European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2025:0120OS00110.24D.0129.000
Rechtsgebiet: Strafrecht
Fachgebiet: Jugendstrafsachen
Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in dem die Angeklagte * K* betreffenden Umfang (zur Gänze) sowie die diese Angeklagte betreffenden Beschlüsse gemäß §§ 494 Abs 1, 494a StPO aufgehoben, insoweit eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache dazu an das Landesgericht Linz verwiesen.
Auf diese Entscheidung werden die Angeklagte K* mit ihrer Berufung und Beschwerde sowie die Staatsanwaltschaft mit dem sich auf diese Angeklagte beziehenden Teil ihrer Berufung und der Beschwerde verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft im Übrigen kommt dem Oberlandesgericht Linz zu.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden * A* (I./A./ und I./C./), * T* (I./A./, I./B./ und I./D./), * M* (I./A./ und I./B./) und * K* (I./B./ und I./E./) des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB, (insoweit verfehlt) „teilweise iVm §§ 1 Abs 1 Z 12, 40 MedienG“ (zur strafbaren Handlung als Bezugspunkt des Schuldspruchs vgl aber Lendl, WK‑StPO § 260 Rz 27) sowie des Verbrechens der kriminellen Organisation nach § 278a „Z 1 bis 3“ (richtig: § 278a zweiter Fall) StGB, „teilweise iVm §§ 1 Abs 1 Z 12, 40 MedienG“ (alle zu II./) schuldig erkannt.
[2] Danach haben
„I./ sich im Wissen, dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen zu fördern und für die Ideologie des Islamischen Staates (IS) und für den von diesem geführten bewaffneten Glaubenskrieg zu werben, als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung, nämlich an der in der UN- und EU‑Sanktionsliste aufscheinenden Terrororganisation Islamischer Staat (IS) [= ꞌAl Qaida in Iraqꞌ], bei der es sich um einen auf Jahre, sohin auf längere Zeit angelegten Zusammenschluss von mehr als zwei Personen handelt, der darauf ausgerichtet ist, dass von einem oder mehreren Mitgliedern dieser Vereinigung eine oder mehrere terroristische Straftaten (§ 278c Abs 1 StGB), und zwar insbesondere Morde (§ 75 StGB), Körperverletzungen nach den §§ 83 bis 87 StGB, erpresserische Entführungen (§ 102 StGB), schwere Nötigungen (§ 106 StGB), schwere Sachbeschädigungen (§ 126 StGB), vorsätzliche Gefährdungen mit Sprengmitteln (§ 173 StGB) sowie Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten (§ 282a StGB) ausgeführt werden oder Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB) betrieben werde, beteiligt, und zwar:
A./ * A*, * T*, * M* gemeinsam mit * At* als Mittäter (§ 12 StGB) ab Beginn des Jahres 2023 bis 19. März 2023 (Inhaftierung des * B*) in L*, indem sie dem mittlerweile zu 9 Hv * des LG St. Pölten rechtskräftig verurteilten * B* gegenüber Propaganda für den IS machten, insbesondere dadurch, dass sie ihm gegenüber das Töten von Ungläubigen durch den IS guthießen und ihm ein Hinrichtungsvideo des IS zeigten, worauf eine gekreuzigte Person zu sehen ist, die schließlich mit einem Messer getötet wird, wobei A* das Handy in der Hand hielt und dabei sagte: ꞌJa, Kuffar werden abgestochen!ꞌ sowie A* dem B* außerdem ein IS‑Video vorführte, in dem ein IS‑Kämpfer einer anderen Person einen Rucksack mit einer Bombe umhängt, die durch die Detonation der Bombe in Stücke gerissen wird;
