European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00135.17W.0419.000
Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch 1./ in der rechtlichen Unterstellung der dort beschriebenen Tathandlungen unter mehrere Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und in der Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und
der Angeklagte mit dem Vorbringen zur Qualifikation des § 28a Abs 2 Z 1 SMG, auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird im Übrigen verworfen.
Im Umfang der Aufhebung des Strafausspruchs wird in der Sache selbst erkannt:
Für das ihm weiterhin zu Last liegende Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 fünfter Fall SMG wird Willibald B***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Willibald B***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (1./) und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 fünfter Fall SMG (2./) schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 45 Monaten verurteilt.
Danach hat er „in der Zeit von zumindest Jänner 2015 bis März 2017 vorschriftswidrig Suchtgift,
1./ in V***** und anderen Orten wiederholt und großteils gewinnbringend in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das mehr als dreifache übersteigenden Menge, und zwar zumindest 419 Gramm Kokain mit einem Reinsubstanzgehalt von zumindest 10,89 % (45,62 Gramm Reinsubstanz) an Rene K***** (zumindest 6 bis 10 Gramm Kokain), Matthias P***** (zumindest 15 bis 20 Gramm Kokain), Bernhard O***** (zumindest 12 Gramm Kokain), Simon H***** (zumindest 100 Gramm Kokain), Rainer G***** (2 Gramm Kokain), Stefan M***** (zumindest 15 Gramm Kokain), Wolfgang W***** (zumindest 90 Gramm Kokain), Tanja Pe***** (zumindest 100 Gramm Kokain), Mario Kr***** (zumindest 72 Gramm Kokain) und weiteren namentlich nicht bekannten Personen überlassen (zumindest 7 bis 8 Gramm Kokain), wobei er die Tat gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt worden ist und er mit einem auf kontinuierliche Tatbegehung und dem daran angeknüpften Additionseffekt gerichteten Vorsatz handelte;
2./ als unmittelbarer Täter mit dem abgesondert verfolgten Bernhard O***** und teils Rene K***** und Tanja Pe***** in vier Angriffen von Italien nach Österreich, und zwar zumindest 30 bis 36 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 41,24 % (12,327 bis 14,846 Gramm an Reinsubstanz), somit (in) einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) nicht übersteigenden Menge, eingeführt.“
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, Z 5a und Z 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der sich weiters mit Beschwerde gegen die mit Beschluss vom 20. September 2017, GZ 15 Hv 49/17k‑79, erfolgte Urteilsberichtigung wendet.
Zunächst überzeugte sich der Oberste Gerichtshof von einer vom Beschwerdeführer nicht aufgezeigten Nichtigkeit, welche einerseits darin liegt, dass der Beschwerdeführer zu 1./ zu Unrecht mehrerer statt bloß eines Verbrechens nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG schuldig erkannt wurde (§ 281 Abs 1 Z 10 [§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall] StPO).
Denn der zur ständigen Rechtsprechung gewordene Ansatz, welcher auf exakter Abgrenzbarkeit einzelner Grenzmengen zueinander beruht und durch den § 28a Abs 1 SMG auf diese Weise mehrfach begründet werden konnte (vgl RIS‑Justiz RS0112225 [T11, T14], RS0124018), wurde vom Obersten Gerichtshof aufgegeben. Bezugspunkt des Suchtgifthandels ist vielmehr eine die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende Menge, sodass eine gesetzliche (auf exakt eine Grenzmenge bezogene) Abtrennungsregel für ihrerseits und im Verhältnis zueinander sukzessiv begangene Taten nach § 28a Abs 1 SMG im geltenden Recht nicht aufzufinden ist, weshalb § 28a Abs 1 SMG so nicht mehrfach begründet werden kann (
12 Os 21/17f [verstärkter Senat], EvBl 2018/13, 83; 14 Os 124/17t, vgl auch 12 Os 99/17a).
Aufhebung des Ausspruchs zu 1./, wonach der Beschwerdeführer mehrere, statt bloß ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG begangen habe, ist die Folge.
