Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B und demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) ebenso wie der Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen, ersterer auch mit seiner Beschwerde, auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Kazim K***** wurde im zweiten Rechtsgang (siehe zum ersten 12 Os 9/10f, 12 Os 16/10k) der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (A/I und II) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B) sowie der Vergehen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 dritter Fall SMG (C), des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (D/1) und nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall und Abs 4 Z 1 SMG (D/2/a und b), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (E/1), der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB (E/2), der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (F/1) und der falschen Beweisaussage nach §§ 15 Abs 1, 12 zweiter Fall, 288 Abs 1 StGB (F/2) schuldig erkannt.
Danach hat er, soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung,
A/ am Brenner vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus Italien aus- und nach Österreich eingeführt, nämlich
I/ im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit dem abgesondert verfolgten Sezal Ö***** von August bis 3. Dezember 2008 bei acht im Urteil näher beschriebenen Fahrten Cannabisharz mit einem Wirkstoffgehalt von zusammen 1.004 Gramm THC (laut US 9 1.121,41 Gramm THC) sowie zumindest 3,6 Gramm Kokain mit im Urteil nicht genanntem Wirkstoffgehalt;
II/ von Anfang 2005 bis 3. Dezember 2008 bei zumindest sieben weiteren Fahrten Cannabis, dessen Menge „nicht feststellbar ist“;
B/ von Anfang 2005 bis 3. Dezember 2008 im Großraum Innsbruck und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich aus der unter A/I und II angeführten Cannabismenge (US 10) mehr als 300 Gramm Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von 6,7 %, somit mehr als 20,1 Gramm THC, Sezal Ö***** und unbekannten Abnehmern durch unentgeltliche Weitergabe und „gewerbsmäßigen“ Verkauf überlassen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 5 und 10, der Sache nach auch Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist zum Teil im Recht.
Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) Feststellungen zu den „sieben weiteren Schmuggelfahrten“ (A/II) vermisst (der Sache nach Z 9 lit a), übergeht er die zu diesen Taten getroffenen Konstatierungen (US 9 unten f).
Weil nur (zudem gleichartige) Verbrechen nach § 28a SMG eine Subsumtionseinheit nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG bilden können (vgl den Schuldspruch zu A/I und II; RIS-Justiz RS0117464, RS0116676), sei mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO angemerkt, dass auch zu den Fahrten A/II eine den mit der wiederholten Tatbegehung verbundenen Additionseffekt umfassende Willensausrichtung des Angeklagten festgestellt wurde (RIS-Justiz RS0124018, RS0112225; US 10 unten f), weshalb es für die vorliegende Subsumtion nicht darauf ankommt, ob bei jeder dieser Fahrten eine die Grenzmenge übersteigende Menge aus- und eingeführt wurde.
Das Vorbringen, zu den Konstatierungen über die „sieben weiteren Schmuggelfahrten“ (A/II) seien die Tatrichter „zu wenig eingegangen“; darüber hinaus würden im Urteil „keinerlei Beweiswürdigungsergebnisse herausgearbeitet, die eine derartige Feststellung rechtfertigen“, ist weder an den aus Z 5 des § 281 Abs 1 StPO eröffneten Anfechtungskategorien (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 393 f, 418 ff) noch am Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) orientiert.
Letzteres gilt auch für die Rechtsrüge (nominell Z 10, inhaltlich Z 9 lit a), soweit der Beschwerdeführer zum Schuldspruch B Feststellungen zur inneren Tatseite vermisst, ohne darzulegen, welcher Konstatierungen es über die getroffenen hinaus (US 10 f) seiner Ansicht nach noch bedurft hätte.
Zu Recht wendet er jedoch gegen den Schuldspruch B ein, dass das betreffende Cannabis bereits vom Schuldspruch A/I erfasst sein könnte, der Taten betrifft, an denen Sezal Ö***** beteiligt war:
Wie der Oberste Gerichtshof schon in seiner das Urteil im ersten Rechtsgang aufhebenden Entscheidung (12 Os 9/10f, 12 Os 16/10k) betont hat, stellt die Übergabe von Suchtgift an eine Person, die daran bereits durch ihre Beteiligung an Aus- und Einfuhr Mitgewahrsam hat, kein Überlassen iSd § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG dar (RIS-Justiz RS0115882).
Die - nicht differenzierenden - Feststellungen, wonach der Angeklagte Cannabis aus der zu Punkt A/I und II des Schuldspruchs angeführten Menge Sezal Ö***** und Unbekannten überließ (US 10), vermögen im Sinn des Beschwerdevorbringens den Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (B) nicht zu tragen:
Das Erstgericht hat hinsichtlich der Herkunft des überlassenen Suchtgifts nicht zwischen den Taten laut Schuldspruch A/I, an denen Sezal Ö***** mitwirkte (US 9, vgl US 3), und denen laut A/II unterschieden, an denen er nicht teilnahm. Soweit er infolge Mitwirkung an Fahrten über die Grenze (A/I) bereits Mitgewahrsam am Cannabis hatte, liegt kein Überlassen im genannten Sinn vor. Ebensowenig lassen die Entscheidungsgründe erkennen, wie viel Cannabis der Angeklagte anderen Personen übergeben hat (US 10).
Demnach ist derzeit nicht abschließend zu beurteilen, ob und gegebenenfalls in Betreff welcher Menge (vgl § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG, § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG) das Weitergeben von Cannabis an Sezal Ö***** strafrechtlich fassbar ist (Z 9 lit a), was mit Blick auf § 289 StPO die Kassation des gesamten Schuldspruchs B erfordert.
Daher war das angefochtene Urteil wie aus dem Spruch ersichtlich teilweise aufzuheben und insoweit die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 zweiter SatzStPO).
Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Mit den übrigen Rechtsmitteln waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die teilweise Aufhebung des Urteils zu verweisen. Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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