B./ * M*, * T* und * K* gemeinsam mit * At* als Mittäter (§ 12 StGB), indem sie ꞌzurückliegendꞌ [richtig aber: ab Mai 2023; vgl US 13] bis zur Hausdurchsuchung am 6. Juli 2023 in * T* in der von M* und K* bewohnten Wohnung * die Errichtung einer Moschee für Kleingruppen mit radikal-islamischer Gesinnung dadurch vorantrieben, dass M* dafür diese Wohnung anmietete und gemeinsam mit seiner Ehefrau nach islamischem Recht, * K*, einrichtete und bewohnte, wobei sie gemeinsam mit * At* und * T* den Umzug/Einzug in diese Wohnung bewerkstelligten und insbesondere das Wohnzimmer mit einem schwarzen Vorhang abtrennten, ein selbstgemaltes Bild der Flagge des Islamischen Staates sowie ein ꞌBuch des Jihadꞌ mit einer von * K* selbst gestalteten IS‑Flagge am Deckblatt im Bücherregal des abgetrennten Wohnzimmers ausstellten, und indem K* am 19. und 20. Juni 2023 ein Treffen mit den bereits rechtskräftig unter anderem wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB verurteilten * Ab* und * C* in der angeführten Wohnung abhielt;
C./ * A* alleine
1./ am 21. Juni 2023 an einem unbekannten Ort im Bundesgebiet, indem er mit seinem Mobiltelefon ein Video einer nachgestellten Enthauptung aufzeichnete und danach dem abgesondert verfolgten * S* (4 St 229/23t) sandte, in welchem S* als Täter und * A* als Opfer fungierten, wobei A* im Video spricht:
ꞌIch habe den Islam verlassen, weil es mir empfohlen wurde, ich habe gegen Allah gekämpft und heute ist mein Tag, an dem ich das rechten werde.ꞌ worauf S* sich mit erhobenem ꞌTauhid‑Fingerꞌ * A* annähert, dabei ꞌAllahu akbarꞌ spricht und mit seiner Hand eine Schneidebewegung am Hals des * A* imitiert, worauf dieser umfällt und am Boden liegen bleibt und S* danach spricht: ꞌDies ist eine Nachricht an die Murtadon (Abtrünnigen), so für steht Allah, wenn ihr murtad (abtrünnig) werdet, euer Blut ist halal.ꞌ
2./ am 18. Juni 2023 in W*, indem er in einem Telefongespräch mit * Abd* einen ꞌKemalꞌ als ꞌLöwenꞌ bezeichnete und in diesem Zusammenhang erwähnte, dass ꞌKemalꞌ (und andere) Ebu Tejma (= der zu 612 Hv * des LG für Strafsache[n] Wien rechtkräftig ua. wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB verurteilte * O*) höre;
3./ am 30. Mai 2023 in W*, indem er ein Video in einer WhatsApp-Gruppe mit ihm selbst und weiteren acht Teilnehmern teilte, dessen [im Urteil dargestelltes] Vorschaubild eine Flagge des Islamischen Staates zeigt:
4./ am 1. Juni 2023 in W*, indem er gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten * S* als Mittäter (§ 12 StGB) den Instagram-Account ꞌghuraba_bidnillah' erstellte und dessen Profil in arabischer Schrift mit den Worten ꞌBrüder auf Gottes Wegꞌ sowie in lateinischer Schrift mit den Worten ꞌDawahtul Islamiyaꞌ (= ꞌIslamischer Staatꞌ) betitelte;
5./ am 1. Juni 2023 in W*, indem er gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten * S* als Mittäter (§ 12 StGB) den TikTok-Account ꞌ@ghuraba_bidnillahꞌ erstellte und mit ꞌItaquallahꞌ (= fürchte Allah) bezeichnete, sowie ein Video hinterlegt mit dem Naschid ꞌCome Forwarꞌ mit folgendem [im Urteil dargestellten] Vorschaubild bezugnehmend auf den Tauhid postete:
