OGH 12Os115/14z

OGH12Os115/14z15.1.2015

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Jänner 2015 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Dr. Oshidari sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Humer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Esther E***** und eine andere Angeklagte wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 15. Juli 2014, GZ 151 Hv 35/14w‑20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Knibbe, der Angeklagten, ihres Verteidigers RA Mag. Dr. Harrich und ihrer gesetzlichen Vertreterin Sylvia E***** zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0120OS00115.14Z.0115.000

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch und demzufolge auch in dem die Bewährungshilfe und eine Weisung anordnenden Beschluss nach §§ 50, 51 und 52 StGB aufgehoben und in diesem Umfang in der Sache selbst erkannt:

Esther E***** wird unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 5 Z 4 JGG nach § 84 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe wird unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftig gewordenen Freispruch der Mitangeklagten Alexandra W***** enthaltenden Urteil wurde die am 16. Juli 1999 geborene Angeklagte Esther E***** der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (A./), des Diebstahls nach § 127 StGB (B./1./), der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (B./2./), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B./3./), der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (C./1./), der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C./2./), der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (D./) und der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (E./) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB und des § 5 Z 4 JGG unter Bedachtnahme nach § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Februar 2014, AZ 163 Hv 13/14y, nach § 84 Abs 1 StGB zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Der Vollzug der Strafe wurde für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen und gemäß §§ 50, 51 und 52 StGB für die Angeklagte ‑ entgegen § 494 Abs 1 StPO mit in das Urteil aufgenommenen Beschluss ‑ Bewährungshilfe angeordnet und die Weisung erteilt, ein Antigewalttraining zu absolvieren.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat sie in W*****

A./ am 23. November 2013 Sarah S***** mit Gewalt zu einer Duldung, nämlich der Wegnahme eines Mobiltelefons genötigt, indem sie das Opfer zu Boden drückte, an den Haaren riss und ihm das Mobiltelefon aus der Tasche nahm, sowie es an die daneben stehende Alexandra W***** weitergab, um zu verhindern, dass Sarah S***** mit dem Handy telefoniere;

B./ am 15. August 2013

1./ fremde bewegliche Sachen, und zwar die Geldbörse des Christian Et***** und 90 Euro Bargeld mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

2./ ein fremdes unbares Zahlungsmittel, über das sie nicht verfügen durfte, und zwar die Bankomatkarte des Christian Et***** mit dem Vorsatz unterdrückt, dessen Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern;

3./ Urkunden, über die sie nicht verfügen durfte, und zwar eine E‑Card, einen Staplerschein sowie einen Kranschein des Christian Et***** mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes gebraucht werden;

C./ andere vorsätzlich am Körper verletzt und zwar

1./ am 17. Oktober 2013 ihre Großmutter Sylvia E*****, indem sie ihr Tritte gegen die Rippen und den Körper versetzte, wobei die Tat einen Bruch der sechsten und siebenten Rippe rechts sowie eine Prellung des rechten Fußes und eine Abschürfung am linken Knie, sohin eine an sich schwere Körperverletzung mit einer 24 Tage übersteigenden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte;

2./ am 18. November 2013 Sabrina B*****, indem sie auf ihrem Körper herumsprang und ihr mit dem Fuß ins Gesicht stieg, wodurch diese eine Schädelprellung, einen Bluterguss mit Abschürfungen im Bereich des linken Auges, Schleimhautläsionen im Bereich der Unterlippe, eine Brustkorbprellung rechts und eine Prellung im Bauchbereich erlitt;

D./ fremde Sachen beschädigt, und zwar

1./ am 7. Oktober 2013 die Eingangstür der Wohngemeinschaft A*****, indem sie mit dem Fuß dagegen trat;

2./ am 29. Oktober 2013 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit der unmündigen Jennifer R***** eine Tür, Lebensmittel und ein Wettex der Wohngemeinschaft A*****, indem sie die Lebensmittel gegen die Türe schleuderten und das Wettex in den eingeschalteten Backofen legten;

3./ am 13. November 2013 zwei Wände der Wohngemeinschaft A*****, indem sie mit den Füßen Löcher in die Wand trat;

4./ am 18. November 2013 zwei Parfums und weitere Kosmetikartikel der Sabrina B*****, indem sie die Gegenstände von einer Brücke warf;

5./ am 13. März 2014 eine Wand und drei Türen der Wohngemeinschaft A*****, indem sie die Scheibe der Türe mit der Hand einschlug und gegen die Wand sowie gegen zwei weitere Türen Fußtritte versetzte;

E./ am 13. März 2014 Claudia Ba***** durch die Äußerung, sie werde sie umbringen, mit zumindest der Zufügung einer Körperverletzung gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Strafausspruch aus Z 11 erster Fall des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt Berechtigung zu.

Die Verhängung einer Zusatzstrafe setzt nach § 31 Abs 1 erster Satz StGB voraus, dass jemand, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist, wegen einer anderen Tat verurteilt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in dem früheren Verfahren hätte abgeurteilt werden können. Diese Voraussetzung ist hier ‑ wie im Übrigen in den Entscheidungsgründen (US 11) ohnedies zutreffend ausgeführt wird ‑ in Betreff der den Schuldsprüchen D./5./ und E./ zu Grunde gelegenen Taten vom 13. März 2014 (US 9) in Ansehung des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 19. Februar 2014 (US 6) nicht gegeben, sodass das Schöffengericht durch die Verhängung einer Zusatzstrafe seine Strafbefugnis überschritten hat (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 671 mwN).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, im Strafausspruch und demzufolge auch in dem die Bewährungshilfe und eine Weisung anordnenden Beschluss nach §§ 50, 51 und 52 StGB aufzuheben.

Bei der durch die Aufhebung des Strafausspruchs erforderlichen ‑ nach § 84 Abs 1 StGB iVm § 28 Abs 1 StGB und § 5 Z 4 JGG innerhalb eines Rahmens bis zu eineinhalb Jahren Freiheitsstrafe vorzunehmenden ‑ Neubemessung der Strafe war bei der im Tatzeitraum noch 14-jährigen Esther E***** das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und der rasche Rückfall nach der Verurteilung zu AZ 163 Hv 13/14y des Landesgerichts für Strafsachen Wien in Ansehung der Schuldspruchpunkte D./5./ und E./ als erschwerend und demgegenüber das überwiegend reumütige Geständnis sowie die ungünstigen Erziehungsverhältnisse als mildernd zu werten.

Unter Berücksichtigung, dass die Angeklagte einen Großteil der dem Schuldspruch zu Grunde liegenden Taten vor der obgenannten Vorverurteilung begangen hat, und ihres Alters von unter 15 Jahren während des gesamten Deliktszeitraums entspricht die verhängte Sanktion von drei Monaten Freiheitsstrafe dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld der Angeklagten.

Die Anwendung des § 43 Abs 1 StGB ergibt sich aus den zur Strafbemessung dargestellten Erwägungen.

Die ‑ zwar in Beschlussform, jedoch rechtsfehlerhaft im Urteilsspruch erfolgte ‑ Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung einer Weisung war im Zusammenhang mit der Kassation des Strafausspruchs aufzuheben. Diese werden gegebenenfalls durch das Erstgericht in Form eines gesondert auszufertigenden Beschlusses neu vorzunehmen sein (vgl Schroll in WK2 StGB § 50 Rz 16).

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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