Spruch:
I. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde wird verweigert.
II. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
III. Aus deren Anlaß wird das angefochtene Urteil gemäß § 290 Abs 1 StPO aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf Punkt III. dieser Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Gegen das Urteil vom 30.April 1997, mit dem er im zweiten Verfahrensgang der Vergehen nach § 17 Abs 2 iVm § 17 Abs 1 Z 4 AußHG 1984 idF BGBl 1989/257 und nach § 17 Abs 1 Z 2 lit b AußHG idF BGBl 1992/469 und BGBl 1993/408 schuldig erkannt wurde, meldete der Angeklagte Mustafa A***** durch seinen ausgewiesenen Verteidiger Dr.S***** rechtzeitig am 2.Mai 1997 die Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 27).
Die Urteilsausfertigung wurde dem Verteidiger am 8.Oktober 1997 zugestellt. Mit am 14.November 1997 - also bereits nach Ablauf der Frist zur Ausführung der Rechtsmittel - beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz teilte dieser mit, daß er bereits am 4.September 1997 dem Angeklagten die Vollmacht gekündigt hat.
Mit Schriftsatz vom 14.November 1997 (Postaufgabe 15.November 1997), mit dem auch die Rechtsmittel- ausführung nachgeholt wurde, beantragte der vom Ange- klagten am 10.November 1997 beauftragte Verteidiger die Erteilung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der vierwöchigen Rechtsmittelausführungsfrist. Der Antrag wurde im wesentlichen damit begründet, daß der seinerzeitige Verteidiger des Wiedereinsetzungswerbers diesem mit Schreiben vom 17.Oktober 1997 mitteilte, daß ihm die Urteilsausfertigung am 8.Oktober 1997 zugestellt wurde, sodaß die angemeldeten Rechtsmittel bis spätestens 15. November 1997 ausgeführt werden müßten. Die fehlerhafte Bezeichnung des Endes der Ausführungsfrist sei auf einen Tippfehler (15. statt 5.November 1997) der gewissenhaften und seit vielen Jahren fehlerfrei arbeitenden Kanzleileiterin Dris.S***** zurückzuführen.
Rechtliche Beurteilung
Das Wiedereinsetzungsbegehren ist nicht gerechtfertigt.
Gemäß § 364 Abs 1 StPO hat die Wiedereinsetzung gegen Fristversäumung zur Voraussetzung, daß es dem Angeklagten durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, die (versäumte) Frist einzuhalten, es sei denn, daß ihm oder seinem Vertreter ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt. Davon kann aber nach den Umständen dieses Falles nicht gesprochen werden.
Der nach der Aktenlage bevollmächtigte Verteidiger ist solange als Vertreter des Angeklagten (Beschuldigten) anzusehen, bis dem Gericht die Kündigung oder der Widerruf dieser Vollmacht bekannt gegeben wird (SSt 58/69). In Anbetracht der Rechtswirksamkeit der Zustellung der Urteilsausfertigung an den ausgewiesenen Verteidiger ist somit die - wie erwähnt - erst nach Ablauf der Rechtsmittelausführungsfrist beim Erstgericht eingelangte Mitteilung von der bereits am 4.September 1997 erfolgten Vollmachtskündigung unter dem Aspekt aktueller Wahrung der Interessen des Angeklagten durch einen Verteidiger als verspätet anzusehen. Zudem war bei der gegebenen Sach- konstellation im Hinblick darauf, daß der ausgewiesene Vertreter des Angeklagten diesen erst neun Tage nach Zustellung der Urteilsausfertigung, nämlich mit (frühestens an diesem Tag zur Post gegebenem) Schreiben vom 12.Okto- ber 1997 davon in Kenntnis setzte, daß der Lauf der Ausführungsfrist bereits mit der Zustellung der Urteilsausfertigung am 8.Oktober 1997 in Gang gesetzt und ein nicht unerheblicher Teil davon bereits verstrichen war, eine entsprechend gesteigerte Sorgfalt bei Abfassung der an den Angeklagten gerichteten Information schon in Anbetracht der - zumindest prozessual regelmäßig - schwerwiegenden Folgen verspäteter Rechtsmittelausführung geboten. Entgegen der Antragsargumentation kann es dabei auf sich beruhen, ob der Kanzleileiterin des seinerzeitigen Verteidigers bei der Berechnung des im bezeichneten Schreiben angeführten Endes der Rechtsmittelausführungsfrist mit 15.November 1997 statt 9.November ein Versehen unterlief, weil ein allfälliger derartiger, nicht ihren eigenverantwortlichen Tätigkeits- bereich - wie etwa die Führung des Fristenvormerks - betreffender Irrtum dem Verteidiger bei der (hier) eigen- händigen Unterfertigung des Schreibens selbst bei oberflächlicher Prüfung seines Inhaltes schon infolge der unmittelbaren Aufeinanderfolge der relevanten Daten (8.10. und 15.11.1997) jedenfalls hätte auffallen müssen.
