OGH 12Os17/16s

OGH12Os17/16s3.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kühlmayer als Schriftführer in der Strafsache gegen Okechukwu N***** und einen weiteren Angeklagten wegen Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Jänner 2016, GZ 46 Hv 65/15m‑81, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, sowie des Verteidigers des Verurteilten Okechukwu N***** Mag. Gerersdorfer zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00017.16S.0303.000

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Jänner 2016, GZ 46 Hv 65/15m‑81, verletzt in der rechtlichen Unterstellung der zu Schuldspruch B./ inkriminierten Tat unter § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG das Gesetz in dieser Bestimmung.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch B./ und demzufolge ‑ jeweils betreffend OkechukwuN*****auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) ebenso wie der gemeinsam mit dem Urteil gefasste Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Gründe:

Mit dem sogleich in Rechtskraft erwachsenen (ON 80 S 17) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Jänner 2016, GZ 46 Hv 65/15m‑81, das auch eine rechtskräftige Verurteilung des Mitangeklagten Sunday A***** enthält, wurde OkechukwuN*****der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (A./I./1./a./) sowie nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (A./II./1./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 15 Abs 1, 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall SMG (B./) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 1 SMG zu einer 30‑monatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit gleichzeitig gefasstem Beschluss wurde die dem Angeklagten OkechukwuN*****mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 4. März 2015 zu AZ 24 BE 60/15x gewährte bedingte Entlassung (Strafrest drei Monate [ON 65 S 26]) gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO widerrufen (US 7). Gemäß § 20 Abs 1 und 3 StGB wurde beim Genannten ein Betrag von 600 Euro für verfallen erklärt (US 6, 21).

Soweit hier von Bedeutung hat OkechukwuN*****inhaltlich des Schuldspruchs B./ im Juni 2015 in W***** einen bislang unbekannten Täter dazu zu bestimmen versucht, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge aus der Republik Italien aus- und in die Republik Österreich einzuführen, indem er diesen aufforderte, ein Kilogramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 4 % THCA von Italien nach Österreich zu schmuggeln.

Nach den bezughabenden Feststellungen wollte sich OkechukwuN*****Suchtgift ‑ auch für den Weiterverkauf ‑ aus dem Ausland beschaffen und versuchte zu diesem Zweck im Juni 2015 einen unbekannten Täter dazu zu bestimmen, zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt „Suchtgift in einer die Grenzmenge im Zweifel nicht übersteigenden Menge, nämlich ein Kilogramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 4 % THCA“ für ihn von Italien nach Österreich zu schmuggeln (US 12). Hinsichtlich des Wirkstoffgehalts stützte das Schöffengericht die Konstatierungen auf die Gerichtserfahrung, wonach Cannabiskraut im unteren Durchschnitt zumindest 4 % Reinsubstanz des Wirkstoffs THCA enthält (US 16).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt, steht der Schuldspruch B./ mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Ein Schuldspruch nach einer der Tatbestandsvarianten des § 28a SMG setzt voraus, dass der Täter zumindest eine der in § 28a Abs 1 SMG beschriebenen Handlungen in Bezug auf eine Suchtgiftquantität setzt, welche die sogenannte Grenzmenge übersteigt. Als deren Bezugspunkt definiert das Gesetz die Reinsubstanz des jeweiligen Wirkstoffs (§ 28b SMG), aus welchem Grund ein Schuldspruch nach § 28a SMG Feststellungen genau dazu erfordert (RIS‑Justiz RS0111350; Litzka/Matzka/Zeder, SMG2 § 28b Rz 10).

Nach der ‑ für das Vorliegen einer die Grenzmenge übersteigenden Menge (§ 28b SMG) Suchtgift entscheidenden ‑ Feststellung eines Reinheitsgehalts von 4 % THCA (insoweit abweichend von der Anklageschrift, die von 0,4 % Delta‑9‑THC und 4,6 % THCA ausgegangen war [ON 51 S 3, 7]) erweist sich die Subsumtion bei bloßem Erreichen der Grenzmenge eines der Inhaltsstoffe bei Cannabis (vgl Suchtgift-Grenzmengenverordnung Anhang 4. Suchtgifte gemäß Anhang V der Suchtgiftverordnung ‑ THCA 40 Gramm) als irrig, wie auch das Schöffengericht anlässlich der Ausfertigung des Urteils anmerkte (US 19). Feststellungen zu Delta‑9‑THC fehlen im Urteil zur Gänze, obwohl Cannabis neben der Substanz THCA jedenfalls auch THC enthält (vgl RIS‑Justiz RS0087895 [T4]).

Da sich diese Rechtsfehler mangels Feststellungen zum Nachteil des Angeklagten OkechukwuN*****ausgewirkt haben, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzung mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO) und das Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in seinem Schuldspruch B./ zur Gänze ‑ weil Konstatierungen zur Reinsubstanz des Wirkstoffs THC vom Obersten Gerichtshof nicht nachgeholt werden können und Urteilsannahmen, die einen Schuldspruch nach § 27 Abs 1 SMG zu tragen vermögen, nicht bestehen bleiben können (RIS‑Justiz RS0115884) ‑ sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf der bedingten Entlassung jeweils betreffend den genannten Angeklagten aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen.

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