OGH 12Os145/09d

OGH12Os145/09d8.4.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bayer als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Betroffenen Andreas L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 29. Mai 2009, GZ 12 Hv 176/07m-85, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen, im vierten Rechtsgang ergangenen Urteil wurde Andreas L***** neuerlich antragskonform - jedoch gemäß § 45 Abs 1 StGB unter Weisungserteilung und Beigabe eines Bewährungshelfers für eine Probezeit von fünf Jahren bedingt nachgesehen - gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhenden Zustands, nämlich einer paranoiden Schizophrenie, eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat beging, die ihm außerhalb dieses Zustands als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB zuzurechnen wäre, indem er am 13. August 2007 in Graz Mag. Klaus K***** gefährlich mit dem Tod bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, wobei er ankündigte, er werde ihn vor einer weiteren Kürzung seiner Pension töten oder Gott werde dies tun.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen, der keine Berechtigung zukommt.

Dem eingangs der Mängelrüge (Z 5) erhobenen Einwand, angesichts der vorliegenden Beweisergebnisse beziehe sich die begründete Besorgnis nicht auf die angedrohte Todesfolge, ist vorweg zu erwidern, dass die Frage nach der Eignung einer Drohung (auch mit dem Tod), begründete Besorgnis einzuflößen, nicht Tatfrage, sondern Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist. Hingegen fällt die Beurteilung der Ernstlichkeit einer sich dem Wortlaut nach als Drohung manifestierenden Äußerung wie auch ihres Sinns und Bedeutungsinhalts ausschließlich in den Tatsachenbereich. Ob die Drohung beim Bedrohten tatsächlich Besorgnis erregt, ist angesichts des normierten Merkmals der bloßen „Eignung“ zur Herbeiführung einer derartigen Folge ohne rechtliche Bedeutung (Jerabek in WK2 § 74 Rz 33 f; Kienapfel/Schroll StudB BT I2 § 105 Rz 42 ff iVm § 107 Rz 7).

Indem der Beschwerdeführer im Wege eigener Beweiswerterwägungen aus isoliert hervorgehobenen Teilen der Aussage des Zeugen Mag. K***** sowie den Ausführungen der beigezogenen Sachverständigen und mittels selbstständiger Interpretation der inkriminierten Äußerung die festgestellte - zur Tatbestandsverwirklichung gar nicht erforderliche (vgl Schwaighofer in WK2 § 106 Rz 2; 12 Os 26/08b) - Absicht der Betroffenen, den zuständigen Pflegschaftsrichter nicht bloß mit einer Körperverletzung, sondern mit dem Tode zu bedrohen, um der Ernstlichkeit seiner Drohung möglichst großen Nachdruck zu verleihen und Mag. Klaus K***** begründete Besorgnis einzuflößen (US 7), bei diesem also den Eindruck zu erwecken, er sei willens und in der Lage, die angekündigte Rechtsgutbeeinträchtigung herbeizuführen, zu bestreiten trachtet und dem Wortlaut der Drohung - angesichts ihres Charakters als Gottesurteil - einen anderen Sinngehalt beilegt als das Erstgericht, bekämpft er nach Art einer Schuldberufung, im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässig, die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Dass das Schöffengericht - dem Vorwurf unzureichender und widersprüchlicher Begründung zuwider - den Vorsatz des Betroffenen, Mag. K***** auch in Bezug auf die angedrohte Todesfolge begründete, sohin ernst zu nehmende Besorgnis einzuflößen (US 7, 11), aus dessen Wissen um den Bedeutungsinhalt der in Rede stehenden Äußerung, der zum damaligen Zeitpunkt bei ihm vorherrschenden Überzeugung, Mag. K***** würde ihm seine Pension bzw sein Vermögen zu Unrecht vorenthalten und müsse dafür bestraft werden, sowie aus der Formulierung der Drohung, in welcher er seine (von ihm angekündigte, also primär ihm zuzurechnende) Tat einem Gottesurteil gleichstellte, erschlossen hat (US 10, 11), ist aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht begründet dar, weshalb das Besprechen eines Telefonanrufbeantworters im Wissen, dass das Tatopfer diesen jedenfalls abhören werde, bei gleichzeitig konstatierter, im Zuge dieses Drohanrufs vorliegender Absicht, den Adressaten durch die ausgesprochene Morddrohung in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 7), nicht auch die von dieser Vorsatzform (§ 5 Abs 2 StGB) getragene Intention, die Nachricht dem Anschlussinhaber zur Kenntnis zu bringen, mitumfassen sollte (vgl bereits 12 Os 106/08t).

