OGH 12Os141/93(12Os142/93)

OGH12Os141/93(12Os142/93)25.11.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.November 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Schmidt als Schriftführerin, in der Medienrechtssache des Antragstellers Ing.Heinz H***** gegen die Antragsgegnerin SPÖ ***** wegen §§ 13 ff MedienG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes St.Pölten vom 9.Juni 1993, GZ 16 E Vr 557/93-3, und des Oberlandesgerichtes Wien vom 12.Juli 1993, AZ 21 Bs 223/93, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, des Bezirkssekretärs H*****, und der Verteidiger Mag.Machold und Dr.Wandl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Gesetz wurde verletzt

1. durch den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes St.Pölten vom 9.Juni 1993, GZ 16 E Vr 577/93-3, mit dem das Verfahren gemäß § 486 Abs. 3 StPO eingestellt wurde, in den Bestimmungen der §§ 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 MedienG;

2. durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 12.Juli 1993, AZ 21 Bs 223/93 (= GZ 16 E Vr 577/93-6 des Landesgerichts St.Pölten), mit dem der gegen die im Punkt 1. angeführte Entscheidung erhobenen Beschwerde des Antragstellers mit der Begründung nicht Folge gegeben wurde, daß die dem Veröffentlichungsbegehren zugrundeliegenden Angaben als eine einer Entgegnung nicht zugängliche Tatsachenmitteilung zu werten seien, in der Bestimmung des § 9 Abs. 1 und 2 MedienG.

Text

Gründe:

Mit einem an die "SPÖ Bezirksorganisation St.Pölten, Prandtauerstraße 4, 3100 St.Pölten" gerichteten Schreiben vom 27.April 1993 (S 13) beantragte der (der FPÖ angehörige) Stadtrat von St.Pölten Ing.Heinz H***** die Veröffentlichung einer Entgegnung zu einem in der periodischen Druckschrift "St.Pöltener Rundschau" erschienenen Artikel mit folgendem Wortlaut:

"Sie schreiben in der St.Pöltener Rundschau Nr. 2, März 1993, auf Seite 5 in einem mit 'Attacke auf Bauhofmitarbeiter zurückgewiesen' überschriebenen Artikel unter Bezugnahme darauf, daß im Gemeinderat am 22.Februar die Anschaffung eines LKW's mit Gerät für die Schneeräumung für die nächste Saison beschlossen worden sei:

'Auch in dieser Sitzung bekräftigte H*****, im Bauhof seien Arbeiter beschäftigt, die sonst nirgendwo unterkämen.'

Diese Tatsachenmitteilung ist unrichtig. Herr Stadtrat Ing.Heinz H***** hat weder in der Gemeinderatssitzung am 22.Februar noch bei irgendeiner anderen Gelegenheit behauptet, daß die im Bauhof beschäftigen Arbeiter sonst nirgendwo unterkämen. In der Gemeinderatssitzung am 22.Februar hat Herr Ing.Heinz H***** lediglich kritisiert, daß seiner Ansicht nach die Motivation der Bauhofarbeiter fehle, daß die Mitarbeiter des Bauhofes im Gegensatz zur Privatwirtschaft nicht ausreichend bezahlt werden."

Das Impressum des erwähnten Medienwerkes hatte folgenden Wortlaut:

"Herausgeber und Redaktion: SPÖ Bezirksorganisation St.Pölten,

Prandtauerstraße 4, 3100 St.Pölten, Telefax: 0 27 42/573 93 Tel. 027 42/543 66 Bezirkssekretär Anton H***** Tel. 0 2742/5 21 34 Erich H***** Hersteller: Landesverlag Druckservice, Boschstraße 29, 4600 Wels."