Andererseits vermögen die zur Willensausrichtung des Angeklagten getroffenen Feststellungen, wonach „er zwei weitere Taten schon im Einzelnen geplant hat oder jedenfalls bereits zwei solche Taten begangen hat“ (US 7, vgl auch US 9), ungeachtet der Vorverurteilung wegen § 28a Abs 1 SMG (US 7) schon angesichts der bloß sukzessiven, jeweils die Grenzmenge für sich nicht überschreitenden Überlassung von Suchtgift die Unterstellung unter § 28a Abs 2 Z 1 SMG nicht zu tragen, weil es logische Konsequenz der obzitierten Entscheidung des verstärkten Senats ist, dass bloße Teilakte von Suchtgifthandel nach § 28a Abs 1 SMG als Bezugspunkt für wiederkehrende Begehung (§ 70 Abs 1 Z 3 StGB) ausscheiden. Suchtgifthandel durch je für sich große Mengen kann jedoch (nach wie vor) Ansatzpunkt für wiederkehrende Begehung (§ 70 StGB) sein (15 Os 7/18w).
Die Subsumtion unter den Qualifikationstatbestand des § 28a Abs 2 Z 1 SMG war daher auszuschalten. Ein Eingehen auf das ebenfalls dieses Ziel anstrebende Vorbringen der Beschwerde erübrigt sich damit.
Der Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen kommt hingegen keine Berechtigung zu:
Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich zunächst sinngemäß gegen die Urteilsannahme, wonach „nicht festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte die Taten vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen“, sondern „die Taten vorwiegend zur Finanzierung eines Zubrotes zu seinem kärglichen Einkommen von rund 600 Euro monatlich“ setzte (US 8). Mit eigenständigen Beweiswerterwägungen und aktenmäßig nicht fundierten Einwänden gegen isoliert herausgegriffene Urteilsfeststellungen zu seinem Lebensstil (vgl US 5)strebt sie für den Beschwerdeführer günstigere Schlussfolgerungen an und bekämpft damit – nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung – die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.
Davon, dass der Angeklagte süchtig ist, ist das Erstgericht – wenngleich im Rahmen der Strafzumessung (US 11) – ohnedies ausgegangen. Weshalb es dazu verhalten gewesen wäre, eine in der Hauptverhandlung vorgelegte Therapiezusage in seine Überlegungen miteinzubeziehen, macht die Rüge nicht deutlich.
Die Beschwerde weist zwar im Ergebnis zutreffend darauf hin, dass die Tatrichter unter Zugrundelegung der von ihnen angestellten Berechnungen (US 6) zu Unrecht von einem Reingewinn von insgesamt 39.880 Euro ausgingen, weil sie den Anschaffungspreis von 80 Euro pro Gramm des in der Folge gestreckten und zur Hälfte für den Eigenkonsum des Angeklagten und der Tanja Pe***** verwendeten Suchtgifts unberücksichtigt ließen, entfernt sich jedoch selbst vollends von den erstgerichtlichen Annahmen zu einem Verkaufspreis von 100 Euro pro Gramm für 319 Gramm des überlassenen Suchtgifts und – wovon das Schöffengericht offenkundig ausging (US 6, 10 f; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) – von 80 Euro pro Gramm in Ansehung des Tanja Pe***** übergebenen Kokains, um so auf Basis eines Aufschlags von 20 Euro pro Gramm nicht nachvollziehbar zu einem Gewinn von lediglich 8.380 Euro zu gelangen. Doch bereits die Gegenüberstellung der vom Angeklagten mit einem Gewinn von 60 Euro pro Gramm verkauften 319 Gramm Kokain (Verkaufspreis 100 Euro abzüglich 40 Euro für den Erwerb eines halben, später eins zu eins gestreckten, Gramms Kokain) mit dem dafür und in gleicher Höhe für den Eigenkonsum für sich und Tanja Pe***** getätigten Ankaufspreis von 40 Euro pro Gramm zeigt, dass diese im Ergebnis unbestrittenen Urteilsannahmen der weiteren Konstatierung, wonach Willibald B***** die Taten nicht vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen (US 8), nicht entgegenstehen, sodass der der Sache nach behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) nicht vorliegt.
