OGH 12Os108/99

OGH12Os108/9928.10.1999

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 1999 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Mittermayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mario G***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens nach § 3f VG und anderer strafbarer Handlungen über Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Roland S***** sowie die Berufungen der Angeklagten Mario G***** und Markus S***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Jugendgerichtshof Wien vom 23. Juni 1999, GZ 2 Vr 159/99-76, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, der Angeklagten Mario G*****, Roland S***** und Markus S*****, sowie deren Verteidiger Mag. Jakauby, Dr. Ainedter und Dr. Zaufal, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch gegen einen weiteren Angeklagten enthält, wurden Mario G***** des Verbrechens nach § 3f VG (A/II) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (C), sowie Roland S***** und Markus Se***** der Verbrechen nach § 3f VG (A/I und II) und § 3g VG (B/I und II), Roland S***** überdies des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (D) schuldig erkannt.

Darnach haben in Wien

(zu A) als Mittel der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn

I. Roland S***** und Markus Se***** vom 23. auf den 24. August 1998 an der Wotrubakirche durch Anbringen mehrerer Hakenkreuze und SS-Zeichen in Verbindung mit den Schriftzügen "Sieg Heil" und "Jesus, du Judensau - raus" mit Lackspray eine strafbare Handlung nach den §§ 125, 126 Abs 1 Z 1 StGB vollbracht;

II. Mario G*****, Roland S***** und Markus Se***** dadurch, daß sie gegen nachstehende Einrichtungen Molotowcocktails warfen, Brandstiftungen versucht, und zwar

1. am 15. Februar 1999

a) am Lokal "Gemeinschaft BIH",

b) am Lokal "Alisa";

2. am 18. Februar 1999 an einem Wohnblock des von Asylanten bewohnten "Josef Afritsch Heimes";

(zu B) Roland S***** und Markus Se***** sich auf andere als in den §§ 3a bis f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, und zwar

I. im August 1998 in Wien 16, Steinbruchwiese, und am Turm der Jubiläumswarte durch Anbringen von Hakenkreuze und SS-Zeichen sowie der Schriftzüge "Sieg Heil" und "Kanake, wir kriegen dich";

II. am 23./24. August 1998 im Sternengarten Georgenberg durch Anbringen von Hakenkreuzen, SS-Zeichen und der Schriftzüge "Ostmark wir rufen dich; Sieg Heil";

(zu C) Mario G***** am 2. Oktober 1998 dadurch, daß er mit einem Signalstift auf Wolfgang Gr***** zielte und ihn aufforderte, sich "zu schleichen, weil sonst die Kugel losgehe", diesen durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich zum Verlassen des Platzes, genötigt;

(zu D) Roland S***** vom 13. Februar 1994 bis zum 24. März 1999 einen Schlagring, mithin eine verbotene Waffe (§ 17 Abs 1 Z 6 WaffG), unbefugt besessen.

Diesen Schuldsprüchen liegt die Bejahung entsprechender Hauptfragen (1 bis 9) zugrunde. Eventualfragen blieben demgemäß unbeantwortet.

Der dagegen - nach Zurückziehung der Nichtigkeitsbeschwerde durch den Angeklagten Markus S***** im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof - aus Z 4, 6, 8 und 13 des § 345 Abs 1 StPO allein erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4 iVm § 250 StPO) wurde dem Beschwerdeführer nach Konfrontation mit der vom Mitangeklagten G***** im Rahmen seiner polizeilichen Aussage sinngemäß behaupteten nationalsozialistischen Einstellung (269 f/I) in der Hauptverhandlung ohnehin Gelegenheit gegeben, sich dazu zu äußern. Er hat davon durch Bezeichnung dieser Angaben als übertrieben (361/II) auch Gebrauch gemacht, sodaß der Umstand, daß er nicht auch noch davon in Kenntnis gesetzt wurde, daß der (teilweise) in seiner Abwesenheit vernommene Angeklagte G***** diese allein ihn selbst betreffende Veranwortung widerrufen hat (341/II), unzweifelhaft ohne jeden nachteiligen Einfluß auf die den Beschwerdeführer betreffende Entscheidung blieb (§ 281 Abs 3 StPO).

Da die Geschworenen zum Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (Punkt D) ohnehin vollständig dahingehend unterrichtet wurden, daß dieser Tatbestand vorsätzliches oder zumindest fahrlässiges Zuwiderhandeln voraussetzt, entsprach die bemängelte Fragestellung (Z 6) nach dem Waffendelikt (Hauptfrage 6) auch ohne Anführung subjektiver Tatkomponenten der Vorschrift des § 312 Abs 1 StPO.

