OGH 12Os156/17h

OGH12Os156/17h15.3.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. März 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Enis P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Enis P***** und Adem B***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 21. September 2017, GZ 42 Hv 96/17m‑297, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00156.17H.0315.000

 

Spruch:

Die beiden Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufung des Angeklagten Adem B***** werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Enis P***** sowie der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Enis P***** und Adem B***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch Schuldsprüche weiterer Mitangeklagter enthält, wurden Enis P***** und Adem B***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 StGB (I./A./), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (I./B./) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 zweiter Fall StGB (I./C./), Enis P***** zudem des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (VI./) schuldig erkannt.

Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung, haben

I./A./ Enis P*****, Selman M***** und Adem B***** am 20. November 2016 in B***** in einverständlichem Zusammenwirken mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB) Savas C***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz fremde bewegliche Sachen, nämlich dessen Umhängetasche samt 1.470 Euro Bargeld sowie ein Mobiltelefon, unter Verwendung einer Waffe weggenommen, indem Enis P***** und Selman M***** dem Genannten jeweils mit einem Messer mit einer Klingenlänge von 10 bis 12 Zentimeter eine Stichwunde im linken und rechten Oberschenkel zufügten und ihn mit dem Umbringen bedrohten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die jeweils auf Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Enis P***** und Adem B*****. Sie schlagen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Enis P*****:

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider mussten sich die Tatrichter mit Depositionen des Zeugen Erhan K*****, denen zufolge Savas C***** kein Bargeld mit sich geführt habe, schon deshalb nicht auseinandersetzen, weil die Angeklagten nach den weiteren – unbekämpft gebliebenen – Konstatierungen auch noch ein Mobiltelefon erbeuteten (US 12). Das relevierte Verfahrensergebnis bezieht sich daher auf keinen erheblichen Umstand.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) weckt mit eigenständig beweiswürdigenden Ausführungen dazu, dass die Angeklagten nicht versucht hätten, ihre Identität zu verschleiern und es nicht lebensnahe sei, dass das Raubopfer einen derartig hohen Bargeldbetrag zum Ausgehen und Feiern bei sich geführt habe, keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen den Ausspruch über entscheidende Tatsachen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Adem B*****:

Inwiefern Angaben der Zeugin Döndü I***** zum Alkohol- und Kokainkonsum des Savas C***** im Allgemeinen (ON 296 AS 54) sowie dazu, dass ihr dieser in der Tatnacht eine Textnachricht mit dem Inhalt, dass er „zugedröhnt“ sei, geschickt habe (vgl ON 50 S 523 iVm ON 296 AS 51), die dem Opfer vom Schöffensenat attestierte Glaubwürdigkeit in Frage stellen soll, macht die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) nicht deutlich.

Der Umstand, von wem Savas C***** das von ihm mitgeführte Bargeld erhalten hatte, ist für die Lösung der Schuldfrage nicht entscheidend. Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang – nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) – „unzureichende Erhebungen“ des Erstgerichts moniert, gibt er im Übrigen nicht bekannt, wodurch er an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war (vgl RIS-Justiz RS0115823).

In objektiver Hinsicht gingen die Tatrichter davon aus, dass sich der vorliegende Raub während einer Autobahnfahrt auf dem Rücksitz des von Adem B***** gelenkten Pkw ereignete (US 11 f). Dem weiteren Beschwerdeeinwand (Z 5 vierter Fall) zuwider hat das Schöffengericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite dieses Angeklagten und dessen Wissen um den Tatplan zureichend auf das objektive Geschehen sowie darauf gestützt, dass während der Fahrt nicht viel geredet wurde (US 21). Die Aussage des Zeugen Savas C*****, dass er im Auto mit Enis P***** türkisch gesprochen habe (ON 296 S 20; Z 5 zweiter Fall), mussten die Tatrichter – dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe entsprechend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) – nicht erörtern.

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) die Glaubwürdigkeit des Savas C***** mit dem Hinweis auf Verfahrensergebnisse zum Suchtgift- und Alkoholkonsum dieses Zeugen, seine Verurteilung wegen Suchtgifthandels sowie seine Arbeits- und Obdachlosigkeit in Zweifel zu ziehen sucht und weiters kritisiert, dass die näheren Umstände zur Herkunft des vom Opfer mitgeführten Bargeldbetrags nicht objektiviert werden konnten und dessen Alkohol- bzw Drogenbeeinträchtigung im Tatzeitpunkt offen geblieben sei, bekämpft das Rechtsmittel bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Adem B***** hat gegen das angefochtene Urteil– neben der Nichtigkeitsbeschwerde – auch „Berufung“ angemeldet (ON 296 AS 88, ON 315), dieses Rechtsmittel aber nicht ausgeführt. Damit hat er nicht erklärt, ob sich sein Rechtsschutzbegehren auf den Ausspruch über die Strafe, das Konfiskations- oder das Adhäsionserkenntnis (vgl US 7 f) bezieht. Da die Berufung somit keinen der in Betracht kommenden Berufungspunkte deutlich und bestimmt bezeichnet hat (§ 294 Abs 4 StPO; RIS-Justiz RS0100395; Fabrizy, StPO13 § 294 Rz 2a), war sie gemäß §§ 296 Abs 2, 294 Abs 4 StPO ebenfalls bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0100042).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die verbleibenden Berufungen (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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