Mit der ohne Bezugnahme auf konkrete Verfahrensergebnisse aufgestellten Behauptung, aufgrund eines stationären Aufenthalts des Angeklagten verringere sich der Tatzeitraum auf März 2015 bis März 2017, woraus nach Ansicht des Beschwerdeführers auf eine geringere von ihm insgesamt verhandelte Suchtgiftmenge zu schließen wäre, wird kein Begründungsmangel behauptet. Indem der Nichtigkeitswerber den Versuch unternimmt, mit beweiswürdigenden Überlegungen zu den Angaben der in der Hauptverhandlung vernommenen Abnehmer seiner Verantwortung, lediglich 315 Gramm Kokain überlassen zu haben, zum Durchbruch zu verhelfen, bekämpft er einmal mehr unzulässig die erstgerichtliche Beweiswürdigung. Auch mit der Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird keine Nichtigkeit in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 StPO behauptet (RIS‑Justiz RS0117445).
Die nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) formulierte Kritik, das Erstgericht hätte „nicht alle relevanten Zeugen zu den überlassenen Suchtgiftquanten“ befragt, legt nicht dar, wodurch der durch einen Verteidiger vertretene Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung (Z 4) gehindert war (RIS-Justiz RS0115823).
Der unter Berücksichtigung des gesamten Urteilsinhalts evidente Schreibfehler in der Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite (Überlassen von Cannabis statt Kokain; US 7) begründet der Beschwerde zuwider keinen Begründungsmangel (vgl RIS‑Justiz RS0107358). Damit ist es für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde auch ohne Relevanz, dass das Urteil insoweit mit Beschluss des Vorsitzenden vom 20. September 2017 (ON 79) berichtigt wurde. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist somit durch die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde miterledigt, ohne dass es einer inhaltlichen Erwiderung bedarf (vgl RIS‑Justiz RS0126057; 15 Os 83/16v).
Dem Einwand offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) zuwider hat sich der Schöffensenat bei den Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf die objektive Vorgangsweise des Angeklagten und dessen einschlägig getrübte Vergangenheit berufen (US 10).
Die undifferenziert
gemeinsam mit der Mängelrüge erstattete
Tatsachenrüge (Z 5a) unterlässt es, durch konkrete Argumentation „aus den Akten“ (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481) erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher im Übrigen zu verwerfen.
Aus deren Anlass war das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Schuldspruch 1./ in der rechtlichen Unterstellung der dort beschriebenen Tathandlungen unter mehrere Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und demgemäß in der Subsumtion nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG sowie im Strafausspruch einschließlich der Vorhaftanrechnung aufzuheben. Da Feststellungen, welche die Annahme mehrerer Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG zu tragen vermögen, auch in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten sind, war aus prozessökonomischen Erwägungen von der Rückverweisung an das Erstgericht abzusehen (RIS‑Justiz RS0118545).
Bei der dadurch erforderlichen
Strafneubemessung nach § 28a Abs 1 SMG waren als mildernd die jedenfalls teilweise reumütig geständige Verantwortung, die Sicherstellung von Suchtgift und die Gewöhnung an
Suchtmittel (vgl Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG3 § 27 Rz 109), als erschwerend hingegen die mehrfachen einschlägigen Vorstrafen, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 StGB und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit Vergehen zu werten.
In Anbetracht dieser Strafzumessungsgründe war eine dem Unrecht der Tat und der Schuld des Berufungswerbers angemessene Strafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten zu verhängen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Vorhaftanrechnung war dem Erstgericht zu überlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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