Es versagt aber auch der weitere Einwand (Z 8), die Rechtsbelehrung zu den Hauptfragen 3 und 4 (Schuldsprüche A/I. und II.) sei wegen angeblicher Überbetonung des objektiven Tatbestandes und auch deswegen, weil die subjektiven Voraussetzungen zu dem Verbrechen der Brandstiftung als das dem § 3f VG hier unterstellte Delikt nicht gesondert angeführt worden seien, geeignet gewesen, die Laienrichter zu beirren. Denn die Belehrung ist von den Geschworenen als Ganzes zur Kenntnis zu nehmen und daher bei ihrer Prüfung nicht nach Teilstücken zu betrachten (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 8 E 50). Unter diesem Aspekt ist es angesichts der zu den relevierten Fragen im besonderen erteilten Instruktionen in Verbindung mit den zusammenfassend vorangestellten Erläuterungen auszuschließen, daß den Geschworenen eine Tatbeurteilung allein nach dem äußeren Geschehen nahegelegt worden sein könnte oder daß sie zu den Vorsatzerfordernissen bei den Brandstiftungsversuchen allenfalls hätten beirrt werden können (siehe S 4 und 6 der Rechtsbelehrung).

Aus demselben Grund sind aber die inhaltsgleichen Argumente (Z 8) gegen die Rechtsbelehrung zur Hauptfrage 5 (Schuldspruch B/I. und II. wegen des Verbrechens nach § 3g VG) gleichfalls unberechtigt.

Es trifft weiters nicht zu, daß das vom Tatbestand des § 3f VG umfaßte Versuchen oder Vollbringen einer der dort genannten strafbaren Handlungen "als Mittel" der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn subjektiv absichtliches Handeln nach § 5 Abs 2 StGB verlangt. Der Gesetzeswortlaut stellt vielmehr bloß auf einen besonders unwertbelasteten Konnex bestimmter Straftaten mit nationalsozialistischer Betätigung ab, ohne daß daraus ein besonderes Vorsatzerfordernis abgeleitet werden kann. In der Rechtsbelehrung war daher auf Absichtlichkeit nicht einzugehen.

Ob die Triebfeder einer - wie hier spezifisch und massiv an nationalsozialistischen Vorgaben orientierten - Tatbestandsverwirklichung nach dem Verbotsgesetz in Mutwillen, Abenteuerlust, Provokationsstreben, Protest oder Suche nach "Nervenkitzel" liegt, betrifft das hier unerhebliche Motiv und nicht den Tatvorsatz. Die darauf gerichtete Verantwortung des Angeklagten S***** erforderte demnach keine nähere Erläuterung in der Rechtsbelehrung.

Für den Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 13 StPO ist im Gegensatz zur Beschwerdeauffassung nicht entscheidend, ob eine Unrechtsfolge unvertretbar oder unangemessen ist, sondern nur, ob das Gericht für die ausgesprochene Sanktion Kriterien heranzog, die dem im Gesetz normierten Strafbemessungsvorschriften in unvertretbarer Weise widersprechen (SSt 59/24). Davon kann bei Bedachtnahme auf das Alter von knapp über 19 Jahren bei Begehung der strafsatzbestimmenden Taten (A/II.) sowie auf spezial- und generalpräventive Aspekte im Rahmen der Strafzumessungserwägungen des Erstgerichtes keine Rede sein (Leukauf/Steininger Komm3 § 32 RN 9 bis 11).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschworenengericht bei allen Angeklagten die Tatwiederholung und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen als erschwerend und berücksichtigte demgegenüber als mildernd ihr Tatsachengeständnis, bei Roland S***** und Markus Se***** überdies ihren bisherigen ordentlichen Lebenswandel und ihr Alter unter 21 Jahren, bei Mario G***** auch eine mindergünstige Erziehungssituation und leicht eingeschränkte intellektuelle Ausstattung.

Davon ausgehend verhängte es nach dem ersten Strafsatz des § 3f VG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB, teilweise auch des § 41 Abs 1 StGB, je fünf Jahre Freiheitsstrafe über die Angeklagten Roland S***** und Markus Se*****, sowie unter Anwendung des § 5 Z 3 JGG zwei Jahre Freiheitsstrafe über den Angeklagten Mario G*****.