Unter Vernachlässigung der vom Erstgericht angenommenen Kenntnis Mag. K*****s von den der im Jahre 1998 erfolgten Einweisung Andreas L*****s in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB zu Grunde liegenden Tathandlungen (US 4, 9) und der konstatierten, durch die dezidierte Morddrohung ausgelösten ernsten Besorgnis beim Tatopfer (US 6, vgl auch US 14) bestreitet das weitere Vorbringen der Rechtsrüge die objektive Eignung der inkriminierten Äußerung, begründete Besorgnis einzuflößen, indem sie - der Verfahrensordnung zuwider - aus einer eigenständigen Würdigung der Reaktion Mag. K*****s, der die auf dem Anrufbeantworter gespeicherte Nachricht einem Gerichtspsychiater vorspielte, der erst nach einem rund einwöchigen Zeitraum erfolgten Anzeigeerstattung, dem Wortlaut der Äußerung und der - verkürzt wiedergegebenen - Vorgeschichte andere, für den Betroffenen günstigere Feststellungen als die vom Erstgericht getroffenen anstrebt. Damit verfehlt sie jedoch den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) unter Hinweis auf das Vorbringen der Rechtsrüge und anhand weiterer nicht an den Urteilsfeststellungen orientierter Überlegungen die Tathandlung als abstruse Unmutsäußerung eines schwierigen Besachwalterten, nicht aber als nach § 107 Abs 2 StGB qualifizierte gefährliche Drohung abzutun trachtet, unterlässt sie ebenfalls das für eine gesetzeskonforme Ausführung des geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrundes gebotene Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die methodisch fundierte Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).

Auch die das Fehlen der Feststellung, „die verfahrensgegenständliche Äußerung des Andreas L***** hätte im Hinblick auf das angedrohte Übel - nämlich die Todesfolge - die Eignung aufgewiesen, der bedrohten Person begründete Besorgnisse einzuflößen, mithin, dass die Ernstlichkeit der Drohung nach ihrem Bedeutungsgehalt vorlag ... und daher das Opfer um sein Leben fürchten musste", behauptenden Ausführungen der Subsumtionsrüge übergehen die Urteilsannahmen zur Absicht des Betroffenen, den zuständigen Pflegschaftsrichter nicht bloß mit einer Körperverletzung, sondern mit dem Tode zu bedrohen, um der Ernstlichkeit seiner Drohung möglichst großen Nachdruck zu verleihen und Mag. K***** begründete Besorgnis einzuflößen (US 7), sowie zum Wortlaut der dezidiert ausgesprochenen Morddrohung, die beim Bedrohten ernste Besorgnis auslöste (US 6, vgl auch US 10, 14).

Der Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) zuwider haben die Tatrichter sehr wohl festgestellt, dass der Betroffene trotz medikamentös bedingter weitgehender Remission seiner psychischen Erkrankung ohne regelmäßige ärztliche Kontrolle die verordneten Medikamente nicht einnehmen würde, sodass seine Entlassung aus der Anhaltung ohne entsprechende ärztliche und psychotherapeutische Aufsicht zur Folge hätte, dass er wieder in sein ursprüngliches Krankheitsbild zurückfallen würde, wodurch er mit überaus hoher Wahrscheinlichkeit im Einzelnen beschriebene (US 8) strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen würde (US 9; und dies im Übrigen auch mängelfrei auf die Ausführungen des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. W***** gestützt [US 13 f iVm S 321, 341, 350 bis 352/II]).

Das weitere, die mangelhafte, unter anderem aktenwidrige Begründung prognoserelevanter Feststellungen behauptende Vorbringen der Sanktionsrüge betrifft eine Ermessensentscheidung des Erstgerichts und ist daher nur mit Berufung geltend zu machen (Ratz in WK2 Vorbem zu §§ 21 bis 23 Rz 11; RIS-Justiz RS0118581 [T11]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung der Verteidigung bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

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