OGH 12Os134/17y

OGH12Os134/17y14.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schuber als Schriftführer in der Strafsache gegen Henning E***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 21. Juni 2017, GZ 9 Hv 62/17i‑92, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00134.17Y.1214.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Henning E***** des Vergehens des Hausfriedensbruchs nach §§ 15 Abs 1, 109 Abs 1 StGB (1./), (richtig:) des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB (2./a./i./) sowie der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 erster Fall (2./a./ii./, 2./b./), der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (3./) sowie des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB (4./) schuldig erkannt.

Danach hat er in G*****

1./ am 14. Jänner 2017 den Eintritt in die Wohnstätte der Lydia K***** mit Gewalt zu erzwingen versucht, indem er mehrfach gegen die Wohnungstüre trat, sich mit der Schulter dagegen warf und dabei Lydia K***** zum Aufmachen der Türe aufforderte;

2./ Beamte mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper an nachstehenden Amtshandlungen gehindert bzw zu hindern versucht, und zwar

a./ am 16. Jänner 2017

i./ Mario Kn***** und Elke Ki***** an der Abklärung seiner Identität, der Durchsetzung des am 14. Jänner 2017 ausgesprochenen Betretungsverbots und der Gefahrenabwehr gemäß § 21 Abs 1 SPG, indem er sich beim Eindringen in die Wohnstätte der Lydia K***** gegen die Festhalteversuche der beiden Beamten durch rasches Auf‑ und Abbewegen seiner Hände bzw seines Oberkörpers zur Wehr setzte sowie schließlich mit einem Messer herumfuchtelte, wodurch Mario Kn***** und Elke Ki***** veranlasst wurden, sich (vorerst) zurückzuziehen;

ii./ an seiner Verbringung aus der Wohnung der Lydia K***** und seiner anschließenden Festnahme, indem er sich bei der Annäherung der Beamten Thomas B***** und Werner V***** und im Zuge seines Abtransports aus der Wohnung durch Tritte und Schläge heftig zur Wehr setzte, wobei er Thomas B***** am linken Knie traf, und er sich bei der folgenden Fixierung am Boden und seiner Festnahme im Wohnungseingangsbereich durch Thomas B*****, Werner V*****, Mario Kn***** und Elke Ki***** aus den Festhalteversuchen unter Anwendung massiver Gegenwehr herauszuwinden versuchte sowie mit den Füßen gegen die Beamten trat;

b./ am 19. Jänner 2017 in der Justizanstalt G***** die Justizwachebeamten Thomas W*****, Michael Wa*****, Siegfried F*****, Philipp R*****, Gerwin S*****, Harald V*****, Christian Ka*****, Martin H***** und Stefan O***** an seiner ursprünglich geplanten Verlegung in einen anderen Haftraum sowie seiner anschließenden Arretierung und Verbringung in den Sicherheitshaftraum, indem er sich entgegen den Anweisungen mit seiner Effektenkiste nicht zum Haftraum, sondern zum Dienstzimmer begab, dort in Richtung der Justizwachebeamten Thomas W*****, Michael Wa***** und Siegfried F***** eine bedrohliche Vorwärtsbewegung machte und mit der Effektenkiste ausholte sowie im Zuge des folgenden Gerangels in den rechten Arm des Thomas W***** biss, auch bereits am Boden liegend um sich schlug und trat, die Finger der Beamten Philipp R***** und Gerwin S***** zusammendrückte und umbog sowie während seines Transports in den Sicherheitshaftraum versuchte, sich durch Körperverdrehungen und ‑verspannungen sowie durch Bisse den Griffen der Justizwachebeamten zu entwinden, was ihm aufgrund der Fesselung und der Fixierung durch die Beamten nicht gelang;

3./ nachstehende Personen am Körper verletzt, wobei die Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) an Beamten während oder wegen der Vollziehung ihrer Aufgaben begangen wurde, und zwar

a./ durch die zu Punkt 2./a./i./ dargestellten Handlungen Mario Kn***** (Kratzer im Bereich der linken Hand) und Elke Ki***** (Prellungen im Bereich des linken Ellenbogens und der linken Schulter, Zerrung der linken Hand sowie der Halswirbelsäule);

b./ durch die zu Punkt 2./a./ii./ dargestellten Handlungen Thomas B***** (Prellung des linken Knies sowie Abschürfungen am Grundglied des 5. Fingers der rechten Hand);

c./ durch die zu Punkt 2./b./ dargestellten Handlungen die Justizwachebeamten Thomas W***** (Bisswunden am rechten Arm), Philipp R***** (schwere Zerrung der Grundgelenke des 2. und 3. Fingers der linken Hand sowie eine Zerrung des Mittelgelenks des 2. Fingers der linken Hand), Gerwin S***** (Prellung des 4. Fingers der rechten Hand), Christian K***** (Schwürfwunde am 2. Finger der linken Hand) und Harald V***** (Verschlechterung eines bereits vorliegenden Bandscheibenvorfalls zwischen dem 5. Lenden‑ und dem 1. Steißbeinwirbel);

4. am 16. Jänner 2017 Lydia K***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er ihr mit einem spitz zulaufenden Klappmesser mit einer Klingenlänge von 9 cm und einer Klingenbreite von 2 cm in Griffnähe in rascher Folge acht Stiche im Bereich des Oberkörpers und drei Stiche im Bereich der Extremitäten versetzte, wobei zumindest drei Stiche in die Brust‑ und Bauchhöhle lebensgefährliche Verletzungen zur Folge hatten, die notfallmedizinisch und operativ versorgt werden mussten.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 10a StPO gestützte, ausschließlich gegen den Schuldspruch 4./ gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, mit der er sich gegen die Feststellung des Tötungsvorsatzes im Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage 8 (US 8 f; vgl Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 12) wendet.

Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO zielt – soweit hier von Bedeutung (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – darauf, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) aufzuzeigen, die nahelegen, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO iVm § 302 Abs 1 StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780 [T13, T16, T17]; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 470, 490).

Eine im dargestellten Sinn qualifizierte Fehlentscheidung wird mit eigenen Beweiswerterwägungen zur Verantwortung des Angeklagten, zu den Auswertungen der SMS- und Telefonkontakte zwischen dem Angeklagten und dem Opfer, zur Aussage der Zeugin Lydia K*****, zu den Lichtbildern der Verletzungsfolgen und zum Gutachten des Sachverständigen Univ.‑Prof. i. R. Univ.‑Doz. Dr. Peter Ro***** nicht dargetan.

Soweit die Ausführungen der Tatsachenrüge den vom Gesetz verlangten Aktenbezug vermissen lassen, entziehen sie sich einer meritorischen Erledigung (RIS‑Justiz RS0117516, RS0117749, RS0119310).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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