OGH 12Os116/85

OGH12Os116/8529.8.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.August 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8.Mai 1985, GZ 7b Vr 9031/84-60, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Walter

A - neben einer anderen strafbaren Handlung - des Verbrechens des

schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 3 StGB (Punkt A des

Urteilssatzes) und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133

Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (Punkt B a des Urteilssatzes)

schuldig erkannt. Darnach hat er

A) am 20.März 1984 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten

der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Gudrun

B durch den Vorwand, sie heiraten zu wollen,

ihr Geld durch seine guten Beziehungen zur Postsparkasse

günstig auf Sparbücher des genannten Geldinstitutes

anzulegen und in seinem Postschließfach für sie sicher

aufzubewahren, sohin durch Täuschung über Tatsachen, zur

Ausfolgung von

a) sechs Kapitalsparbücher der C für D E

F AG mit einem Einlagestand von insgesamt

759.903 S unter Bekanntgabe des Losungswortes,

b) einem nicht vinkulierten Sparbuch der G

Nr 605002-32461 mit einem Einlagestand von 356.000 S,

c) drei unterfertigte Barschecks gezogen auf ihr gedecktes

Giro-Konto bei der G über 200.000 S,

25.000 S

und

35.000 S

verleitet, wodurch sie einen Vermögensschaden in der Höhe von 1,375.903 S insgesamt erlitt;

B)a) ein ihm anvertrautes Gut von Gudrun B,

sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu

bereichern, und zwar:

1) am 28.März 1984 den Erlös des ihm zum kommissionsweisen Verkauf übergebenen PKW Marke Ford Taunus 1600 GL im Betrag von 31.000 S,

2) im April 1984 den ihm zum Wechseln und Erlag auf ein Sparbuch übergebenen Betrag von 8.000 DM, das sind 55.440 S. Der Sache nach nur diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5, 9 lit b und c des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Als Verfahrensmangel (Z 4) rügt die Beschwerde die Abweisung des vom Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung am 8. Mai 1985 (S 500/I) gestellten Antrages auf Einvernahme des Zeugen N. H darüber, daß in dem von Gudrun B - bei ihrer

Einvernahme in der Hauptverhandlung am 19.Dezember 1984 (S 329/I) - vorgelegten Brief dieses Zeugen der - nach der Behauptung der genannten Zeugin diesem Brief angeschlossene - Zettel mit der Liebeserklärung des Angeklagten darin nicht enthalten war, daß dieser Zeuge einen solchen Zettel vom Angeklagten nie erhalten habe und daher auch nicht diesem Brief anschließen konnte. Der Beschwerdeführer fühlt sich in seinen Verteidigungsrechten deshalb beeinträchtigt, weil dadurch die Glaubwürdigkeit der Zeugin Gudrun B hätte erschüttert werden können.

Rechtliche Beurteilung

Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor, weil dieses Beweisthema keine entscheidungswesentliche Tatsache, sondern nur einen völlig nebensächlichen Punkt betrifft, der für die Schuldfrage unerheblich ist. Abgesehen davon ist es nicht die Aufgabe des Gerichts, jede öußerung und jede Angabe eines Zeugen, die sich nicht auf entscheidende Tatsachen beziehen, unter allen Umständen auf ihre Richtigkeit und Glaubwürdigkeit zu prüfen und Beweise darüber abzuführen, ob solche Angaben der Wahrheit entsprechen (9 Os 41/79 uva).

Die Mängelrüge (Z 5) bekämpft die Urteilsfeststellung, daß

zwischen dem Angeklagten und Gudrun B keine

außereheliche Lebensgemeinschaft bestand.

