Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben, die Freiheitsstrafe auf 12 (zwölf) Monate herabgesetzt und diese Strafe gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 390 a StGB fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der österreichische Staatsbürger Christoph A des (zu ergänzen: teils vollendeten, teils versuchten) Verbrechens nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG aF (zu ergänzen: und § 15 StGB) schuldig erkannt. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er am 16.September 1983 vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer solchen Menge, daß daraus in größerer Ausdehung eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen entstehen kann, nämlich 278 LSD-Trips, aus den Niederlanden ausgeführt und in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und sodann in Augsburg dieses Suchtgift teilweise (4 LSD-Trips) in Verkehr gesetzt, teilweise (274 LSD-Trips) in Verkehr zu setzen versucht.
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer nominell auf die Z 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten, der Sache nach aber die Z 9 lit b, 10 und 11 der zitierten Gesetzesstelle relevierenden Nichtigkeitsbeschwerde. Aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund wendet er ein, es seien die Voraussetzungen des § 64 Abs 1 Z 4 StGB zur Ahndung der von ihm im Ausland begangenen Straftaten (auch) durch ein österreichisches Gericht nicht gegeben, weil gegen ihn bereits im Ausland ein Strafverfahren stattgefunden hat und er Österreicher ist, sodaß seine Auslieferung von vornherein nicht in Betracht kam; eine solche sei auch nie zur Diskussion gestanden, weil er ja schon im Ausland verhaftet und abgeurteilt wurde. Da durch die gegenständlichen Straftaten österreichische Interessen nicht berührt wurden, widerspreche es der ratio des § 64 Abs 1 Z 4 StGB, in Österreich noch einmal ein Strafverfahren gegen ihn abzuführen.
Rechtliche Beurteilung
Richtig ist, daß gegen den Beschwerdeführer wegen des Sachverhalts, der Gegenstand des angefochtenen Urteils ist, bereits in der Bundesrepublik Deutschland ein Strafverfahren anhängig war, in welchem der Beschwerdeführer mit Urteil des Schöffengerichts bei dem Amtsgericht Augsburg vom 29.November 1983, AZ 1 Ls 64 Js 21.464/83 (allenfalls richtig: 63 Js 21.664/83; vgl S 53, 59, 115 d.A) wegen des Verbrechens der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie des Vergehens des fortgesetzten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§§ 29 I Z 1, III Z 4; 30 I Z 4 BtmG) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt worden ist; auf Grund einer von A dagegen ergriffenen Berufung wurde die über ihn verhängte Strafe mit Entscheidung des Landgerichts Augsburg als Berufungsgericht vom 12.April 1984, AZ 10 Ns 64 Js 21.464/83, auf zwei Jahre herabgesetzt und deren Vollstreckung (auf fünf Jahre) zur Bewährung ausgesetzt (vgl ON 4 d.A). Nach der Vorschrift des § 64 Abs 1 Z 4 StGB sind jedoch (ua) im Ausland begangene, nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG aF (vgl hinsichtlich des Zitats "§ 6 Abs 1" für die - hier maßgebliche - Rechtslage vor dem 1.September 1985
ÖJZ-LSK 1983/153 = EvBl 1984/72) strafbare Handlungen unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts nach den österreichischen Strafgesetzen (vom österreichischen Gericht) zu bestrafen, wenn durch die Tat österreichische Interessen verletzt worden sind o d e r der Täter nicht ausgeliefert wird. Der Beschwerde ist zwar darin beizupflichten, daß durch die gegenständliche Auslandstat österreichische Interessen (vgl hiezu Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 845 aE) nicht verletzt worden sind, weil nach den bezüglichen Urteilskonstatierungen (vgl S 141 d.A) das vom Angeklagten (aus den Niederlanden in die Bundesrepublik Deutschland) geschmuggelte Suchtgift tatplangemäß in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr gesetzt (und nicht nach Österreich gebracht) werden sollte. Nicht beigepflichtet werden kann der Beschwerde jedoch, soweit sie die Voraussetzungen (auch) der zweiten Alternative des § 64 Abs 1 Z 4 StGB verneint. Denn darnach unterliegt die Auslandstat (§ 12 Abs 1 SuchtgiftG aF) auch dann unabhängig von den Gesetzen des Tatorts (mithin originär) den österreichischen Strafgesetzen (und damit der österreichischen Strafgerichtsbarkeit), wenn der Täter - aus welchen Gründen immer, sei es, weil er Österreicher ist, sei es, weil die Auslieferung eines Ausländers im konkreten Fall unzulässig ist oder nicht begehrt wird - nicht ausgeliefert wird (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 64 RN 15, 16; Liebscher im Wr Kommentar § 64 Rz 16; EvBl 1982/79). Da der Beschwerdeführer (unbestritten) Österreicher ist, ist seine Auslieferung unzulässig (vgl § 12 Abs 1 ARHG). Seine im Ausland begangene, vom Deliktskatalog des § 64 Abs 1 Z 4 StGB erfaßte strafbare Handlung ist demnach gemäß der zitierten Gesetzesbestimmung unabhängig von den Strafgesetzen des Tatorts nach den österreichischen Strafgesetzen zu bestrafen; daß der Beschwerdeführer für die Tat bereits im Ausland verurteilt worden ist, steht dem nicht entgegen, eben weil § 64 StGB Auslandsstraftaten betrifft, die ohne Rücksicht auf die Gesetze des Tatorts den österreichischen Strafgesetzen unterliegen, womit es durchaus (zulässigerweise) zu einer Doppelbestrafung kommen