Mit der Behauptung, daß dem Entgegnungsbegehren nicht entsprochen worden sei, beantragte Ing.Heinz H***** mit dem an das Landesgericht St.Pölten gerichteten Schriftsatz vom 26.Mai 1993, der Antragsgegnerin "SPÖ Bezirksorganisation St.Pölten, 3100 St.Pölten, Prandtauerstraße 4" als Medieninhaberin der periodischen Druckschrift "St.Pöltner Rundschau" die frist- und formgerechte Veröffentlichung der mit Schreiben vom 27.April 1993 begehrten Entgegnung aufzutragen und ihr die Zahlung einer Geldbuße an ihn sowie die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Mit Beschluß vom 9.Juni 1993, GZ 16 E Vr 577/93-3, verfügte die Ratskammer des Landesgerichtes St.Pölten die Einstellung des Verfahrens gemäß § 486 Abs. 3 StPO. Zur Begründung führte sie ua aus, daß nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 12 MedienG ein Veröffentlichungsbegehren schriftlich an den Medieninhaber (Verleger) oder an die Redaktion eines Medienunternehmens zu richten sei. Demnach sei bereits das ursprüngliche Veröffentlichungsbegehren des Antragstellers wirkungslos gewesen, weil es weder an den Medieninhaber noch an die Redaktion, sondern undifferenziert an die "SPÖ Bezirksorganisation St.Pölten, Prandtauerstraße 4, 3100 St.Pölten" gerichtet gewesen sei. Überdies könne ein Antrag auf gerichtliche Anordnung einer Entgegnung nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 14 Abs. 1 erster Satz MedienG nur gegen den Medieninhaber (Verleger) - nicht aber auch gegen die Redaktion - gestellt werden. Aus dem vom Antragsteller als Beweismittel für die angebliche Eigenschaft der Antragsgegnerin als Medieninhaberin vorgelegten Belegexemplar samt Impressum ergebe sich nur deren Eigenschaft als Herausgeber und Redaktion, nicht aber als Medieninhaber. Auch wenn - entgegen der zwingenden Vorschrift des § 24 MedienG - der Medieninhaber im Impressum nicht angeführt sei, könne aus dem Umstand, daß die Antragsgegnerin als Herausgeber und Redaktion genannt sei, auf ihre Medieninhaberschaft nicht geschlossen werden.

Der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde des Antragstellers gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 12.Juli 1993, AZ 21 Bs 223/93 (= ON 6 des Vr-Aktes), mit der Begründung nicht Folge, daß die im Entgegnungsbegehren als These herangezogene angebliche Äußerung des Antragstellers keine einer Entgegnung zugängliche Tatsachenmitteilung im Sinne des § 9 Abs. 2 MedienG sei, sondern eine Bewertung darstelle.

Rechtliche Beurteilung

Die erwähnten Entscheidungen stehen - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - aus folgenden Gründen mit dem Gesetz nicht im Einklang:

1. Gemäß § 24 MedienG sind auf jedem Medienwerk der Name oder die Firma des Medieninhabers (Verlegers) und des Herstellers sowie der Verlags- und der Herstellungsort anzugeben (Abs. 1). Auf jedem periodischen Medienwerk sind zusätzlich die Anschriften des Medieninhabers (Verlegers) und der Redaktion des Medienunternehmens sowie Name und Anschrift des Herausgebers anzugeben (Abs. 2).

Sinn des Impressums ist es, den von einer Berichterstattung Betroffenen in die Lage zu versetzen, seine Ansprüche gegen die richtige Person zu richten und entsprechend zu adressieren (Mayerhofer-Rieder Nebenstrafrecht3 § 24 MedienG ENr. 1; Foregger-Litzka MedienG3 § 24 Erl.; Hartmann-Rieder Kommentar zum MedienG § 24 Erl. 1; 4 Ob 8/93). Die Publizitätswirkung des Impressums gewährleistet den Schutz des auf die Richtigkeit des Impressums gestützten Vertrauens einer von einer Berichterstattung betroffenen Person (Foregger-Litzka aaO), wobei die Konsequenzen eines allfälligen Verstoßes gegen das Gebot der Impressumsklarheit der Impressumsverfasser gegen sich gelten lassen muß, ohne daraus prozessuale und/oder materielle Rechtsnachteile des Verfahrensgegners ableiten zu können (vgl. 11 Os 146,147/92 = Hager-Walenta Persönlichkeitsschutz E 265).

