European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00147.15G.0128.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten Raphael S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Schuldsprüche weiterer Angeklagter enthaltenden Urteil wurde Raphael S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 12 dritter Fall, 15 Abs 1, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 41 Abs 1 Z 3 StGB zu einer gemäß § 43a Abs 4 StGB zum Teil bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Raphael S***** „zu nachgenannten Zeiten in T***** als Beteiligter (§ 12 StGB) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe der Astrid Sc***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in Höhe von 17.168,19 Euro, mit dem Vorsatz abgenötigt bzw abzunötigen versucht, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und zwar unmittelbar vor dem 14. November 2011 als Beitragstäter, indem er nach vorangegangener Absprache Patrick G***** mit dem Fluchtfahrzeug zum und vom Tatort chauffierte, wobei es mangels Tatausführung des unmittelbaren Täters Patrick G***** beim Versuch blieb“.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Raphael S***** mit einer auf § 281 Abs 1 Z 3, 9 lit a und 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Der Beschwerdekritik (Z 3) zuwider ist die Tat unbeschadet der unterbliebenen Festlegung auf ein bestimmtes Datum ausreichend individualisiert. Grundsätzlich sind zwar Zeit und Ort der Tat als Grundelemente der Individualisierung anzusehen; fehlende, ungenaue oder gar unzutreffende Angaben über diese Umstände begründen aber ‑ es sei denn, sie wären ausnahmsweise rechtlich entscheidend (zB als Tatbestandsmerkmal) ‑ keine Nichtigkeit, wenn die Tat sonst hinlänglich individualisiert ist (RIS‑Justiz RS0098557; Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 14). Gerade das ist aber im vorliegenden Fall angesichts des auf wenige Tage eingegrenzten Zeitraums (7. bis 11. November 2011; vgl US 10), in dem die Tat unter Beteiligung des Nichtigkeitswerbers in Angriff genommen wurde, der Individualisierung des Tatorts, der in Aussicht genommenen Person des Tatopfers und der Person des unmittelbaren Täters der Fall.
Entgegen dem Beschwerdestandpunkt lässt das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 bis 3 StPO) auch keineswegs auf eine mehrfache Tatbegehung des Angeklagten Raphael S***** schließen. Das hypothetische auf der gegenteiligen Prämisse aufbauende Vorbringen scheitert daher schon im Ansatz.
Auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schlägt fehl.
Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob jene Tat, an der sich Raphael S***** beteiligte, deshalb nicht vollendet wurde, weil das Raubopfer nicht am Tatort erschienen war oder weil dem unmittelbaren Täter Patrick G***** bloß der Mut zur Vollendung der Tat gefehlt hatte. In Ansehung des Angeklagten Patrick G***** ging es ‑ dem Grundsatz „in dubio pro reo“ folgend ‑ davon aus, dass dieser im Sinn des § 16 Abs 1 erster Fall StGB freiwillig vom Versuch zurückgetreten ist (US 24). Dem Angeklagten Raphael S***** kam nach Auffassung des Schöffengerichts dieser Strafaufhebungsgrund nicht zu Gute, weil er die im Fall der Beteiligung mehrerer an der strafbaren Handlung notwendigen Voraussetzungen nach § 16 Abs 1 zweiter Fall StGB nach den erstgerichtlichen Konstatierungen nicht erfüllte (Fabrizy, StGB11 § 16 Rz 9; US 25). Im Fall des Ausbleibens des erwarteten Tatopfers läge ein (bloß) relativ untauglicher Versuch vor (siehe US 24).
Dass gegenteilig das bloß zufällige Fernbleiben des in Aussicht genommenen Tatopfers zum Tatzeitpunkt absolute Untauglichkeit des Versuchs bewirken sollte, vermag der Beschwerdeführer nicht regelkonform aus dem Gesetz abzuleiten (RIS‑Justiz RS0116569). Er führt zwar zutreffend aus, dass bei Untauglichkeit des Objekts eine objektive ex‑post Betrachtung anzustellen und absolute Untauglichkeit dann anzunehmen ist, wenn die Vollendung auch bei abstrahierender und generalisierender Betrachtungsweise geradezu denkunmöglich ist (13 Os 45/86 [verst Senat] = EvBl 1987/5). Die von ihm zitierten Entscheidungen JBl 1989, 192 und SSt 58/66 haben auch die zufällige Abwesenheit des Tatobjekts zum Gegenstand. Demgegenüber stellt er jedoch nicht methodisch vertretbar dar, weshalb dieser Umstand im Widerspruch zu den zuletzt zitierten Entscheidungen absolute Versuchsuntauglichkeit begründen sollte.
Im Übrigen sind nach § 15 Abs 3 StGB der Versuch und die Beteiligung daran bloß dann nicht strafbar, wenn die Vollendung der Tat mangels persönlicher Eigenschaften oder Verhältnisse, die das Gesetz beim Handelnden voraussetzt oder nach der Art der Handlung oder des Gegenstands, an dem sie begangen wurde, unter keinen Umständen möglich war. Ein Versuch ist also nur dann absolut untauglich, wenn es unabhängig von den Besonderheiten des Einzelfalls geradezu denkunmöglich ist, dass er zur Vollendung führen könnte (Fabrizy, StGB11 § 15 Rz 20). Das ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein an sich real existierendes Raubopfer bloß zufällig zur Tatzeit am Tatort nicht anwesend war (Hager/Massauer in WK² StGB §§ 15, 16 Rz 97). Das trifft hier zu, weil die sonst regelmäßig zu einer bestimmten Uhrzeit auf dem Weg zur Bank befindliche Geldbotin der S***** GmbH am Tattag ‑ unter Zugrundelegung dieser Geschehnisvariante (vgl US 24) ‑ lediglich zufällig nicht zur gewohnten Zeit zur Bank gefahren wäre (US 7, 9).
Auch die Sanktionsrüge (Z 11 dritter Fall) ist nicht im Recht.
Der materiell‑rechtliche Nichtigkeitsgrund des dritten Falls der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO stellt darauf ab, dass in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen wurde, das Gericht also nach dem Inhalt des Urteils zu der ‑ ohne Überschreitung seiner Strafbefugnis ‑ ausgesprochenen Sanktion aus Erwägungen gelangte, die den anzuwendenden Strafbemessungs-vorschriften widersprechen (vgl RIS‑Justiz RS0099892).
Das Gericht hat die (weitere) Anwendung außerordentlicher Strafmilderung ‑ und zwar nach Abs 3 des § 41 StGB ‑ fallbezogen implizit vom Vorliegen des Milderungsgrundes des Geständnisses abhängig gemacht, indem es gänzlich bedingte Nachsicht der ‑ unter Anwendung von § 41 Abs 1 Z 3 StGB mit 30 Monaten ausgemessenen ‑ Freiheitsstrafe unter Hinweis darauf verweigerte, dass „Raphael S***** nicht geständig war“ (US 27). Da außerordentliche Strafmilderung nach § 41 StGB vom Überwiegen der Milderungsgründe abhängt, verstößt diese, auf den hier fehlenden Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 17 StGB abstellende Argumentation nicht gegen das Gesetz. Die Sanktionsrüge beschränkt sich somit der Sache nach auf ein Berufungsvorbringen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 728).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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