Spruch:
Den Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit ihren Berufungen werden die Ageklagten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 19.Oktober 1952 geborene Angestellte Peter A und der am 17.November 1955 geborene Kraftfahrer Maximilian B 1.) des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 1 StGB und 2.) des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil sie zu 1) in Diex die Ingeborg C mit Gewalt, indem sie dem Mädchen die Kleider vom Leib rissen, es auf ein Matratzenlager zerrten und dort festhielten, widerstandsunfähig machten und in diesem Zustand mehrfach zum außerehelichen Beischlaf mißbrauchten und zu 2) in Völkermarkt und Diex der Astrid D und der Herta E die persönliche Freiheit entzogen, indem sie die Genannten gegen deren Willen zum Wochenendhaus des A brachten und dort einsperrten.
Diese Schuldsprüche bekämpfen beide Angeklagte mit getrennt ausgeführten Nichtikgeitsbeschwerden. Wegen der über sie verhängten Strafen haben sie Berufung erhoben.
Rechtliche Beurteilung
Den Beschwerden kommt Berechtigung zu.
Zutreffend wenden die Angeklagten in ihren (zum Teil äußerst weitwendigen und verschiedentlich in eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung mündenden) Nichtigkeitsbeschwerden in Ansehung des unter Punkt 1) angeführten Schuldspruches unter Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO dem Sinne nach (auch) ein, daß der Ausspruch des Gerichtes über ihre Täterschaft mangelhaft begründet sei. Tatsächlich hat nämlich das Gericht die Urteilsannahme, die Angeklagten haben Ingeborg C unter dem Vorwand, auf eine Party mit mehreren Teilnehmern zu fahren, zu dem einschichtig gelegenen Wochenendhaus des (Vaters des) Peter A gelockt und dort mehrmals gegen ihren Willen geschlechtlich mißbraucht, (lediglich) auf die Angaben der Zeugin Ingeborg C gestützt, die es inhaltlich der Entscheidungsgründe für glaubhaft hielt, weil die Genannte ihre Bekundungen 'bestimmt und widerspruchslos' abgelegt hatte und keine Umstände hervorgekommen waren, die Zweifel an der Richtigkeit ihrer Aussage aufkommen ließen (S. 180 des Aktes). Bei letzterem Ausspruch hat es aber die in den Beschwerden angeführten Widersprüche mit Stillschweigen übergangen, die den Angaben der Zeugin C (über die Vorgeschichte der Tat und das Tatgeschehen selbst) anhaften und auch sonst in bezug auf die Aussage der Zeugin Veronika F (S. 170 ff. d.A.) bestehen. Gewiß ist es nicht Aufgabe des Gerichtes, Äußerungen eines Zeugen, die sich auf nicht entscheidende Tatsachen beziehen, unter allen Umständen auf ihre Richtigkeit und Glaubwürdigkeit zu prüfen und solche Depositionen im Urteil in allen Einzelheiten zu erörtern. Wohl aber muß das Gericht, will es sich dem Vorwurf einer mangelhaften Begründung seines Ausspruches über die Glaubwürdigkeit eines - wenn auch nur über Nebensächlichkeiten - widerspruchsvoll aussagenden Zeugen entziehen, auf dessen Bekundungen es entscheidungswesentliche Feststellungen stützt, in den Urteilsgründen doch zu erkennen geben, daß es die bei der Prüfung der Beweismittel im Sinne des § 258 Abs 2
StPO möglicherweise zwar nicht einzeln, unter Umständen aber wegen ihrer Vielzahl oder Qualität ins Gewicht fallenden Widersprüche erkannt und in den Kreis seiner die Glaubwürdigkeit und Beweiskraft betreffenden Erwägungen einbezogen hat, und aus diesem Grund in der Regel in gebotener Kürze (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) auch sagen, warum es diese Ergebnisse der Beweisaufnahme für nicht stichhältig angesehen hat. Dieser Begründungspflicht ist das Schöffengericht vorliegend in Ansehung des Schuldspruches wegen des Verbrechens nach § 201 Abs 1 StGB nicht nachgekommen, da es die in der Beschwerde angeführten zahlreichen - möglicherweise zwanglos aufklärbaren - Widersprüche in der Aussage der Zeugin C in den Entscheidungsgründen nicht einmal erwähnt, geschweige denn in der aufgezeigten Richtung erörtert hat.
