OGH 12Os112/96

OGH12Os112/9629.8.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. August 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fostel als Schriftführerin, in der beim Landesgericht Klagenfurt zum AZ 9 Vr 610/96 anhängigen Strafsache gegen Heribert M*****, geborener W*****, wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 23. Juli 1996, AZ 9 Bs 268, 274, 275/96, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Heribert M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Am 3. Juli 1996 erließ der Untersuchungsrichter gegen Heribert M***** Haftbefehl aus dem Grund des § 175 Abs 1 Z 4 StPO (ON 22). Mit Beschluß vom 4. Juli 1996 verhängte er über den Genannten die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b und lit d StPO (ON 28). Am 12. Juli 1996 ordnete er die Fortsetzung der Haft mit Wirksamkeit bis längstens 12. August 1996 an (ON 34).

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht den Beschwerden des Beschuldigten gegen den Haftbefehl und die Beschlüsse auf Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft nicht Folge und ordnete seinerseits die Fortsetzung der Haft aus den Gründen des § 180 Abs 2 Z 3 lit b und lit d StPO mit Wirksamkeit bis längstens 23. September 1996 an.

Dabei ging es davon aus, daß Heribert M***** des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB dringend verdächtig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz erhobene Grundrechtsbeschwerde, mit welcher die Dringlichkeit des Tatverdachtes und das Vorliegen eines Haftgrundes bestritten, ferner die Unverhältnismäßigkeit der Haft sowie deren Substituierbarkeit durch Anwendung gelinderer Mittel behauptet wird, geht fehl.

Den qualifizierten Tatverdacht, wonach Heribert M*****

bis zum 8. April 1996 wiederholt versucht habe, seine frühere Lebensgefährtin Ursula K***** durch Drohung mit dem Tod - teils unter Hinweis auf Amokläufer betreffende Zeitungsartikel und der Ankündigung, ebenso zu verfahren - zur Duldung des (zwar pflegschaftsgerichtlich genehmigten, von der Kindesmutter jedoch wegen Selbstmorddrohungen des Beschuldigten verweigerten) Besuches des gemeinsamen Kindes und zuletzt zu einer Autofahrt zu nötigen;

ferner - nach der am 19. April 1996 erfolgten Enthaftung aus der (daran anschließenden ersten) Untersuchungshaft gegen das Gelöbnis, die Voruntersuchung nicht zu vereiteln und den Umgang mit Ursula K***** zu meiden (S 96) - neuerlich deren Kontaktaufnahme und den Besuch des Kindes erzwingen wollte, indem er ihr in einem Brief vom 9. Mai 1995 mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz (als Hauptschullehrerin) drohte,

konnte das Oberlandesgericht auf die belastende Aussage der Zeugin Ursula K***** gründen, welche - auch hinsichtlich des Bedeutungsinhaltes der Äußerungen - durch Schriftstücke, deren Verfassung der Beschuldigte nicht bestreitet (S 109 f; 181-200; 207-209) sowie durch die bei ihm sichergestellten Zeitungsteile (S 145 und 147) und die Anzeige des Amtes der Kärntner Landesregierung (ON 20) gestützt wird.

Der Beschwerde zuwider sind die unterstellten Handlungen bei der gebotenen Anlegung eines objektiv-individuellen Maßstabes unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse der Bedrohten - als nicht pragmatisierte Lehrerin und Mutter des gemeinsamen Kindes - auch geeignet, dieser begründete Besorgnis einzuflößen.

Bei der Prüfung, ob eine Grundrechtsverletzung erfolgte, kann im Hinblick auf den dargestellten qualifizierten Verdacht des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung die Erörterung der Verdachtsintensität hinsichtlich weiterer Anschuldigungen unterbleiben (vgl 11 Os 58/96).

Entgegen der Beschwerde leitete der Gerichtshof zweiter Instanz auch die - mit diesen Taten in Zusammenhang stehenden - Haftgründe der Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b und lit d StPO zu Recht aus den - nach der Verdachtslage - wiederholten und ungeachtet der Enthaftung gegen Gelöbnis fortgesetzten Angriffen, ferner aus der (auch von der Zeugin Elke S***** beschriebenen) abnormen psychischen Reaktion, sowie aus dem Fortbestehen der Konfliktsituation (§ 180 Abs 3 StPO) zutreffend ab.

Bei der gegebenen Fallgestaltung steht dieser Gefahr das in der Beschwerde zitierte Gutachten des Sachverständigen Dr. S*****, der - ohne detaillierte Begründung (S 167-171) - zu dem Ergebnis gelangte, daß "nach Vorgeschichte und Befund" nicht davon gesprochen werden könne, "daß das Aggressionspotential des Beschuldigten außerhalb des Konfliktpotentiales die Norm wesentlich überschreiten würde", aber auch einräumte, daß "jeder stark affektiv überlagerte Konflikt im Intimbereich ein gewisses Risiko für abnorme Reaktionen (in sich) birgt", ersichtlich nicht entscheidend entgegen.

Da angesichts des beschriebenen Rückfalls eine neuerliche Substituierung der Haft durch gelindere Mittel (§ 180 Abs 5 StPO) nicht in Betracht kommt und von einer - in der Beschwerde nicht konkretisierten - Unverhältnismäßigkeit der bis zur Entscheidung des Gerichtshofes zweiter Instanz knapp über einen Monat währenden Untersuchungshaft in Ansehung der für das Verbrechen der schweren Nötigung mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren angedrohten Sanktion vorliegend keine Rede sein kann, war die Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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