Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. April 1985, GZ. 1 c Vr 1289/85-16, verletzt, insoweit Franz A des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB. schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten verurteilt wurde, das Gesetz in den Bestimmungen des § 166 Abs. 1 und 3 StGB. und des § 2 Abs. 2 StPO.
Dieses Urteil, welches in Ansehung des Teilfreispruches unberührt bleibt, wird im Schuldspruch sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß §§ 292, 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:
Franz A wird von der Anklage, im Juni und Juli 1984 in Wien Olga B durch Täuschung über Tatsachen, nämlich unter Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit (bzw. seiner Bereitschaft zur Veranlassung haushaltstechnischer Reparaturarbeiten) zur Ausfolgung von insgesamt 3.100 S und sohin zu Handlungen verleitet zu haben, welche die Genannte um diesen Betrag am Vermögen schädigten, gemäß § 259 Z. 1 StPO. freigesprochen.
Text
Gründe:
Aus den Akten 1 c Vr 1289/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und 23 Bs 301,302/85 des Oberlandesgerichtes Wien ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Der am 11.April 1954 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Hilfsarbeiter Franz A wurde über Antrag des öffentlichen Anklägers (S. 76) mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17.April 1985, GZ. 1 c Vr 1289/85-16, des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB. schuldig erkannt, weil er im Juni und Juli 1984 (in Wien) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Olga B durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe seiner Rückzahlungsfähigkeit und -willigkeit in 5 Fällen zur Gewährung von Darlehen in der Gesamthöhe von 3.100 S, mithin zu Handlungen verleitet hatte, welche die Genannte um diesen Betrag am Vermögen schädigten. Nach den insoweit vom Urteilsspruch abweichenden erstgerichtlichen Konstatierungen erfolgte allerdings die Herauslockung eines Teilbetrages in der Höhe von 500 S nicht unter der Vorgabe redlicher Darlehensaufnahme sondern durch die Vortäuschung der Veranlassung haushaltstechnischer Reparaturarbeiten (vgl. US. 6). über den Angeklagten wurde eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten verhängt. Vom weiteren Anklagevorwurf (ON. 3), auch das Vergehen des schweren Diebstahls begangen zu haben, wurde Franz A freigesprochen.
Der Angeklagte Franz A bekämpfte dieses Urteil lediglich im Strafausspruch mit (rechtzeitig angemeldeter und ausgeführter - S. 76 und 113 des Bezugsaktes) Berufung; den Schuldspruch hat er - ebenso wie die Staatsanwaltschaft - unangefochten gelassen. über die Berufung des Angeklagten ist vom Oberlandesgericht Wien bisher nicht entschieden worden.
Nach den (durch die Verantwortung des Angeklagten vor der Polizei - S. 23 - und in der Hauptverhandlung - S. 64, 66 - gedeckten) Urteilsfeststellungen lebte der Angeklagte im Tatzeitraum mit Olga B in (außerehelicher) Lebensgemeinschaft (Urteilsseiten 4, 5, 6 und 9).
Rechtliche Beurteilung
Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17. April 1985, GZ. 1 c Vr 1289/85-16, steht insoweit, als der Angeklagte des Vergehens des Betruges schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Gemäß § 166 Abs. 3 StGB. ist (u.a.) nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen, wer einen Betrug zum Nachteil eines Angehörigen begeht, sofern er mit diesem in Hausgemeinschaft lebt (§ 166 Abs. 1 StGB.). Nach § 72 Abs. 2 StGB. werden aber Personen verschiedenen Geschlechtes, die miteinander in außerehelicher Lebensgemeinschaft leben, wie Angehörige behandelt. Als außereheliche Lebensgemeinschaft im Sinn des § 72 Abs. 2 StGB. gilt eine auf längere Dauer ausgerichtete, ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkommende Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft (SSt. 46/45; LSK. 1978/229). Franz A hat anläßlich seiner niederschriftlichen
Vernehmung vor der Polizei angegeben, in den Monaten Juni und Juli 1984 bei Olga B gewohnt zu haben (S. 23), und hat diese Partnerschaftsbeziehung in der Hauptverhandlung dahingehend konkretisiert, daß er mit der Genannten geschlechtliche Kontakte unterhielt und in eheähnlichen Verhältnissen lebte (S. 66). Auch die Zeugin Olga B hat eingeräumt, im Tatzeitraum mit dem Angeklagten zusammengelebt (S. 67), für ihn Bekleidungsstücke gekauft (S. 71) und von ihm hauswirtschaftliche Gegenleistungen empfangen zu haben (S. 73). Ersichtlich auf Grund dieser Beweisergebnisse hat das Erstgericht in der Begründung des (vom Angeklagten lediglich im Strafausspruch angefochtenen) Urteils das Vorliegen einer im Tatzeitraum aufrechten außerehelichen Lebensgemeinschaft zwischen dem Angeklagten und der Zeugin B ausdrücklich bejaht (S. 80, 81, 82 und 85), dabei allerdings übersehen, daß die Anlaßtaten solcherart nicht dem § 146 StGB., sondern rechtsrichtig dem (privilegierten) Tatbestand des im Familienkreis begangenen Betruges nach § 146 in Verbindung mit § 166 Abs. 1 StGB. zu unterstellen und gemäß §§ 166 Abs. 3 StGB.; 2 Abs. 2 StPO. der Ahndung auf Grund einer (hier fehlenden) Privatanklage vorbehalten sind.
Der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
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