6./ am 19. Juni 2023 in W*, indem er via WhatsApp * Ka* einen Link zu einem Bot des Ebu Tejma übermittelte und ihn mit den Worten ꞌGeh da rein!ꞌ aufforderte, die Inhalte des ꞌEbu Tejma – Botsꞌ zu konsumieren;
D./ * T* alleine
1./ am 4. Oktober 2022 in H*, indem er auf seinem Instagram‑Account ꞌalalmani95ꞌ einen vom Islamischen Staat produzierten Naschid mit der Bezeichnung ꞌDas Klirren der Schwerterꞌ veröffentlichte, wobei im Hintergrund ein arabischer Prediger zu hören ist, der von T* ins Deutsche übersetzt wird: ꞌDiejenigen, die mit ihm (gemeint: Prophet Mohammed) sind, sind hart gegen die Ungläubigen.ꞌ bzw. ꞌBei Allah, es ist nichts Gutes in uns, wenn wir diese Angriffe einfach so geschehen lassen, ohne Konsequenzen.ꞌ;
2./ am 17. Dezember 2022 in H*, indem er ein vom Islamischen Staat produziertes Video des * Al‑H* mit folgendem Text und nachfolgender am Screenshot ersichtlichen Flagge der IS‑Medienstelle per WhatsApp an * M* versandte:
Ihr werdet keinen Imam an Allah oder an den Jüngsten Tag haben solange ihr nicht Feindschaft gegen den Menschen hegt, der euch am nächsten steht wenn er Allah und Seinem Gesandten feindlich gesinnt war. Du findest keine Leute, die an Allah und den Jüngsten Tag glauben und denjenigen Zuneigung bezeigen, die Allah und Seinem Gesandten zuwiderhandeln. Auch wenn diese Väter wären oder ihre Söhne oder ihre Brüder oder ihre Sippenmitglieder. (58:22)
Und Allah, der Allmächtige und Erhabene, sagt: O die ihr glaubt, nehmt nicht eure Väter und eure Brüder zu Schutzherren wenn sie den Kufr mehr lieben als den Iman! Wer von euch sie zu Vertrauten nimmt, das sind die Ungerechten. (9:23)
Und dies ist die Millah von Ibrahim alayhi salam die Allah Seinem Propheten zu befolgen befahl und wer sich davon abwendet, der hat sich selbst getäuscht. Ihr habt doch ein schönes Vorbild in Ibrahim und denjenigen, die mit ihm waren, als sie zu ihrem Volk sagten: Wahrlich, wir sind von euch und von allem, was ihr außer Allah anbetet, unschuldig. Kafarna bikum! Kafarna bikum! Und zwischen uns und euch haben sich Feindschaft und Hass auf immer offenkundig gezeigt bis ihr an Allah allein glaubt. (60:40) Und wir können uns einige Aspekte dieses Befehls bei den Gefährten des Propheten ansehen. Es wurde von Imam Muslim authentisch überliefert, dass der Prophet sich über die Gefangenen von Abu Bakr (r.a) beriet. Abu Bakr sagte, man solle Lösegeld für sie verlangen. Dann beriet er sich mit Umar (r.a.) und Umar sagte, O Gesandter Allahs, ich bin der Meinung, dass Hamzah seinem Bruder Abbas und Aqil seinem Bruder Ali übergeben werden sollte. Und übergebt mit diesen und jenen, damit wir sie köpfen. Damit sie wissen, dass es in unserer Religion keine Nachsicht mit Kuffar gibt! Und es gibt keinen Ersatz für unsere Religion für die Ungläubigen! Denn der Kafir ist das Schlimmste der Schöpfung und der Lebewesen! Er hat weder einen Status auf dieser Erde noch irgendeine Würde. Wer Allah verachtet, den kann niemand ehren. Warum also lieben wir sie, warum preisen wir sie, warum bringen wir sie uns näher wenn Allah, der Erhabene, uns befohlen hat, sie zu vertreiben, ihnen gegenüber Feindseligkeit zu zeigen und Hass gegen sie zu hegen?
