OGH 12Os169/81

OGH12Os169/8129.10.1981

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Oktober 1981

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Breycha, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller, Dr. Kral, Dr. Steininger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Oberhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z 2) StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 1981, AZ 13 e Bl 408/81, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Helmut A wegen § 89 (81 Z 2) StGB, AZ U 594/79 des Bezirksgerichtes Schwechat, verletzt das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 1981, AZ 13 e Bl 408/81, das Gesetz in den Bestimmungen des § 473 Abs 2 StPO und der §§ 89 und 90 Abs 1 StGB.

Diese Gesetzesverletzung wird festgestellt.

Text

Gründe:

Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 28. September 1979, GZ U 594/79-13, wurde der am 15. Oktober 1959 geborene Kraftfahrer Helmut A des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (81 Z 2) StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er am 13. April 1979 in Wienerherberg als Lenker eines PKW eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit des in seinem PKW mitfahrenden Herbert B dadurch herbeiführte, daß er infolge Alkoholbeeinträchtigung und Einhaltens einer für die gegebenen Sichtverhältnisse überhöhten Geschwindigkeit über den rechten Fahrbahnrand geriet und in weiterer Folge gegen einen Baum stieß.

Der vom Angeklagten gegen diesen Schuldspruch erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien als Berufungsgericht mit dem Urteil vom 29. Mai 1981, AZ 13 e Bl 408/81, Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und der Angeklagte gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Ausgehend von der Aussage des im erstinstanzlichen Verfahren als Zeugen vernommenen Herbert B, wonach er beim Zusteigen in den PKW wußte, daß der Angeklagte getrunken, möglicherweise einen Blutalkoholgehalt von mehr als 0,8 %o hatte, und demzufolge die Gefährlichkeit der Fahrt zwar erkannt, jedoch gehofft habe, es würde nichts geschehen, wobei er mit einer Verletzung nicht einverstanden gewesen sei (vgl S 40 d.A), kam das Berufungsgericht mit Beziehung auf die in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 27. März 1980, 12 Os 1/80 = ÖJZ-LSK 1980/

103, zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht zur Überzeugung, daß im Einsteigen des Herbert B in den PKW des Angeklagten eine schlüssig ausgedrückte Einwilligung in den durch den alkoholbeeinträchtigten Zustand des Fahrzeuglenkers bewirkten erhöhten Gefahrenzustand gelegen sei, welche die in der Folge eingetretene Gefährdung seiner körperlichen Sicherheit nicht rechtswidrig erscheinen lasse. Überdies wird in der Berufungsentscheidung darauf verwiesen, daß Feststellungen über die Vorhersehbarkeit einer Tätigkeit durch den Angeklagten (im Zeitpunkt der Alkoholaufnahme), deren Vornahme im Zustand der Alkoholisierung eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit anderer herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet gewesen sei, im Ersturteil fehlen. Dieses Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Berufungsgericht steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

1.) Die Frage, welche von mehreren als möglich in Betracht kommenden Bedeutungen einer bestimmten Äußerung oder einem bestimmten Verhalten zukommt, ist eine solche tatsächlicher Natur. Demnach fällt die Feststellung, daß die Mitfahrt mit einem alkoholisierten Fahrzeuglenker nach dem objektiven Erklärungssinn (vgl Zipf in ÖJZ 1977, 381 f) als - eindeutige - konkludente (von Willensmängeln freie) Einwilligung des - einwilligungsfähigen - Mitfahrenden in eine daraus entstehende Gefährdung seiner körperlichen Sicherheit zu beurteilen ist, wenn dieser von einer solchen Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit weiß, primär in den Bereich der Tatfrage (vgl 12 Os 1/80). Da aber gemäß § 473 Abs 2 StPO das Berufungsgericht grundsätzlich an den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt gebunden ist und bei Bedenken gegen die Konstatierungen des Bezirksgerichtes und dessen Beweiswürdigung, den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit gemäß, das Beweisverfahren zu wiederholen hat, ist es nicht berechtigt, ohne Beweiswiederholung von den tatsachenmäßigen Grundlagen des Ersturteils abzugehen und fehlende Feststellungen unter Heranziehung erstinstanzlicher Verfahrensergebnisse zu ergänzen (vgl SSt 49/61 = ÖJZ-LSK 1979/62). Das Berufungsgericht hätte daher die vom Erstgericht - das ausdrücklich auf das mögliche Fehlen einer entsprechenden Entscheidungsfähigkeit des gleichfalls alkoholisiert gewesenen Zeugen B hinwies - jedenfalls nicht eindeutig getroffene (vgl S 49 d. A) Feststellung, Herbert B habe durch sein Zusteigen in das Auto des Angeklagten in eine Gefährdung seiner körperlichen Sicherheit schlüssig und rechtswirksam eingewilligt, nur auf Grund einer neuerlichen Vernehmung dieses Zeugen (oder allenfalls einverständlicher Verlesung seiner erstinstanzlichen Zeugenaussage) treffen dürfen. Mangels einer solchen Beweisaufnahme verstäßt das Urteil des Berufungsgerichtes sohin zunächst gegen die Bestimmung des § 473 Abs 2 StPO.

2.) Richtig ist zwar, daß an sich eine schlüssig ausgedrückte Einwilligung in eine bloße Gefährdung diese (und nicht auch einen daraus tatsächlich eingetretenen Verletzungserfolg) straffrei machen kann (vgl abermals ÖJZ-LSK 1980/103). Von einer konkludenten Einwilligung kann indes nur dann gesprochen werden, wenn sich ein relevanter Rechtsgutverzicht aus ganz konkreten Umständen ergibt, die den Rückschluß auf eine solche weitreichende Erklärung plausibel machen. Für deren Annahme ist demnach die bloße Tatsache der Mitfahrt im Fahrzeug eines Betrunkenen nicht ausreichend. In der Regel bringt der Mitfahrende hiedurch nur zum Ausdruck, daß er gewillt ist, freiwillig ein gewisses Risiko auf sich zu nehmen, nicht aber auch eine - theoretisch an sich denkbare - konkludente Einwilligung in einen aus einer bestimmten Gefahrensituation sich ergebenden Gefährdungs-(oder gar Verletzungs-) erfolg. Wollte man ein solches Verhalten generell als Einverständnis in eine möglicherweise eintretende konkrete Gefährdung anderer in Form eines (wenn auch nicht mit Verletzungsfolgen verbundenen) Verkehrsunfalles deuten, so käme dies in Wahrheit einer - unzulässigen - Einwilligungsfiktion gleich (vgl Zipf aaO; Kienapfel, BT I, RN 157, 423, 473 und 483). Umstände, die nach der konkreten Fallgestaltung eine solche Auslegung des Verhaltens des gefährdeten Fahrzeuginsassen im Sinne eines Rechtsgutverzichtes ermöglichen, wurden bezüglich des (infolge seiner Alkoholisierung zudem in seiner Einwilligungsfähigkeit zumindest beeinträchtigt gewesenen) Zeugen Herbert B nicht festgestellt.

So gesehen erweist sich der Ausspruch des Gerichtes über das Vorliegen einer das Tatverhalten des Angeklagten rechtfertigenden Einwilligung des Herbert B in eine Gefährdung seiner körperlichen Sicherheit auch mit Feststellungsmängeln behaftet (§ 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO).

Diese Gesetzesverletzungen waren in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen begründeten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wie im Spruch festzustellen.

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