Nach den hier maßgeblichen Konstatierungen lernte der verheiratete Angeklagte die (gleichfalls verheiratete) Zeugin B im September 1983 kennen, und verbrachte mit ihr im Dezember 1983 einen Schiurlaub (S 8/II). Er hatte von Beginn an nicht die Absicht, mit B eine Lebensgemeinschaft

einzugehen (S 13/II), sondern täuschte ihr nur vor, sie zu heiraten (S 11/II), wollte sich von seiner Frau aber nicht scheiden lassen (S 10, 13/II). B nächtigte zunächst zeitweise in der Wohnung der Mutter des Angeklagten (S 12/II), wohnte dann dort in der Folge bis 18.Juni 1984 (S 14/II). Während dieser Zeit kehrte sie jeweils an den Wochenenden in ihre eheliche Wohnung zurück und besorgte dort ihrem Gatten Siegfried B die Wäsche und die Wohnung; letzterer - der ebenso wie seine Gattin seine eigenen Wege ging - erfuhr von der Existenz des Angeklagten erst Ende Juli/Anfang August 1984. Auch in der Wohnung der Mutter des Angeklagten bestand zwischen dem Beschwerdeführer und der Zeugin B keine echte Lebensgemeinschaft; der Angeklagte

schlief zwar öfters bei ihr, kehrte jedoch immer wieder zu seiner Frau zurück, mit welcher er auch gemeinsam ein Haus in Schwechat einrichtete (S 14/II) und mit der er auch einen Urlaub in Athen, finanziert mit dem Geld der B, verbrachte (S 23/II). Gudrun B führte dem Angeklagten in der Wohnung seiner Mutter auch nicht den Haushalt, sondern machte ihm nur ab und zu Kaffee (S 14, 15, 23/II). Zwischen den beiden bestanden nur sexuelle Beziehungen; eine auf längere Dauer ausgerichtete, ihrem Wesen nach der Beziehung miteinander verheirateter Personen gleichkommende Wohnungs-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft lag aber nicht vor (S 14, 15, 23/II). Daß der Angeklagte von Anfang an nicht den Willen hatte, mit B eine Lebensgemeinschaft einzugehen, erschloß das Erstgericht auch daraus, daß er zur gleichen Zeit ein Verhältnis mit Susanne I hatte, welcher er gleichfalls vortäuschte, sie zu heiraten und der er ebenfalls Geld herauslockte (S 11, 24/II), ferner auch aus dem Umstand, daß er sich von seiner Frau nicht scheiden lassen wollte, und zwar auch zu einem Zeitpunkt, als diese im Juni 1984 ihrerseits an eine Ehescheidung dachte (S 25/II) und weil er dieser bei Gründung der 'A GesmbH' und bei ihrer Aufnahme als Einzelprokuristin in diese Firma über die dafür notwendigen Geldmittel falsche Angaben machte und sie über seine Beziehungen zu B damals nicht aufgeklärt hat (S 24/II). Der verschuldete Beschwerdeführer hatte sich vielmehr von Anfang an entschlossen, der in ihn verliebten und ihm vertrauenden B die Ersparnisse herauszulocken (S 9, 11, 19/II).

Der Angeklagte behauptet in seiner Mängelrüge zunächst der Sache nach eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung, weil sich das Schöffengericht nicht mit der Dauer des Zusammenwohnens des Angeklagten mit B in der Wohnung seiner Mutter und

später am Keplerplatz auseinandergesetzt habe und nicht einzelnen, für die Annahme der von ihm behaupteten Lebensgemeinschaft sprechenden Angaben der Zeugin B vor der Polizei

erörtert habe (Punkt 1 und 2 der Nichtigkeitsbeschwerde). So habe die Genannte dort angegeben, daß sie der Aufforderung des Angeklagten nachgekommen sei, in die Wohnung seiner Mutter einzuziehen; sie habe weiters die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt und auch von einem Zusammenleben mit dem Beschwerdeführer gesprochen. Bei einer weiteren Vernehmung am 1.August 1984 habe sie auch im Vergleich zu ihrer Aussage in der Hauptverhandlung unterschiedliche Angaben über die von ihr in die Wohnung der Mutter des Angeklagten mitgenommene Kleidung und Wäsche sowie über den Aufenthalt dort während der Woche gemacht.

