OGH 12Os130/06v

OGH12Os130/06v30.11.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. November 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner und Dr. Schwab als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bussek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ramadan X***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, AZ 35 Hv 73/06g des Landesgerichtes Salzburg, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 19. Oktober 2006, AZ 9 Bs 324/06w (ON 317), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Ramadan X***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Ramadan X***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 13. Mai 2005, GZ 37 Hv 160/04p-205, wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Bischofshofen und anderen Orten zu den Taten des Muharrem E*****, nämlich

1. die Aus- und Einfuhr von 10 kg Heroin Anfang Dezember 2003 von Serbien über Kroatien, Slowenien und Österreich nach Italien und anschließender Weitergabe an einen gewissen „Enver H*****", und

2. die Aus- und Einfuhr von 6.931,3 Gramm Heroin brutto am 17. Jänner 2004 von Serbien über Kroatien und Slowenien nach Österreich, dadurch beigetragen, dass er ihn im Herbst 2003 mit Milikije A***** bekannt machte und als Suchtmittelkurier vermittelte, die Tathandlung im Jänner 2004 mit 1.000 Euro finanzierte sowie ferner dadurch, dass er bei beiden Fahrten Muharrem E***** unterstützte, indem er ständig Telefonkontakt mit ihm hielt und ihn beriet.

Gegen dieses Urteil hatte der Angeklagte nur Berufung erhoben. Mit der Entscheidung vom 23. März 2006, GZ 12 Os 8/06b-8, hob der Oberste Gerichtshof aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde einer Mitangeklagten das Urteil auch hinsichtlich Ramadan X***** in der rechtlichen Unterstellung der Tat auch unter die Qualifikation des § 28 Abs 3 erster Fall SMG sowie demgemäß im Strafausspruch auf und wies die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 16. Juni 2006, GZ 35 Hv 73/06g-295, wurde Ramadan X***** schuldig erkannt, die bereits von dem in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch umfassten Taten auch gewerbsmäßig nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG begangen zu haben. Nach § 28 Abs 4 SMG wurde er zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Über die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten wurde noch nicht entschieden.

Zu diesem Verfahren befindet sich Ramadan X***** seit 15. Mai 2004 in Untersuchungshaft.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz einer Beschwerde des Ramadan X***** gegen den die Fortsetzung der Untersuchungshaft anordnenden Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichtes nicht Folge und setzte diese aus den Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1 und 2 Z 1 und Z 3 lit a StPO fort.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten, welcher keine Berechtigung zukommt.

Die unter dem Aspekt der Verletzung der Unschuldsvermutung im Sinne des Art 6 Abs 2 MRK erhobenen Einwände gehen schon deshalb fehl, weil der Beschwerdeführer bereits rechtskräftig wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt wurde. Offen ist lediglich, ob er die Tat auch gewerbsmäßig nach § 28 Abs 3 erster Fall SMG begangen hat.

Den Haftgrund der Fluchtgefahr stützte der Gerichtshof zweiter Instanz, insbesondere darauf, dass Ramadan X***** zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt wurde und nach wie vor bestehende familiäre Beziehungen in sein Herkunftsland (Kosovo) unterhält. Trotz seiner weitgehend geordneten Verhältnisse, des festen Wohnsitzes in Österreich und seiner familiären Beziehungen bestehe die Gefahr, dass er sich durch Flucht dem Strafverfahren zu entziehen sucht. Die Gefahr weiterer Delinquenz mit schweren Folgen leitete das Beschwerdegericht aus den „tatindizierten Persönlichkeitsdefiziten des Angeklagten, der sich trotz vorliegender sozialer Integration dazu verstanden hat, sich am grenzüberschreitenden Schmuggel bzw Handel mit harten Drogen einer vom Kosovo aus europaweit agierenden Suchtgiftbeschaffungs- und Suchtgiftverteilungsorganisation zu beteiligen bzw dazu beigetragen" ab. Darüber hinaus hat es auf die Verwandtschafts- und Schwägerschaftsverhältnisse mit weiteren Mittätern hingewiesen, sodass eine neuerliche Kontaktaufnahme für den Angeklagten ungleich einfacher zu bewerkstelligen sei als dies einem Dritten möglich wäre. Die Beschwerde versucht lediglich durch eigenständige Wertung der persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, insbesondere seiner familiären Bindung, abzuleiten, dass weder ein Fluchtanreiz noch die Gefahr weiterer Tatbegehung bestehe.

Die Begründung des Oberlandesgerichtes ist jedoch in jeder Beziehung einwandfrei und findet im Akteninhalt ihre Deckung. Die Haftgründe wurden daher zutreffend angenommen.

Bei Prüfung, ob die Dauer der Untersuchungshaft zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht, ist von dem in erster Instanz erkannten Strafausmaß auszugehen. Überlegungen über die Erfolgsaussichten einer vom Angeklagten dagegen erhobenen Berufung sind nicht anzustellen, weil damit dem Rechtsmittelverfahren vorgegriffen würde (Hager/Holzweber GRGB § 2 E 5). Auch die Möglichkeit bedingter Entlassung hat außer Betracht zu bleiben (zuletzt 12 Os 87/06w). Unter diesen Aspekten ist die Dauer der Untersuchungshaft von rund 30 Monaten noch nicht unangemessen. Ramadan X***** wurde daher im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenzuspruch abzuweisen war (§ 8 GRBG).

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