3./ am 30. Juni 2023 in H*, indem er ein Video mit nachfolgendem [im Urteil dargestellten] Standbild und nachfolgendem arabischen Naschid mit englischen Untertiteln gleichbedeutend mit der folgenden deutschen Übersetzung per WhatsApp an * Kaw* sandte:
Was wirst du zu deinem Rabbi sagen, wenn ein Mudschahid dir den Kragen um den Hals hält und sagt: ꞌO Rabb, frag ihn, warum er mich getötet hat?ꞌ Wirst du sagen: ꞌWeil er ein Kafir istꞌ? Ich schwöre bei Allah, wir sind keine Kuffar. Wir sind keine Khawarij. Ich schwöre bei Allah, wir sind keine Khawarijies. O Rabb, frag ihn, warum er mich getötet hat! Was wirst du antworten? Wirst du deinem Raab sagen, dass ich einen Mujaid Muhajir getötet habe, um ein Kufri-Bürgerrecht zu etablieren, von dem ich nicht weiß, was es bedeutet? Lerne, du armer Mann. Und lerne den Unterschied zwischen dem Zivilstaat und dem Islamischen Staat. Lerne du armer Mann, lerne wer die Khawarijies sindꞌ;
4./ am 10. Juni 2023 in H*, indem er einen Naschid des * Cu* mit dem Titel ꞌWacht doch aufꞌ per WhatsApp an eine unbekannte Person namens ꞌhizarꞌ versendete;
5./ zu nicht näher bekannten Zeiten seit Mai 2022, indem er den abgesondert verfolgten * N* (4 St * der StA Linz) auffordete, er solle sich Predigten von Ebu Tejma (alias * O*) anhören und ihm dessen Kanäle in sozialen Medien empfahl und indem er ihm Audiodateien des IS‑Terroristen Abu Usama al‑Gharib (alias * Ma*) via Telegram sendete;
E./ * K* alleine
1./ am 28. Juni 2023 in einen[m] Telefonat mit ihrem Ehemann nach islamischem Recht, * M*, diesen anwies, ꞌgutꞌ über Ebu Tejma zu denken (alias * O*, der ua. wegen § 278b StGB vom LG f. Strafsachen Wien (612 Hv *) zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde);
2./ zumindest in der Zeit von 1. Dezember 2022 bis 17. Mai 2023 in T* Vermögenswerte spendete, nämlich Geldbeträge von zumindest EUR 700,--, für den Spendenkanal auf Telegram mit der ID: * unter der Bezeichnung ꞌGebt ausꞌ, welcher sich zur Unterstützung von Ehefrauen und Witwen von IS‑Kämpfern bekennt und von * Sl*, gegen die in Deutschland ein Verfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland (IS – Islamischer Staat) geführt wird, indem sie entsprechende Überweisungen auf die im angeführten Spendenkanal bekanntgegebene Kontonummer durchführte;
II./ [sich] * A*, * T*, * M* und * K* durch die zu I./ genannten Handlungen an einer auf längere Zeit angelegten unternehmensähnlichen Verbindung einer größeren Zahl von Personen, nämlich der international agierenden Terrororganisation Islamischer Staat, die, wenn auch nicht ausschließlich, auf die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen, die das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder das Vermögen bedrohen, oder schwerwiegender strafbarer Handlungen im Bereich der sexuellen Ausbeutung von Menschen, der Schlepperei oder des unerlaubten Verkehrs mit Kampfmitteln oder Suchtmitteln ausgerichtet ist, indem sie seit zumindest dem Jahr 2011, jedenfalls aber ab dem 29. April 2014 mit der Ausrufung des ꞌKalifatsꞌ als ꞌIslamischer Staatꞌ in den von ihr eroberten und kontrollierten Gebieten im Irak und Syrien Städte und Dörfer zerstört und unter Anwendung besonderer Grausamkeit durch terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB, und zwar insbesondere Morde (§ 75 StGB), durch ihre Kräfte die Aufrechterhaltung des Kalifats in den eroberten Gebieten