Im gegebenen Fall wurden die Vorschriften des § 24 Abs. 1 und 2 MedienG durch Unterlassung der ausdrücklichen Angabe des Namens bzw. der Firma sowie der Anschrift des Medieninhabers (Verlegers) im "erweiterten" Impressum verletzt.

Gemäß § 12 Abs. 1 erster Satz MedienG ist das Veröffentlichungsbegehren (unter anderem) betreffend eine Entgegnung (§ 9 MedienG) schriftlich an den Medieninhaber (Verleger) oder an die Redaktion des Medienunternehmens zu richten. Ing.Heinz H***** adressierte sein Veröffentlichungsbegehren an jene Stelle, die im Impressum als "Herausgeber und Redaktion" bezeichnet wurde, und damit - ungeachtet der Unvollständigkeit des Impressums - an den Medieninhaber.

Der Rechtsansicht des Landesgerichtes St.Pölten zuwider wurde somit das Veröffentlichungsbegehren an den im Gesetz genannten Adressaten gerichtet und war demnach wirksam.

Gleiches gilt für das gerichtliche Aufforderungsverfahren. Wird nämlich die Entgegnung nicht oder nicht gehörig veröffentlicht, so kann der Betroffene gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz MedienG binnen sechs Wochen bei Gericht einen Antrag gegen den Medieninhaber (Verleger) als Antragsgegner auf Anordnung der Veröffentlichung der Entgegnung stellen. Medieninhaber oder Verleger ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 1 Z 8 MedienG, wer ein Medienunternehmen oder einen Mediendienst betreibt oder sonst das Erscheinen von Medienwerken durch Inverkehrsetzen der Medienstücke besorgt. Daran vermögen unrichtige oder nach dem Gesetz unvollständige Angaben im Impressum nichts zu ändern; andernfalls läge es im Belieben des Medieninhabers (Verlegers), sich seiner medienrechtlichen Verantwortung - sieht man von der verwaltungsbehördlichen Strafbarkeit nach § 27 Abs. 1 Z 1 MedienG ab - durch einen Verstoß gegen die Vorschriften des § 24 MedienG bei der Gestaltung des Impressums zu entziehen.

Nach dem Gesagten wurde mithin - ungeachtet der schon erwähnten Unvollständigkeit des Impressums - der tatsächliche Medieninhaber in Anspruch genommen, weswegen die Verfahrenseinstellung nicht dem Gesetz entsprach.

2. Der Beschwerdeführerin ist aber auch darin beizupflichten, daß dem Oberlandesgericht Wien in seiner (den erstgerichtlichen Beschluß - wenngleich aus einem anderen Grund - bestätigenden) Beschwerdeentscheidung ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 und 2 MedienG unterlaufen ist.

Der Kern der vom Antragsteller begehrten Entgegnung in dem hier aktuellen Fall liegt nämlich darin, daß er die ihm zugeschriebene Äußerung, im Bauhof seien Arbeiter beschäftigt, die sonst nirgendwo unterkämen, nicht gemacht habe. Bei der Behauptung aber, jemand habe zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort etwas (nicht) gesagt oder (nicht) getan, handelt es sich unzweifelhaft um eine einer Entgegnung zugängliche Tatsachenmitteilung im Sinne des § 9 Abs. 2 MedienG (vgl. Hartmann-Rieder Komm.z.MedienG § 9 Erl. IX S 89). Mit der Behauptung, daß es sich bei der im betroffenen Medienstück angeführten (angeblichen) Äußerung des Antragstellers ihrem Inhalte nach um ein Werturteil handelt, geht das Oberlandesgericht daher an der wesentlichen Aussage der Antithese, der Antragsteller habe sich niemals im Sinne der These geäußert, vorbei.

Der vom Generalprokurator gemäß § 33 StPO erhobenen Beschwerde war demnach auch in diesem Umfang Folge zu geben und insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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