OGH 12Os139/96

OGH12Os139/9621.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Stitz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mustafa A***** wegen des Finanzvergehens nach §§ 11 zweiter Fall, 35 Abs 2, 38 Abs 1 lit a FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 19.März 1996, GZ 12 Vr 636/95-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Schroll, des Dolmetsch Serdar Bilge, des Vertreters des Zollamts Wien, Rat Mag.Hacker, des Angeklagten Mustafa A*****, und des Verteidigers Dr.Heufler zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 19.März 1996, GZ 12 Vr 636/95-12, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 61 StGB, 23 Abs 2 AußHG 1995, 17 Abs 2 AußHG 1984 idF BGBl 1989/257 und BGBl 1993/408 sowie § 21 Abs 1 FinStrG.

Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b AußHG 1995 laut Punkt II. des Urteilssatzes sowie demgemäß in den Strafaussprüchen aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Eisenstadt zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 19. März 1996, GZ 12 Vr 636/95-12, wurde Mustafa A***** des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben als Beteiligter nach §§ 11 zweiter Fall, 35 Abs 2, 38 Abs 1 lit a FinStrG, des (Finanz-)Vergehens nach § 18 Abs 1 Z 2 lit b AußHG 1995 und des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB schuldig erkannt, weil er als verantwortlicher Geschäftsführer der Firma A***** & Co GesmbH in 26 Angriffen zwischen dem 4.März 1992 und dem 10.Oktober 1994 in Klingenbach und Wien

I. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht eine Verkürzung von Eingangsabgaben (nämlich des Importausgleichs nach dem Marktordnungsgesetz 1985) von zusammen 9,332.793 S vorsätzlich bewirkte, indem er schuldlos handelnde Organe von Speditionsunternehmen dazu bestimmte, über den wahren (gemeint: tatsächlich vereinbarten und bezahlten) Beträgen liegende Kaufpreise für Käse aus Kuhmilch unter Vorlage inhaltlich unrichtiger Rechnungen gegenüber Zollämtern vorzutäuschen, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

II. vorsätzlich bei nach dem Außenhandelsgesetz bewilligungspflichtigen Rechtsgeschäften oder Handlungen, die Waren (im gegebenen Zusammenhang: der Z 1 des § 18 Abs 1 AußHG 1995) zum Gegenstand hatten, durch unrichtige bzw unvollständige Angaben eine gemäß dem Außenhandelsgesetz 1995 erforderliche Bewilligung oder Bescheinigung erschlich, indem er beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft die zu I. dargestellten überhöhten Lieferantenrechnungen zur Vidierung vorlegte und

III. anläßlich der zu Punkt I. und II. angeführten Taten inhaltlich unrichtige Verkaufsrechnungen der Firma P***** und F*****, somit falsche Beweismittel, durch Vorlage gegenüber Zollorganen und gegenüber Beamten des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft in verwaltungsbehördlichen Verfahren gebrauchte.

Mustafa A***** wurde hiefür zu I. und II. unter Bedachtnahme auf § 38 Abs 1 lit a FinStrG und Anwendung der §§ 21, 22 FinStrG nach § 35 Abs 4 FinStrG zu einer Geldstrafe von 8 Mio S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von acht Monaten, und zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie zu III. nach § 293 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Die verhängten Freiheitsstrafen wurden gemäß §§ 26 Abs 1 FinStrG, 43 Abs 1 StGB jeweils unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Überdies wurde über den Angeklagten gemäß § 19 Abs 1 und Abs 4 FinStrG iVm §§ 17 Abs 2 lit a, 35 Abs 4 FinStrG eine Wertersatzstrafe von 13,623.259 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil, das lediglich im Strafausspruch nicht in Rechtskraft erwachsen ist, verletzt - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde im Ergebnis zutreffend ausführt - zum Nachteil des Angeklagten das Gesetz in den §§ 61 StGB, 23 Abs 2 AußHG 1995, 17 Abs 2 AußHG 1984 idF BGBl 1989/257, 17 Abs 1 Z 2 lit b AußHG 1984 idF BGBl 1992/469 und BGBl 1993/408 sowie § 21 Abs 1 FinStrG.