Der behauptete Begründungsmangel liegt jedoch nicht vor. Das Erstgericht hat festgestellt, daß die Zeugin B

zeitweise in der Wohnung der Mutter des Angeklagten übernachtete (S 12/II) und bis Juni 1984 dort wohnte (S 14/II); es hat als erwiesen angenommen, daß während der gesamten Zeit des Aufenthaltes der Zeugin bei der Mutter des Beschwerdeführers zwischen ihr und dem Angeklagten nie eine Lebensgemeinschaft bestanden hat (vgl S 23/II) und war daher nicht verhalten, die Dauer dieses Aufenthaltes genau festzustellen. Die Verantwortung des Angeklagten über das Bestehen einer Lebensgemeinschaft hat das Erstgericht zur Gänze als unglaubwürdig abgelehnt; es mußte daher auch nicht den vollständigen Inhalt seiner Aussage, insbesondere seine - im übrigen mit der Darstellung der Zeugin B widersprechende,

vgl S 495/I - Behauptung über das Zusammenleben in einer Wohnung in der Keplerstraße gesondert erörtert.

Es war im Interesse einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) auch nicht verpflichtet, auf alle Details der Aussage der Zeugin B vor der Polizei einzugehen, weil diese in ihrem Gesamtzusammenhang gesehen (vgl S 15 bis 17 und S 23 bis 25) im Ergebnis nicht den Annahmen des Urteils, daß eine Lebensgemeinschaft nicht bestanden hat, widersprechen, der Zeugin in der Hauptverhandlung diese Angaben vorgehalten (vgl S 494/I) und im Urteil auch zu dem Zustandekommen dieser Aussage Stellung genommen wird (S 28/II).

Das Erstgericht hat auch ausführlich dargetan, daß die Aussagen der im Beweisverfahren vernommenen Zeugen keine Anhaltspunkte für das Bestehen einer Lebensgemeinschaft ergeben haben. Soweit in der Beschwerde dazu lediglich unsubstantiiert behauptet wird, daß diesen Zeugen eine 'gemeinsame Wirtschaftsführung ersichtlich' gewesen sei, ist dieses Vorbringen einer sachbezogenen Erörterung unzugänglich. Mit dem weiteren Beschwerdevorbringen wird kein Begründungsmangel des Urteils in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufgezeigt, sondern nach Art einer Schuldberufung nur versucht, aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens andere, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen zu ziehen, insbesondere aber die Glaubwürdigkeit der Zeugin Gudrun B zu

erschüttern. Dies gilt für das Vorbringen, daß der Angeklagte einen den tatsächlichen Schadensbetrag übersteigende Verpflichtungserklärung unterfertigte, zeige, daß zwischen ihm und der Zeugin ein besonders enges Verhältnis bestanden habe, sodaß deren Angaben unglaubwürdig seien (Punkt 3); der Umstand, daß der Beschwerdeführer erst Ende März 1984 von den Vermögensverhältnissen der Zeugin erfahren habe, lasse den Schluß zu, daß er kein Heiratsschwindler sei, sondern die Lebensgemeinschaft nur aus Liebe zur Zeugin aufgenommen habe (Punkt 4); ferner wenn behauptet wird, die einzige Motivation für die übergabe der Sparbücher an den Angeklagten könne nur gewesen sein, daß die Zeugin als Bankangestellte mit entsprechender Kenntnis über die Anlagemöglichkeiten dieses Geld nicht einem Telefonmonteur zur Vermögensanlage anvertraut hätte (Punkt 5). Wenn - unter übergehung der Urteilsfeststellungen, daß B ihr Geld dem Angeklagten nur zur besseren Vermögensanlage anvertraut hatte und mit einer anderen Verwendung nicht einverstanden war (S 11/II) und daß der Angeklagte sich nicht scheiden lassen wollte und nicht den Willen hatte, mit ihr eine Lebensgemeinschaft einzugehen (S 22, 24/II) - die Beschwerde auf die als unglaubwürdig abgelehnte Aussage des Angeklagten zurückgreift, daß die Anschaffung einer Wohnung in Schwechat für seine Gattin und das eheliche Kind nur deshalb erfolgte, um andererseits die eheliche Wohnung mit Gudrun B beziehen zu können, was für die Ernsthaftigkeit