kann (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 64 RN 1, 40; ZfRV 1977, 304). Die behauptete Nichtigkeit haftet daher dem angefochtenen Urteil nicht an. Daran ändert - was zur Klarstellung beizufügen ist - nichts, daß die Rechtslage seit dem Inkrafttreten (1.September 1985) der Suchtgiftgesetznovelle 1985 (BGBl 1985/184) für den Täter in einem Fall wie dem vorliegenden günstiger ist, weil darnach in Ansehung eines im Ausland begangenen und im Tatortstaat bereits geahndeten Suchtgiftverbrechens eine (abermalige) Ahndung durch das österreichische Gericht nicht in Betracht kommt (s hiezu mit eingehender Begründung Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 2.ErgH 1985, 54 f). Denn die Rechtsrichtigkeit des angefochtenen Urteils ist grundsätzlich an der im Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz (das ist vorliegend der 31.Mai 1985) geltenden Rechtslage zu messen, sodaß eine während des Rechtsmittelverfahrens eingetretene Gesetzesänderung im Nichtigkeitsverfahren außer Betracht zu bleiben hat (vgl 12 Os 98/80); eine Rückwirkung der neuen - gegenüber dem früheren Recht für den Täter günstigeren - Rechtslage kann nur im Falle eines iudicium novum Platz greifen (vgl abermals 12 Os 98/80). An dieser Voraussetzung fehlt es aber im vorliegenden Verfahren. Nicht berechtigt ist auch der aus der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene, eine Tatbeurteilung nach § 16 SuchtgiftG anstrebende Einwand, die Suchtgiftmenge von 278 LSD-Trips reiche nicht zur Verwirklichung des Tatbestands des § 12 Abs 1 SuchtgiftG (aF) aus, weil sie in objektiver Beziehung nicht geeignet sei, eine Gemeingefahr herbeizuführen. Denn entgegen der Meinung des Beschwerdeführers liegt die verfahrensgegenständliche Menge von 278 LSD-Trips sehr wohl, und zwar erheblich, über der relevanten "Grenzmenge", also jener Menge, die (objektiv) erforderlich ist, um eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen in größerer Ausdehnung herbeizuführen (wozu die potentielle Gefährdung von etwa 30 bis 50 Personen ausreicht; vgl ÖJZ-LSK 1979/271, ferner Leukauf-Steininger, Strafrechtliche Nebengesetze 2 ENr 26 zu § 12 SuchtgiftG aF).
Was schließlich das - der Sache nach - die Z 11 des § 281 Abs 1 StPO reklamierende Vorbringen betrifft, es wäre die vom Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit den urteilsgegenständlichen Straftaten in Haft zugebrachte Zeit im angefochtenen Urteil nicht nach § 38 StGB, sondern gemäß § 66 StGB anzurechnen gewesen, so fehlt es insoweit an einer Beschwer des Angeklagten, weil diese Haftzeit im Urteil jedenfalls auf die verhängte Strafe tatsächlich angerechnet worden ist. Davon abgesehen entsprach aber die Anrechnung dieser Vorhaft gemäß § 38 (Abs 1 Z 1) StGB dem Gesetz, weil § 66 StGB auf eine im Ausland verbüßte Strafe (Strafhaftzeit) abstellt, vorliegend aber eine Strafverbüßung in der Bundesrepublik Deutschland nicht erfolgte, sondern der Angeklagte dort in Untersuchungshaft angehalten worden ist. Eine derartige Vorhaft ist aber nach § 38 StGB (und nicht nach § 66 StGB) anzurechnen (vgl Foregger-Serini StGB 3 Anm I zu § 66 StGB; ÖJZ-LSK 1977/75).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zur Gänze zu verwerfen. Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 12 Abs 1 SuchtgiftG a.F eine Freiheitsstrafe in der Dauer von vierzehn Monaten. Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, mildernd hingegen der Umstand, daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt das 21.Lebensjahr nur geringfügig überschritten hat und daß das Inverkehrsetzen des Suchtgifts teilweise beim Versuch geblieben ist.
Der Berufung des Angeklagten, mit welcher einerseits die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und andererseits die Gewährung der bedingten Strafnachsicht angestrebt wird, kommt Berechtigung zu. Das Erstgericht hat die Strafzumessungsgründe zwar im wesentlichen richtig und vollständig erfaßt, doch ist nach Lage des Falles, vor allem bei Bedachtnahme darauf, daß nur ein geringer Teil des Suchtgifts tatsächlich in Verkehr gesetzt wurde und auf das Vorleben und die Täterpersönlichkeit des Berufungswerbers, die verhängte Freiheitsstrafe überhöht und die aus dem Spruch ersichtliche Herabsetzung gerechtfertigt.
Im Hinblick auf die inzwischen doch gereifte Persönlichkeit des Angeklagten und sein ersichtliches Bestreben, sich sozial anzupassen und sich aus der Suchtgiftszene zu lösen, kann angenommen werden, es werde die bloße Androhung des Strafvollzugs genügen, um den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Es trifft zwar zu, daß bei derartigen Delikten Gründe der Generalprävention gegen die Gewährung bedingter Strafnachsicht sprechen. Bei Würdigung der konkreten Umstände des vorliegenden Falles, insbesondere der Tatsache, daß der Angeklagte sieben Monate in Untersuchungshaft verbracht und das Strafübel verspürt hat, bedarf es jedoch nicht der Vollstreckung der verhängten Strafe, um der Begehung strafbarer Handlungen der gleichen Art durch andere entgegenzuwirken.
Unter diesen Gesichtspunkten vermeinte der Oberste Gerichtshof, daß die Gewährung bedingter Strafnachsicht (unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit) noch vertreten werden kann. Es war der Berufung daher zur Gänze Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen.
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