen des Erstgerichts betreffend den „aufkeimenden“ und „ernstgemeinten“ Widerstand des Opfers ins Leere.

Ebensowenig spielt es daher für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage eine Rolle, ob sich Julia K***** dagegen wehrte, vom Angeklagten in die Toilette gezogen zu werden.

Soweit die Beschwerde in eigenständiger Bewertung der alkoholbedingten Erinnerungslücken des Opfers in Bezug auf den sexuellen Übergriff selbst die Möglichkeit in den Raum stellt, dass Julia K***** in den Geschlechtsverkehr eingewilligt hat, bekämpft er bloß die gegenteiligen (aus den konkreten Tatumständen gezogenen – vgl US 13 f) Schlussfolgerungen des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) verlässt prozessordnungswidrig die Feststellungsbasis des angefochtenen Urteils (vgl RIS‑Justiz RS0099810), indem sie – im Wesentlichen unter bloßer Wiederholung der Argumentation der Mängelrüge – die Ausübung von Gewalt bestreitet sowie Wehrlosigkeit sowie das Unterbleiben einer Gegenwehr des Opfers behauptet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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