seiner Absicht spreche, mit der Genannten zusammenzuleben, wird gleichfalls nur unzulässig die Beweiswürdigung des Erstgerichtes bekämpft (Punkt 6). Nicht entscheidungswesentlich ist, welchen Verwendungzweck zwei vom Angeklagten nach Behebung der Ersparnisse der B eröffneten Sparbücher hatten, ob diese jeweils als Kaution für die Wohnungen in Wien, Keplerplatz und in Schwechat herangezogen worden sind; genug daran, daß die Zeugin B nach den Urteilsfeststellungen nur mit einer günstigeren (zinsbringenderen) Veranlagung, nicht aber mit einer anderweitigen Verminderung ihrer Ersparnisse durch den Angeklagten einverstanden war (Punkt 8). Die Urteilsannahme, daß der Beschwerdeführer zur gleichen Zeit wie mit Gudrun B auch ein Verhältnis mit Susanne I hatte, stützte das Gericht auf seine Aussage vor der Polizei (S 17), sowie auf die Angaben dieser Zeugin, sie habe noch Ende 1983 Geschlechtsverkehr mit dem Beschwerdeführer gehabt und an ein Zusammenkommen mit ihm bis April 1984 geglaubt (S 19), sodaß auch die in der Beschwerde behauptete Aktenwidrigkeit hinsichtlich der Urteilsfeststellung, der Angeklagte habe zum selben Zeitpunkt, als er Gudrun B kannte und mit dieser intim war, auch mit Frau I Geschlechtsverkehr gehabt, nicht vorliegt. Neuerlich nur die Beweiswürdigung wird mit dem Vorbringen bekämpft, der Beschwerdeführer habe mit Gudrun B vom 6. März 1984 an zusammen gelebt und habe sie nach seiner Scheidung heiraten wollen, erst als die Ehegatten B wieder zusammengefunden hätten, und damit die übergabe der Sparbücher an den Angeklagten und auch alle Maßnahmen zur gemeinsamen Lebensführung die gedankliche Basis verloren hätten, sei es zu dieser Strafanzeige gekommen, weil eine Verfolgung in einem Offizialprozeß einfacher und kostensparender als im Rahmen einer Privatanklage sei. Denn daß auch andere als die vom Erstgericht gezogenen, für den Angeklagten günstigeren Schlußfolgerungen aus den Beweisergebnissen möglich waren, das Gericht sich aber dennoch für die ungünstigeren entschieden hat, ist ein Akt freier Beweiswürdigung, der mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht bekämpft werden kann (Punkt 9). Mit dem Vorbringen schließlich, das Erstgericht habe sich mit der Art der Verwendung des Geldes der Gudrun B durch den Angeklagten nicht auseinandergesetzt, welche nur für die Richtigkeit der Behauptung über die Lebensgemeinschaft mit Gudrun B sprechen,

versucht der Beschwerdeführer neuerlich, aus den Ergebnissen des Beweisverfahrens andere und für ihn günstigere Schlußfolgerungen zu ziehen, ohne jedoch einen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO aufzuzeigen.

Die Rechtsrüge geht davon aus, daß zwischen dem Angeklagten und der Zeugin B eine Lebensgemeinschaft bestanden habe und daher kein Offizialdelikt vorliege. Weil der geltend gemachte Subsumtionsirrtum demnach nicht, so wie dies das Gesetz für die Relevierung materieller Nichtigkeitsgründe erfordert, aus einem Vergleich des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes mit den in Betracht kommenden Tatbeständen des materiellen Strafrechtes abgeleitet wird, liegt keine gesetzmäßige Ausführung dieses Nichtigkeitsgrundes vor.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO), teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt (§ 285 d Abs 1 Z 1, 285 a Z 2 StPO) schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

über die Berufung des Angeklagten wird gesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

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