Dazu kommt, daß es der Angeklagte selbst unterließ, rechtzeitig der durch die Kündigung der Vertei- digervollmacht geänderten Vertretungssituation Rechnung zu tragen.
Dem seinerzeitigen Verteidiger des Angeklagten liegt somit ein Mitverschulden an der Fristversäumung nicht bloß geringen Grades zur Last. Dafür hat aber der Angeklagte kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung einzustehen, woraus folgt, daß die nach Ablauf der vierwöchigen Rechtsmittelausführungsfrist zur Post gegebene Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde verspätet ist.
Da auch bei ihrer Anmeldung keiner der in § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angeführten Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurde, war sie gemäß §§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugen, daß das angefochtene Urteil mit einem von Amts wegen wahrzunehmenden Feststellungsmangel behaftet ist.
Wie in dem in dieser Strafsache bereits ergangenen teilkassatorischen Erkenntnis vom 21.November 1996, GZ 12 Os 139/96-5, ausgeführt, macht sich nach dem AußHG 1984 idF BGBl 1989/257, BGBl 1992/469 und BGBl 1993/408 einer gerichtlich strafbaren Handlung schuldig, wer vorsätzlich durch unrichtige oder unvollständige Angaben eine nach dem AußHG erforderliche Bewilligung erschleicht, wenn der Wert der Waren, die aus- oder eingeführt werden, jeweils 500.000 S übersteigt, wobei eine Zusammenrechnung der Werte gemäß § 29 StGB nicht stattzufinden hat.
Da die Grenzwerte im angefochtenen Urteil nicht faktenbezogen aufgelistet, sondern pauschal in Jahressummen zusammengefaßt (US 4, 10, 11, 12; Gutachten Dris.Z***** AS 305, 307) und diese ihrerseits rechtsirrig (12 Os 139/96) abermals zusammengerechnet (§ 29 StGB) wurden, fehlt es an ausreichendem Feststellungssubstrat für die abschließende Beurteilung der gerichtlichen Strafbarkeit sämtlicher vom Urteilssatz erfaßten Wareneinfuhren. Die zusätzlichen Konstatierungen zu Grenzwerten (US 10 bis 12) stützen sich auf das erst nach der Hauptverhandlung vorgelegte und damit - abgesehen von der dem Angeklagten verwehrten Erörterungsmöglichkeit - schon deshalb für die Entscheidungsfindung nicht heranziehbare Gutachten des Sachverständigen Dr.Walter Z***** (ON 29). Auf derartige nicht mängelfrei zustandegekommene Feststellungen, die sich solcherart auch nicht als gesicherter Meinungsausdruck des gesamten erkennenden Senates darstellen, kann aber eine abändernde oberstgerichtliche Entscheidung nicht gegründet werden (Mayerhofer StPO4, § 288 E 38 Ende).
Es war somit bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung gemäß §§ 285 e, 290 Abs 1 StPO (abermals) mit einer Kassierung des betreffenden Schuldspruchkomplexes und Anordnung der Verfahrenserneuerung vorzugehen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die mit dieser Entscheidung notwendig verbundene Beseitigung des Strafausspruches zu verweisen.
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