in Syrien und im Irak betreibt, wobei sie die sich nicht ihren Zielen unterordnende Zivilbevölkerung tötet und vertreibt, sich deren Vermögen aneignet, durch Geiselnahmen große Geldsummen erpresst, die vorgefundenen Kunstschätze veräußert und Bodenschätze zu ihrer Bereicherung ausbeutet, durch all diese Straftaten eine Bereicherung im großen Umfang anstrebt und Dritte durch angedrohte und ausgeführte Terroranschläge insbesondere in Syrien und im Irak, aber auch in Europa, einschüchtert und sich auf besondere Weise, nämlich durch Geheimhaltung ihres Aufbaus, ihrer Finanzstruktur, der personellen Zusammensetzung, der Organisation und der internen Kommunikation gegen Strafverfolgungsmaßnahmen abzuschirmen sucht, in dem Wissen (§ 5 Abs 3 StGB) als Mitglied beteiligt, dass sie dadurch diese Vereinigung und deren terroristische Straftaten nach § 278c Abs 1 StGB zur Erreichung des Ziels, insbesondere im Irak und in Syrien einen radikal-islamistischen Gottesstaat zu errichten, fördern.“
[3] Die Einfügung von Kopien von Bilddateien in die Urteilssprüche zu I./C./3./ und 5./ sowie I./D./2./ gibt zunächst Anlass zur Bemerkung, dass derartige Darstellungen zur Individualisierungsfunktion des § 260 Abs 1 Z 1 StPO (vgl dazu Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren 8.189 ff)nichts beitragen (vgl auch 12 Os 146/15k).
Rechtliche Beurteilung
[4] Die gegen das Urteil aus Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten K* ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – berechtigt.
[5] 1./ Nach den wesentlichen Feststellungen zu I./B./ und II./ (US 13 f) mieteten die Angeklagte und der Mitangeklagte M* eine Wohnung zwecks Errichtung einer Moschee für „gleich radikal-islamisch Gesinnte“ an, wobei ein Teil des Wohnzimmers – durch einen Vorhang abgetrennt – zu einem Gebetsraum umfunktioniert wurde. In diesem Raum befand sich ein selbst gestaltetes Bild der Flagge des Islamischen Staates, ein „Buch des Jihad“ mit einer von der Beschwerdeführerin selbst gestalteten IS‑Flagge am Deckblatt. Im Abstellraum der Wohnung befand sich ein weiteres selbstgemaltes Bild mit IS‑Symbol. Auch eine IS‑Broschüre lag auf. In der derart eingerichteten Wohnung wurde auch bereits Besuch empfangen, indem K* am 19. und am 20. Juni 2023 ein Treffen mit den bereits rechtskräftig unter anderem wegen des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB verurteilten * Ab* und * C* abhielt.
[6] Ausgehend davon zeigt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zutreffend auf, dass die Feststellungen die Subsumtion nach § 278b Abs 2 StGB nicht tragen. Denn die (wissentliche) Beteiligung als Mitglied nach § 278 Abs 3 dritter Fall StGB (iVm § 278b Abs 2 StGB) setzt ein die Ziele des jeweils verpönten Zusammenschlusses unterstützendes Verhalten des Täters (Reindl‑Krauskopf/Salimi,SbgK § 278 Rz 60) im Sinn eines vereinigungs- (I./B./) oder organisationsbezogenen (II./) Tätigwerdens (vgl dazu RIS‑Justiz RS0116479) voraus. Die konstatierte Abhaltung eines Treffens mit (wenn auch einschlägig vorbelasteten) Personen reicht – ohne Hinzutreten weiterer Tatumstände – dafür nicht. Die weiteren Konstatierungen beschreiben ebenfalls kein verpöntes Handeln der Beschwerdeführerin, sondern erschöpfen sich in einer bloßen Zustandsbeschreibung der Gegebenheiten in der Wohnung auf Basis der Wahrnehmungen bei ihrer Durchsuchung (vgl US 19 iVm ON 32).
