OGH 12Os122/15f

OGH12Os122/15f17.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Dezember 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Weißnar als Schriftführerin in der Strafsache gegen Denis B***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Denis B***** und Sendi B***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 18. Juni 2015, GZ 42 Hv 9/15i-158c, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00122.15F.1217.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Sendi B***** wird zurückgewiesen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch F./ des Denis B*****, demgemäß auch in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit dem sich auf diesen Schuldspruch beziehenden Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung wird der Angeklagte Denis B*****, mit ihrer sich auf diesen Angeklagten beziehenden Teil ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Denis B***** zurückgewiesen.

Über die Berufungen der Angeklagten Sendi B***** und die diese Angeklagte betreffenden Berufung der Staatsanwaltschaft wird das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden haben.

Beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen ‑ auch rechtskräftige Freisprüche des Angeklagten Denis B***** (US 17) enthaltenden ‑ Urteil wurden Denis B***** des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 Abs 1 StGB (A./), mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B./), dreier Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (C./), des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 1 WaffG (D./), des Verbrechens der Geldfälschung nach § 232 Abs 1 StGB (E./) und des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 2 zweiter Fall, Abs 4 zweiter und dritter Fall StGB (F./) und Sendi B***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 130 erster Fall StGB (A./ I./ 2./) schuldig erkannt.

Danach haben in W***** N***** und an anderen Orten

A./ mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, andere fremde bewegliche Sachen weggenommen (I./) und dies versucht (II./), wobei sich die Taten bei Denis B***** auf einen 50.000 Euro übersteigenden Wert bezogen und bei Sendi B***** auf einen 3.000 Euro übersteigenden Wert, und zwar

I./ 1./ und II./ Denis B***** im einverständlichen Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern durch Einbruch in Gebäude zwischen 17. Oktober 2013 und 18. Juli 2014 in mehrfachen im Urteil näher beschriebenen Angriffen den dort genannten Personen Bargeld und im Urteil näher bezeichnete Wertgegenstände;

I./ 2./ Denis B***** und Sendi B***** im einverständlichen Zusammenwirken zwischen September 2013 und 19. Juli 2014 in mehrfachen im Urteil näher beschriebenen Angriffen Verfügungsberechtigten dort genannter Gesellschaften und nicht mehr auszuforschenden Opfern Bargeld und im Urteil näher bezeichnete Wertgegenstände;

Denis B*****

B./ im einverständlichen Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern anlässlich von vier zu Schuldspruch A./ I./ 1./ näher beschriebenen Taten eine Vielzahl im Urteil näher bezeichneter Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden;

C./ im einverständlichen Zusammenwirken mit unbekannten Mittätern anlässlich der zu Schuldspruch A./ I./ 1./ c./ näher beschriebenen Tat insgesamt drei im Urteil näher bezeichnete unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern, unterdrückt;

D./ anlässlich der Wegnahme der zu Schuldspruch A./ I./ 1./ b./ näher beschriebenen Pistole, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt eine Schusswaffe der Kategorie B besessen;

E./ vor dem 19. Juli 2014 Geld mit dem Vorsatz nachgemacht, dass es als echt und unverfälscht in Verkehr gebracht werde, indem er 29 Farbkopien von 100 Euro‑Banknoten herstellte;

F./ „in L***** und an anderen Orten dadurch, dass er das von einem unbekannten Täter am 23. September 2012 in Sarajevo zum Nachteil des Ing. Franz E***** durch Aufbrechen von dessen PKW Skoda Fabia, Kennzeichen K*****, erbeutete Navigationsgerät der Marke Garmin zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt an sich brachte und bis 19. Juli 2014 in seinem eigenen Kraftfahrzeug verwendete, eine Sache, die der Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen durch sie erlangt hat, auf sonstige Weise an sich gebracht, wobei er die Hehlerei gewerbsmäßig betrieb und die mit Strafe bedrohte Handlung, durch die die Sache erlangt worden ist, aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die fünf Jahre erreicht, und er die Umstände kannte, die diese Strafdrohung begründen“.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten Denis B***** aus Z 5, 9 lit a und 10 und der Angeklagten Sendi B***** aus Z 5, jeweils des § 281 Abs 1 StPO. Beide Rechtsmittel verfehlen ‑ soweit auf sie einzugehen ist ‑ ihr Ziel.