Zutreffend ist aber auch der von den Beschwerdeführern sowohl in den Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO als auch in den Rechtsrügen gegen den Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 99 Abs 1 StGB
erhobene Einwand, es sei vom Schöffengericht - wiewohl auf Grund der Verantwortung der Angeklagten hiezu die Notwendigkeit bestand - im Urteil überhaupt nicht erörtert und festgestellt worden, wer von ihnen die Türe der Almhütte versperrt und den Schlüssel dazu versteckt hat. Einer Klarstellung dieses Umstandes hätte es in Ermangelung von ausdrücklichen Feststellungen über ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken der Angeklagten bei der Einschließung der beiden Mädchen bedurft, weil ja nur der den Schlüssel Besitzende (oder dessen Aufbewahrungsort Kennende) die Hüttentür versperren konnte und somit die Möglichkeit der Behebung der Sperre im Falle eines darauf abzielenden Ersuchens der (mit)eingeschlossenen Mädchen besaß.
Mit Recht wenden beide Angeklagte in diesem Zusammenhang gegen den Schuldspruch wegen Vergehens der Freiheitsentziehung ferner ein, daß das Urteil auch darüber keine Feststellung enthält, ob die Zeuginnen D und E überhaupt mit dem Ansinnen an sie herantraten, die Türe zu öffnen, um ihnen ein Verlassen der Hütte zu ermöglichen. Eine solche Feststellung wäre insbesondere wegen der im Urteil gleichfalls nicht abschließend erörterten Einlassung der Angeklagten erforderlich gewesen, man habe den Mädchen vor Antritt der Fahrt ohnedies gesagt, sie würden (erst) nach Hause gebracht, wenn sie (die Angeklagten) sich 'auf der Alm' ausgeschlafen haben. Daß sich die Beschwerdeführer nach den diesbezüglichen Urteilsannahmen (S. 182 d. A.) weigerten, mit den Mädchen weiterzufahren - sohin eine Ortsveränderung in einem von diesen gewünschten Sinn vorzunehmen - ersetzt eine derartige Feststellung nicht; denn es liegt das Wesen der Freiheitsentziehung nicht etwa darin, daß jemand daran gehindert wird, sich an einen bestimmten Ort zu begeben. Freiheitsentziehung liegt vielmehr vor, wenn es einer Person unmöglich gemacht wird, einen (umgrenzten) Ort zu verlassen und in diesem Sinn seinen Aufenthalt nach freiem Willen zu verändern.
Zutreffend ist letztlich auch der in den Beschwerden erhobene weitere Vorwurf, das Erstgericht habe die Verantwortung des Angeklagten A, er habe die Eingangstüre der Hütte (nur deswegen) abgesperrt, weil deren Verriegelung nicht richtig einrastete, so daß die Türe bei jedem leichten 'Zug' von selbst aufspringt (S. 134 d. A.), und den Schlüssel nicht versteckt, sondern gewohnheitsmäßig auf einen neben der Türe befindlichen Haken gehängt (S. 132 d. A.), ebenso mit Stillschweigen übergangen wie den diese Behauptungen stützenden Bericht des Gendarmeriepostenkommandos Völkermarkt vom 17.August 1978 (S. 99 ff. d.A.), der gleicherweise seinen Feststellungen zum subjektiven Tatbestand - wonach die Angeklagten die Türe versperrten, um die Mädchen am Verlassen der Hütte zu hindern (S. 185 d.A.) -
widerspricht.
Da sohin die dem Urteil anhaftenden Feststellungsund Begründungsmängel die Anordnung einer neuerlichen Hauptverhandlung erforderlich machen, war den berechtigten Nichtigkeitsbeschwerden, ohne daß es eines Eingehens auf deren sonstige Ausführungen bedurfte, gemäß § 285 e StPO mit Zustimmung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort Folge zu geben und somit über sämtliche Rechtsmittel spruchgemäß zu entscheiden.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)