[7] Bleibt lediglich der Vollständigkeit halber festzuhalten, dass das im Referat der entscheidenden Tatsachen beschriebene Verhalten der Angeklagten K* die fehlenden Konstatierungen im Urteil nicht zu ersetzen vermag (vgl RIS‑Justiz RS0114639 [insb T13]).
[8] 2./ Das Vorgesagte gilt sinngemäß für die der Angeklagten zu I./E./1./ (und II./) angelastete Tathandlung. Dem Urteil ist lediglich eine Aufforderung der Angeklagten an den Mitangeklagten M* zu entnehmen, über den wegen § 278b StGB verurteilten „Ebu Tejma“ gut zu denken (US 15). Mangels Feststellungen zu einem allfälligen, über den engeren Wortsinn hinausgehenden Bedeutungsinhalt dieser Äußerung liegt auch insoweit kein subsumtionsfähiges Sachverhaltssubstrat vor.
[9] 3./ Zum Schuldspruchfaktum I./E./2./ (und II./) zeigt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) schließlich zutreffend ein Begründungsdefizit hinsichtlich der Feststellungen zur subjektiven Tatseite auf, welche die Tatrichter allein mit dem (angeblich) abgelegten Geständnis der Beschwerdeführerin begründeten (US 22). Ein solches lag aber hinsichtlich einer wissentlichen Tatbegehung (§ 5 Abs 3 StGB) gar nicht vor. Denn die Angeklagte gestand in der Hauptverhandlung lediglich ein, einen „Fehler“ gemacht zu haben, deponierte aber unter einem, dass sie „nicht recht viel darüber nachgedacht“ und „nicht gewusst“ habe, dass das „nicht etwas Offizielles“ ist (ON 213 S 21).
[10] Die vorliegenden Begründungs- und Rechtsfehler erfordern die Urteilsaufhebung bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) wie im Spruch ersichtlich. Es bedurfte daher keines Eingehens auf die weiteren Rechtsmittelausführungen.
[11] Auf diese Entscheidung waren die Angeklagte mit ihrer Berufung und Beschwerde sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer sich auf diese Angeklagte beziehenden Berufung und Beschwerde zu verweisen.
Bleibt mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO anzumerken:
[12] Hinsichtlich der Angeklagten A*, T* und M* ist dem Urteilssachverhalt zu den Fakten I./B./, I./C./ und I./D./ (und II./) ebenfalls nicht zu entnehmen, auf welche Weise die Terrororganisation Islamischer Staat jeweils in ihrem Bestand oder in ihren Aktivitäten gefördert werden sollte.
[13] Hingegen ergeben die zum Schuldspruch I./A./ getroffenen Feststellungen in ihrer Gesamtheit (US 12, 15, 24), dass * B* durch die genannten Angeklagten für den Islamischen Staat angeworben werden sollte (zur Tathandlung des Anwerbens vgl Sadoghi, SbgK § 278b Rz 65). Dieser Urteilssachverhalt trägt somit die Subsumtion nach § 278a zweiter Fall StGB und § 278b Abs 2 StGB.
[14] Nach den Feststellungen bildet das insgesamt zu I./ und II./ abgeurteilte Verhalten jeweils eine tatbestandliche Handlungseinheit, weil diese Angeklagten den weiteren Konstatierungen zufolge (US 15 f) das gesamte Geschehen in ihren (einheitlichen) Vorsatz aufnahmen (RIS‑Justiz RS0124166; Plöchl in WK2 StGB § 278b Rz 17, § 278a Rz 32, § 278 Rz 71).
[15] Damit beziehen sich aber die eingangs erwähnten Feststellungsdefizite – wie von der Generalprokuratur zutreffend ausgeführt – auf bloße Teilabschnitte von jeweils tatbestandlichen Handlungseinheiten (I./ und II./), die ohne Einfluss auf die erfolgten Schuldsprüche der genannten Angeklagten bleiben.
[16] Die Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft im Übrigen kommt dem Oberlandesgericht zu.
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