OGH 12Os162/11g

OGH12Os162/11g31.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Jänner 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Brandstetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Manfred U***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 24. August 2011, GZ 12 Hv 56/10m-95, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 4 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem auch einen Freispruch enthaltenden angefochtenen Urteil wurde Manfred U***** im zweiten Rechtsgang (vgl zum ersten 12 Os 200/10v) des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I./), der Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB, teilweise iVm § 15 Abs 1 StGB (II./), und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er in S*****

I./ zwischen Anfang Februar und 10. Februar 2010 Helmut G***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihm Faustschläge ins Gesicht versetzte, ihn an den Oberarmen erfasste und sodann an ihm einen Analverkehr durchführte;

II./ zu nachstehenden Zeiten nachgenannte Personen durch gefährliche Drohung mit dem Tod und teils mit einer Brandstiftung (Schuldspruch II./2./) zu nachgenannten Unterlassungen teils genötigt, teils zu nötigen versucht, und zwar

1./ Helmut G***** im Anschluss an die zu I./ genannte Tathandlung durch die ihm gegenüber getätigte sinngemäße Äußerung, er solle ja nicht zur Polizei gehen, da er sonst ihn, seine Oma (gemeint: Maria U*****) und „Z*****“ (gemeint: Markus Z*****) umbringen werde, weil er ohnehin nichts mehr vom Leben zu erwarten hätte, zur Abstandnahme von einer Anzeigenerstattung bei der Polizei wegen der zu I./ genannten Tat, wobei es beim Versuch blieb;

2./ am 10. Februar 2010 Maria U***** durch die ihr gegenüber getätigte sinngemäße Äußerung, dass er sie alle umbringen würde, wenn sie das tut (gemeint: eine Anzeigenerstattung), weil er nämlich nie wieder in den Häf'n gehen werde, und außerdem werde er alle ihre Häuser anzünden, wenn diese ihn enterben sollte, zur Abstandnahme von einer Anzeigenerstattung bei der Polizei wegen seinen Tätlichkeiten gegenüber Helmut G***** (vgl Schuldspruch III./) sowie von einer Enterbung des Manfred U*****;

III./ am 10. Februar 2010 Helmut G***** vor der zu Schuldspruch II./2./ genannten Äußerung durch Schläge ins Gesicht, die zwei Hämatome im Augenbereich zur Folge hatten, vorsätzlich am Körper verletzt.

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 4, 5 und 9 lit a, der Sache nach auch Z 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines „psychiatrischen Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Frage der Wahrnehmungsfähigkeit, Erinnerungsfähigkeit und insbesondere der Fähigkeit von real Erlebtem und nicht Erlebtem sowie der Glaubwürdigkeit des Zeugen Helmut G***** auf Basis dessen widersprüchlichen Angaben im gegenständlichen Verfahren sowie auf Basis von beizuschaffenden Krankengeschichten“ des Genannten bezüglich der Behandlung seiner Alkoholkrankheit (ON 78 S 40 f).

Der Antrag wurde ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten abgelehnt (ON 78 S 41 f):

Ein Gutachten wie das beantragte ist nur dann notwendig, wenn das Gericht die ihm allein zukommende Aufgabe, die Glaubwürdigkeit einer Beweisperson aufgrund des gewonnenen persönlichen Eindrucks zu überprüfen, nicht ohne fremde Expertise erfüllen kann. Dies ist etwa bei abwegiger Veranlagung in psychischer oder charakterlicher Hinsicht, bei in der Hauptverhandlung zu Tage getretenen Entwicklungsstörungen oder bei Hinweisen auf eine Beeinflussung des Aussageverhaltens von unmündigen oder psychisch kranken Personen der Fall (RIS-Justiz RS0097733). Derartige außergewöhnliche Umstände vermochte der Antrag nicht aufzuzeigen.

Überdies gingen die Tatrichter ausdrücklich davon aus, es gebe keine objektiven Anhaltspunkte für das Vorliegen von Einschränkungen der im Antrag genannten Fähigkeiten des Zeugen (ON 78 S 42; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 346).

Soweit die Mängelrüge überhaupt am Gebot deutlicher und bestimmter Bezeichnung angeblich Nichtigkeit bewirkender Umstände (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO) orientiert ist, zeigt sie keine Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall) in Ansehung der vom Schöffengericht gar wohl bedachten zeitlichen Zuordnung der Taten durch den Zeugen G***** auf (vgl US 17; RIS-Justiz RS0118316). Was an den Erwägungen offenbar unzureichend sein soll (Z 5 vierter Fall; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444), lässt die Beschwerde offen.

Eine weiters ins Treffen geführte Unrichtigkeit von Angaben des Helmut G***** bei der Grenzpolizeiinspektion Flughafen Graz (ON 44) wurde von den Tatrichtern durchaus ins Kalkül gezogen (US 18). Auch insoweit kann von Unvollständigkeit der Beweiswürdigung (Z 5 zweiter Fall) keine Rede sein. Ob dem Beschwerdeführer die vom Erstgericht gezogenen Schlüsse überzeugend genug erscheinen, betrifft keine Kategorie des Nichtigkeitsgrundes nach Z 5 (RIS-Justiz RS0116732 [T6]).

Der im Urteil zur Persönlichkeit des Angeklagten gezogene Vergleich des Gutachtens des Sachverständigen Dr. Walter W***** mit dem vom erkennenden Gericht gewonnenen persönlichen Eindruck (US 16) ist unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.

Gleiches gilt für die Ableitung der Feststellungen zur inneren Tatseite aus dem äußeren Geschehen (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671; US 25 f).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht nicht klar, welche Feststellungen zur inneren Tatseite hinsichtlich der Schuldsprüche II./1./ und II./2./ über die ohnedies getroffenen (US 11 f) hinaus noch erforderlich sein sollen (§§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO).

Soweit sich die - formal unter dem Grund der Z 5 ausgeführte - Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter und vierter Fall) gegen die Feststellung einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades wendet (vgl Ratz in WK2 Vor §§ 21-25 Rz 9), zeigt sie mit dem Vorbringen, dass aus einem - vom Erstgericht durchaus beachteten - früheren Gutachten auch andere Schlüsse gezogen werden konnten, keine Nichtigkeit auf (RIS-Justiz RS0098400).

Die - nominell aus Z 5 - gleichfalls auf jenes Gutachten bezogene Kritik an der Ermessensentscheidung zur Gefährlichkeitsprognose (US 8) stellt der Sache nach ein Berufungsvorbringen dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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