Dem Schuldspruch zu Punkt II. des Urteilssatzes wegen des (Finanz-)Vergehens nach § 18 AußHG 1995 liegt zugrunde, daß während des aktuellen Tatzeitraumes der Import von Käse bewilligungspflichtig war (§ 3 Abs 1 AußHG 1984 iVm Anlage B./2 des AußHG 1984 TarifNr.0406 idF der Außenhandelsgesetz-Novelle 1988, BGBl 1987/327). Die Erteilung der Einfuhrbewilligung oblag auf Grund der gemäß § 7 Abs 2 und Abs 3 AußHG 1984 idF BGBl 1988/377 erlassenen Verordnung BGBl 1987/630 in der jeweils geltenden Fassung den Zollämtern. Voraussetzung dafür war eine vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft mit einem Sichtvermerk versehene und mit den Abfertigungspapieren übereinstimmende Kopie einer Rechnung oder pro forma-Rechnung.

Das erkennende Schöffengericht ging davon aus, daß die Strafnorm des § 18 Abs 1 AußHG 1995, BGBl 1995/192 (in Kraft getreten am 10.März 1995) gemäß § 61 StGB günstiger sei als die in den Tatzeitpunkten geltenden Straftatbestände nach dem Außenhandelsgesetz 1984 (§ 17 Abs 2 iVm § 17 Abs 1 Z 4 AußHG 1984 idF BGBl 1989/257 - in Kraft getreten am 1.Juli 1989 - hinsichtlich der Schuldsprüche II./1. bis 6.; § 17 Abs 1 Z 2 lit b AußHG 1984 idF BGBl 1994/469 - in Kraft getreten am 1. September 1992 - hinsichtlich der Schuldsprüche II./7. bis - entgegen der Beschwerde - 15. und § 17 Abs 1 Z 2 lit b AußHG 1984 idF BGBl 1993/408 - in Kraft getreten am 25.Juni 1993 - hinsichtlich der Schuldsprüche II. - entgegen der Beschwerde - 16. bis 26.). Dabei übersahen die Tatrichter die einen Günstigkeitsvergleich nach § 61 StGB ausschließende (Leukauf/Steininger Komm3 § 61 RN 7) Übergangsbestimmung des § 23 Abs 2 AußHG 1995, derzufolge auf nach §§ 17 und 17 a des AußHG 1984 idF BGBl 1993/408 strafbare Handlungen die Bestimmungen des AußHG 1984 in der genannten Fassung sowie die dazu erlassenen Verordnungen weiterhin anzuwenden sind.

Die Mustafa A***** in den Schuldsprüchen II./16. bis 26. vorgeworfenen strafbaren Handlungen sind daher jedenfalls nach § 17 Abs 1 Z 2 lit b AußHG 1984 idF BGBl 1993/408 zu beurteilen. Die ihm darüber hinaus zur Last gelegten, vor dem 25.Juni 1993 und damit vor dem Inkrafttreten der Außenhandelsgesetz-Novelle BGBl 1993/408 begangenen Straftaten sind nach dem Sinngehalt der angeführten Übergangsbestimmung des AußHG 1995 den zu den Tatzeiten jeweils in Geltung stehenden Strafbestimmungen des AußHG 1984 zu unterstellen.

Demgemäß macht sich einer gerichtlich strafbaren Handlung schuldig, wer vorsätzlich durch unrichtige oder unvollständige Angaben eine nach dem Außenhandelsgesetz erforderliche Bewilligung erschleicht, wenn der Wert der Waren, die aus- oder eingeführt werden, jeweils 500.000 S übersteigt. Da nach § 17 a AußHG 1984 idF BGBl 1989/257, BGBl 1992/469 und BGBl 1993/408 eine ohne erforderliche Bewilligung erfolgte Aus- oder Einfuhr von Waren, deren Wert 500.000 S nicht übersteigt, als Verwaltungsübertretung zu bestrafen ist, kann - mangels besonderer Anordnung des Gesetzgebers - eine Zusammenrechnung der Werte gemäß § 29 StGB nicht stattfinden (Schwank-Straberger Außenhandelsgesetz, 108; JBl 1978, 218).

