OGH 12Os156/93

OGH12Os156/933.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Mag.Strieder und Dr.Adamovic als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kramer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Herbert F***** wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 12. Mai 1993, GZ 11 Vr 509/92-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, des Angeklagten F***** und des Verteidigers Mag.Papesch, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, einerseits im Ausspruch, der Angeklagte habe (laut Punkt 1. des Schuldspruchs) hinsichtlich Dana P*****, Maria J***** und Ludmila M***** "gewerbsmäßig" gehandelt, andererseits in der rechtlichen Beurteilung dieser Tat als Verbrechen des Menschenhandels (auch) nach dem zweiten (Gewerbsmäßigkeit erfordernden) Fall des § 217 Abs. 1 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 14.Juni 1963 geborene Kaufmann Herbert F***** (1.) des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 zweiter Fall StGB und (2.) des Vergehens der Förderung gewerbsmäßiger Unzucht nach § 215 StGB schuldig erkannt.

Demnach hat er in der Zeit vom 11.November bis 1.Dezember 1992 in Steyr dadurch, daß er das von ihm eröffnete Cafe "G*****-" (laut S 149, 151, 169 ff richtig: "C***** ") durch Einrichtung von Separees als getarntes Bordell führte, die nachgenannten Personen zwar als Animiermädchen anstellte, aber zur Ausübung der Prostitution ermunterte und zu diesem Zweck die Entlohnungsgrundsätze für die Ausübung der Prostitution festlegte,

1. die tschechischen (nach der Aktenlage S 41, 81, 83 und 249: CSFR) Staatsangehörigen Dana P*****, Maria J***** und Ludmila M***** gewerbsmäßig der Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zugeführt oder hiefür angeworben;

2. Silvia G***** der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer auf die Gründe der Z 5, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt.

Fehl geht die Mängelrüge (Z 5), die unter Zugrundelegung der vom Schöffengericht ausdrücklich als unglaubwürdig abgelehnten (US 8 ff) Verantwortung des Angeklagten formelle Begründungsmängel in Ansehung einzelner Urteilsfeststellungen (Punkte I.1. a-h der Beschwerdeschrift) geltend macht. Solcherart wird aber der nur eine formale Vergleichung gestattende Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht.

Das Beschwerdevorbringen (I.1. b), demzufolge der Nichtigkeitswerber die in den Nischen des Lokals vorhandenen Liegen (zur Ermöglichung der Prostitution) nicht selbst angeschafft, sondern nur tapeziert habe, berührt keinen für die rechtliche Beurteilung der Urteilstaten entscheidenden Umstand.

Die weiteren Beschwerdeausführungen (I.1. a und c-h) hinwieder erschöpfen sich der Sache nach im unzulässigen Versuch, die zum Nachteil des Rechtsmittelwerbers ausgefallene Beweiswürdigung des Schöffensenats in Zweifel zu ziehen und die tatrichterlichen Urteilsannahmen durch eigene (günstigere) zu ersetzen. Der Beschwerde zuwider hat das Erstgericht die auf die Gesamtheit der maßgeblichen Verfahrensergebnisse (so insbesonders der Aussagen der vernommenen Zeugen Gabriele P*****: S 77 ff, ON 16, S 285 ff; Silvia G*****: S 73 ff, ON 18, S 294 ff; Peter H*****: S 300 ff und Karl H*****: S 304 ff jeweils in Verbindung mit S 15-16; der Polizeianzeige ON 2, des Aktenvermerks über die veranstaltungspolizeiliche Kommissionierung: S 25 sowie der Lichtbilder: vor allem S 157) gegründeten (gerügten) Konstatierungen zur subjektiven Tatseite in bezug auf den Grundtatbestand des Verbrechens nach § 217 Abs. 1 StGB und auf das Vergehen nach § 215 StGB zureichend (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO), aktengetreu sowie im Einklang sowohl mit den Denkgesetzen als auch mit der forensischen Erfahrung begründet (US 8-13).

Der behauptete Nichtigkeitsgrund haftet dem bekämpften Urteil daher nicht an.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Vergleicht sie doch nicht - wie dies für eine erfolgreiche Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes unabdingbare Voraussetzung ist - den gesamten wesentlichen Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz, sondern legt ihren rechtlichen Überlegungen erneut bloß die vom Erstgericht als unglaubwürdig beurteilte Verantwortung des Angeklagten zugrunde. Dies gilt namentlich für die Beschwerdebehauptung, es mangle deshalb an der essentiellen Tatbestandsvoraussetzung des "Zuführens", weil der Angeklagte die aus der ehemaligen Tschechoslowakei stammenden drei Frauen lediglich als Animierdamen bzw. Tänzerinnen angestellt und ihnen stillschweigend die Ausübung der Prostitution in seinem Lokal freigestellt habe; denn dabei bleiben alle jene tragenden Konstatierungen (US 4 ff) über das aktive Verhalten des Beschwerdeführers unerwähnt, die eine derart massive Einwirkung auf die Schutzobjekte darstellen, daß sie in ihrer Gesamtheit dem gesetzlichen Begriff des "Zuführens" im Sinne der geltenden Judikatur und Literatur entsprechen. Demnach hatte er - um nur die wichtigsten Punkte herauszugreifen - per Zeitungsinserat auch Ausländerinnen gesucht, um Animierdamen und Prostituierte zu rekrutieren, die in Rede stehenden Frauen tschechoslowakischer Herkunft als Animierdamen und Prostituierte im Ausland angeworben, ihre Einreise nach Österreich veranlaßt und - nach der schriftlichen Bestätigung einer (Schein-)Belehrung, wonach ihnen die Ausübung der Prostitution im Lokal verboten sei - dazu gebracht, in seinem Lokal tatsächlich der gewerbsmäßigen Unzucht nachzugehen, wobei ihnen der Angeklagte bzw. in seinem Auftrag die Prostituierte P***** die für die Benützung der Separees zu verlangenden Entgelte und die davon an ihn abzuliefernden Beträge vorschrieb.