Zur amtswegigen Maßnahme:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ zunächst von nicht geltend gemachter, den Angeklagten Denis B***** benachteiligender Nichtigkeit in Ansehung des Schuldspruchs F./ (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Nach den maßgeblichen Feststellungen (US 18, 28 f) kaufte der kroatische Staatsangehörige Denis B***** zu einem unbekannten Zeitpunkt in Sarajevo von einem Unbekannten ein Navigationsgerät, welches der unbekannte Täter dort am 23. September 2012 Ing. Franz E***** durch Einbruch in dessen Kfz gestohlen hatte. Auf Basis der Annahme entsprechend vorsätzlichen Handelns des Angeklagten subsumierte das Erstgericht das Verhalten des Angeklagten dem Verbrechen der Hehlerei nach § 164 Abs 2 zweiter Fall, Abs 4 zweiter und dritter Fall StGB.

Für die demnach festgestellte Auslandstat eines Ausländers kommen die österreichischen Strafgesetze ‑ mangels Anwendbarkeit des § 64 Abs 1 StGB (vgl insb Z 8 leg cit, wonach in Bezug auf Hehlerei auf eine im Inland begangene Tat abgestellt wird) ‑ nur nach Maßgabe des § 65 Abs 1 Z 2 StGB zur Anwendung, also dann, wenn der Täter im Inland betreten wurde und (bei gegebener Strafbarkeit nach Tatortrecht) aus einem anderen Grund als wegen der Art oder Eigenschaft seiner Tat nicht an das Ausland ausgeliefert werden konnte. Konstatierungen dazu enthält das angefochtene Urteil nicht (vgl 13 Os 43/14v).

Bleibt der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die weiteren Feststellungen der Tatrichter, wonach der Angeklagte das Navigationsgerät in der Folge im Inland verwendete (US 11 und 28), nicht entscheidend sind, weil die Tathandlung des „Ansichbringens“ ‑ als Herstellung des Gewahrsams (RIS-Justiz RS0093770 [T1]) ‑ kein Dauerdelikt normiert (RIS-Justiz RS0094856).

Da der aufgezeigte Rechtsfehler mangels Feststellungen die Urteilskassation in dem im Spruch ersichtlichen Umfang bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) unumgänglich macht, erübrigt sich ein Eingehen auf das zu diesem Schuldspruch erstattete Beschwerdevorbringen. Mit diesem Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Berufung war der Angeklagte auf die Urteilsaufhebung zu verweisen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Denis B*****:

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider war der Schöffensenat ‑ dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend ‑ nicht verpflichtet, den Wortlaut der „notariell beglaubigten“ Angaben des Zeugen M***** wiederzugeben. Vielmehr reicht es unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit aus, dass das Erstgericht die inhaltlichen Angaben dieses Zeugen auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersucht hat (US 42 f; § 258 Abs 2 StPO). Dass dieses Prüfungsergebnis der Sichtweise des Beschwerdeführers nicht entspricht, stellt kein Begründungsdefizit dar.

Indem der Rechtsmittelwerber mit eigenständigen Beweiswerterwägungen zu den näheren Umständen der Vernehmung des Zeugen M***** in Sarajevo dessen Glaubwürdigkeit zu belegen sucht, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Soweit das Rechtsmittel den Anlassbericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich und ein Gutachten eines Schriftsachverständigen als Beleg für die Unschuld des Angeklagten heranzieht, unterlässt es die bei (hier) umfangreichem Aktenmaterial gebotene Angabe der Fundstellen im Akt (RIS-Justiz RS0124172). Im Übrigen erschöpft sich das Beschwerdevorbringen in bloßen Spekulationen über die mögliche Tatbegehung durch eine andere Person, was auf einen neuerlich vergeblichen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffensenats hinausläuft.

Gleiches gilt, soweit die Beschwerde darauf verweist, dass nach dem molekularbiologischen Gutachten eine Täterschaft des Angeklagten „nicht zweifelsfrei“ nachgewiesen werden konnte. Denn nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse berechtigen das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen (RIS-Justiz RS0098362).

Der gegen den Schuldspruch E./ (§ 232 Abs 2 StGB) gerichteten Rechtsrüge zuwider (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 5) haben die Tatrichter einen auf Inverkehrsetzen von Falsifikaten gerichteten Vorsatz aus dem äußeren Tatgeschehen abgleitet (US 57). Dies ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit aber nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0098671, RS0116882).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Sendi B*****:

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) widerspricht der aus dem Umstand, wonach im Haus der Angeklagten eine große Anzahl von Beutestücken, darunter teure Frauenkleidung, sichergestellt werden konnte, gezogene Schluss auf die Mittäterschaft der Angeklagten Sendi B***** (US 51 f) weder den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0099413, RS0116732). Mit ihrer dagegen geübten Kritik bekämpft die Beschwerdeführerin bloß die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits ‑ in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung der Angeklagten Sendi B***** und der diese Angeklagte betreffenden Berufung der Staatsanwaltschaft folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO. Die amtswegige Maßnahme ist davon nicht umfasst ( Lendl , WK-StPO § 390a Rz 12).

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