Soweit sich die Bestimmungen des Außenhandelsgesetzes 1984 auf einen bestimmten Wert der aus- oder eingeführten Ware beziehen, ist darunter gemäß § 4 Abs 3 AußHG 1984 idF BGBl 1988/377 der nach §§ 15 bis 19 des Handelsstatistischen Gesetzes 1988, BGBl 1987/661, maßgebende Wert zu verstehen. Dieser Grenzwert besteht bei der Einfuhr zufolge des fallbezogen anzuwendenden § 16 Abs 1 HStG 1988 aus dem tatsächlichen Kaufpreis am ausländischen Versandort und den (hier) vom Schöffensenat nicht berücksichtigten anteilsmäßigen ausländischen Nebenkosten wie Fracht-, Versicherungs-, Verpackungs-, Zustreifungs-, Lager- und Speditionskosten, ausländischen Aus- und Durchfuhrabgaben, Provisionen usw. Damit fehlt es aber an einem ausreichenden Feststellungssubstrat für die rechtsrichtige Beurteilung der gerichtlichen Strafbarkeit - entgegen der eine abschließende Wertbeurteilung anstrebenden Beschwerde - sämtlicher von Punkt II. des Urteilssatzes erfaßten - wie erwähnt wertmäßig jeweils gesondert zu prüfenden - Wareneinfuhren, sodaß - bei gleichzeitiger Hinfälligkeit der offenen Berufung - spruchgemäß zu entscheiden war.

Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, daß im Hinblick darauf, daß der inkriminierte Verstoß gegen das Außenhandelsgesetz erstmals in der (hier nicht anwendbaren) Bestimmung des § 18 AußHG 1995 als Finanzvergehen bezeichnet wurde, neben der für das Finanzvergehen nach §§ 11 zweiter Fall, 35 Abs 2, 38 Abs 1 lit a FinStrG auszumessenden Strafe, allenfalls gemäß § 22 Abs 1 FinStrG (vgl § 1 FinStrG) gesondert unter Anwendung des § 28 StGB auf eine einzige Strafe für die Vergehen nach § 17 Abs 2 iVm § 17 Abs 1 Z 4 AußHG 1984 idF BGBl 1989/257 und nach § 17 Abs 1 Z 2 lit b AußHG 1984 idF BGBl 1992/469 und BGBl 1993/408 sowie der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB zu erkennen sein wird.

Wenn die Beschwerde darüber hinaus ausführt, daß das Schöffengericht zwar feststellte, daß der Angeklagte alle Einfuhrbewilligungen erschlich, weil er bereits bei der Stellung der Anträge auf Importgenehmigung wußte, daß der tatsächlich zu bezahlende Kaufpreis wesentlich niedriger ist, als auf der pro forma-Rechnung ausgewiesen, daraus allein aber die für die nach den zuletzt genannten Bestimmungen des Außenhandelsgesetzes 1984 erforderliche kausale Verknüpfung zwischen der Vorlage unrichtiger Beweismittel und der der Einfuhrbewilligung zugrunde gelegten Erteilung von Sichtvermerken durch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft noch nicht abgeleitet werden könne, zumal nicht auszuschließen sei, daß auch bei Offenlegung des tatsächlichen (niedrigeren) Warenpreises Sichtvermerke ausgestellt und der Import des Käses bewilligt worden wäre, ist ihr zu entgegnen, daß die nach dem Außenhandelsgesetz 1984 (in jeder Fassung) erforderlichen behördlichen, von den Tatrichtern festgestellten Bewilligungen der Einfuhr von dem Wert nach konkret determinierten Waren fallbezogen durch Vorlage falscher (überhöhter) Rechnungen, somit durch Täuschung herbeigeführt und somit erschlichen wurden, wodurch - tatbildlich im Sinne der §§ 17 Abs 2 iVm 17 Abs 1 Z 4 AußHG 1984 idF BGBl 1989/257 und § 17 Abs 1 Z 2 lit b AußHG 1984 idF BGBl 1984/469 und BGBl 1993/408 - gegen den Regelungszweck des Außenhandelsgesetzes, das unter anderem durch Marktstörungen verursachte wirtschaftliche Schäden im Wege diesbezüglicher Preisbeobachtung verhüten soll (§ 7 Abs 3 AußHG 1984 in den zuletzt angeführten Fassungen) verstoßen wurde; die von der Beschwerde relevierte Frage, ob auch bei Offenlegung des tatsächlichen Warenpreises Sichtvermerke ausgestellt und der Import des Käses bewilligt worden wäre, kann somit, weil außerhalb des Tatbestandes liegende Kriterien betreffend, auf sich beruhen. Damit bleibt aber auch für eine von der Beschwerde relevierte allfällige Annahme des durch Verstoß gegen die Auflagen des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, den vidierten Einfuhrpreis jeweils nicht zu unterschreiten, bewirkten, zur (hier aktuellen) Erschleichung der erforderlichen Bewilligung alternativen Tatbildes nach §§ 17 Abs 1 Z 2 AußHG 1984 idF BGBl 1989/257, 17 Abs 1 Z 2 lit d AußHG 1984 idF BGBl 1992/469 und BGBl 1993/408, kein Raum.

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