Von diesen Prämissen ausgehend, hat das Erstgericht aber das konstatierte zielgerichtete Verhalten des Nichtigkeitswerbers durchaus rechtsrichtig als "Zuführen" im Sinne des § 217 Abs. 1 StGB qualifiziert. Ob auch die (rechtlich gleichwertige) Begehungsform dieses Verbrechens durch "Anwerben" erfüllt ist, kann fallbezogen als nicht entscheidungswesentlich dahingestellt bleiben (vgl. 12 Os 165/91, Pallin im WK § 217 RN 6; Leukauf-Steininger Komm.3 § 217 RN 5 und 6).

Keine Berechtigung kommt auch der Rechtsrüge (Z 9 lit. a) zum Schuldspruch des Angeklagten wegen § 215 StGB zu. Der in diesem Tatbestand gleichfalls normierte Begriff des "Zuführens" eines Opfers, das noch nicht der Prostitution nachgeht, zur gewerbsmäßigen Unzucht im Inland, dessen Staatsbürger es ist oder in dem es seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat, erfordert eine gezielte (aktive) Einflußnahme auf das Schutzobjekt in die Richtung einer Umwandlung der gesamten Lebensführung in jene einer Prostituierten (ÖJZ-LSK 1977/247 = EvBl. 1977/198 = SSt. 48/15; Pallin aaO § 215 Rz 3 und 4; Leukauf-Steininger aaO § 215 RN 4 und 8).

Soweit der Beschwerdeführer eine solche massive Einwirkung auf Silvia G***** bestreitet, übergeht er die anderslautenden Feststellungen des Erstgerichtes und läßt erneut eine prozeßordnungsgemäße Ausführung des materiellen Nichtigkeitsgrundes vermissen. Nach den Urteilsannahmen stellte der Angeklagte Silvia G*****, die sich bis dahin nicht prostituiert hatte, zwar (formell) als Tänzerin in seinen Dienst, obwohl sie hiefür nicht ausgebildet war. Er deutete aber auch ihr unmißverständlich an, daß sie - ungeachtet der schriftlichen Erklärung S 175 - der Prostitution nachzugehen habe, förderte diese im Eigeninteresse und stellte ihr hiefür zum fixierten Preis gegen einen entsprechenden Anteil ein Separee zur Verfügung. Auf Grund dieser zielgerichteten Einflußnahme übte sodann auch sie die Prostitution in seinem Lokal aus (US 5, 7, 11 und 13). Somit bewirkten die beschriebenen Tathandlungen des Beschwerdeführers bei G***** eine Umwandlung ihrer gesamten Lebensführung in jene einer Prostituierten im Sinne des § 215 StGB.

Im bisher erörterten Umfang war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Berechtigt ist hingegen die Subsumtionsrüge (Z 10), mit welcher sich die Beschwerde gegen die Annahme der gewerbsmäßigen Begehung des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB wendet. Denn nach der Legaldefinition des § 70 StGB begeht eine strafbare Handlung gewerbsmäßig (nur), wer sie in der Absicht vornimmt, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Daraus folgt, daß die Annahme der gewerbsmäßigen Begehung des Verbrechens nach § 217 Abs. 1 StGB - und damit die Anwendbarkeit des dafür vorgesehenen höheren Strafsatzes - tragfähige Urteilskonstatierungen zur Absicht des Täters dahin erfordert, daß er sich durch die wiederkehrende Begehung dieser strafbaren Handlung, nämlich durch wiederholte Zuführung von Personen zur gewerbsmäßigen Unzucht in einen für sie fremden Staat oder durch Anwerbung hiefür, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen trachtet.

In rechtsirrtümlicher Verkennung dieser essentiellen Tatbestandskriterien hat das Erstgericht indes (bloß) festgestellt, daß der Angeklagte die tschechoslowakischen Staatsangehörigen Dana P*****, Maria J***** und Ludmila M***** im Ausland angeworben und zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht nach Österreich verbracht hat, wobei - nach den ausdrücklichen Urteilsannahmen (US 13) - seine Absicht (nur) darauf gerichtet war, sich aus der Prostitution dieser Personen ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen. Diese Konstatierung reicht jedoch für die Erfüllung der Qualifikation der gewerbsmäßigen Begehung des Verbrechens nach § 217 Abs. 1 zweiter Fall StGB nicht aus.

Demzufolge war - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hat, in dem im Spruch bezeichneten Umfang aufzuheben und insoweit eine partielle Verfahrenserneuerung anzuordnen.

Mit seiner hiedurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf die (auch den Strafausspruch erfassende) kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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