Mit ihren dagegen gerichteten Berufungen streben die Angeklagten eine Herabsetzung der Strafen und deren zumindest teilweise bedingte Nachsicht an, vermögen dafür jedoch keinen berücksichtigungswürdigen Grund anzuführen.

Indem das Erstgericht über Roland S***** und Markus Se***** in großzügiger Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung jeweils nur die Hälfte der gesetzlichen Mindeststrafe verhängte, in der gefundenen Sanktion somit auch im Mittelbereich des für Jugendliche geltenden Strafrahmens blieb (§ 5 Z 3 JGG), und diesen bei Mario G***** nur zu einem Fünftel ausschöpfte, trug es dem Umstand, daß die Angeklagten S***** und Se***** bei Begehung der strafbaren Handlungen zum Großteil noch jugendlich (A/I, II/1.; B) und im übrigen (A/II/2) nur knapp über 19 Jahre alt waren, ebenso ausreichend Rechnung wie der Altersdifferenz zu ihrem jugendlichen Komplizen. Eine weitere Strafreduktion ist bei gebührender Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Straffalles bei keinem Angeklagten gerechtfertigt.

Sie verbietet sich schon aufgrund des hohen Unrechtsgehaltes der Taten (zu A/II), wie er im gezielten Werfen von nicht nur eigentumssondern auch lebensbedrohenden Brandsprengsätzen auf Wohnungen oder Lokale von Ausländern und der darin gelegenen brutalen Terrorisierung einer derartigen Angriffen - mit einem vorweg im Einzelfall gar nicht eingrenzbaren Gefahrenradius - wehrlos ausgelieferten Bevölkerungsgruppe sinnfällig zum Ausdruck kommt.

Eine Herabsetzung der Strafen kommt aber auch im Hinblick auf die im Rechtsradikalen-Milieu Jugendlicher stark in Vordergrund stehenden generalpräventiven Straferfordernisse zur wirksamen Abschreckung Gleichgesinnter nicht in Betracht, zeigt doch gerade dieser potentielle Täterkreis - wie auch die Verantwortung der Angeklagten mit dem Hinweis auf einen ähnliche Vorkommnisse zeigenden Film als ausführungsfördernde Tatinspiration belegt - eine regelmäßig ausgeprägte Anfälligkeit für die Nachahmung einschlägiger verbrecherischer Angriffe.

Daß die Brandanschläge (zu A/II.) in concreto nur unbedeutende Folgen nach sich zogen, weil es zum Ausbruch einer Feuersbrunst nicht kam, ist ein durch ungewollte Mängel bei der Herstellung der sogenannten "Molotowcocktails" bedingter Zufall und somit kein Grund zu einer anderen Sicht.

Eine Sanktionsorientierung an vergleichsweise ins Treffen geführten Unrechtsfolgen in anderen Strafverfahren kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil für den erkennenden Senat die dort für die personale Täterschuld maßgebenden Faktoren nicht beurteilbar sind.

Eine mildere Beurteilung ist aber auch damit nicht zu rechtfertigen, daß die Angeklagten im Sinne ihrer Berufungen keiner nationalsozialistischen Organisation angehören, daß Roland S***** durch die Brandanschläge angeblich seinen Protest gegen drogenkriminelle Ausländer zum Ausdruck bringen wollte und Markus Se***** dazu aus Rache für behauptete Angriffe türkischer Gastarbeiterkinder während seiner Schulzeit animiert worden sein soll.

Mario G***** ist als eine ausgesprochen aggressive (ON 19/I; 259, 261/I) und nach der Aktenlage entgegen seinem Berufungsvorbringen sehr wohl auch als eine im nationalsozialistischen Sinn fanatische Persönlichkeit einzustufen (269 f, insb 287/I). Davon ausgehend kommt bei Bedachtnahme auf die ihn betreffende durchaus maßvolle Sanktion von zwei Jahren Freiheitsstrafe auch dann die gewünschte Strafkorrektur nicht in Frage, wenn - im Gegensatz zum schwerwiegerenden Anschlag auf das Asylantenheim (A/II/2.) - seine untergeordnete Beteiligung an den Verbrechen laut Punkt A/II/1. des Schuldspruchs in Rechnung gestellt wird. Daß er diese Verbrechen unter der Einwirkung von Markus S***** begangen hat, hat angesichts der in seiner eigenen Verantwortung zum Ausdruck kommenden prompten Mitwirkungsbereitschaft (279, 287/I) nur marginale Bedeutung, sodaß auch diesen Faktoren nicht jenes Gewicht zukommt, das eine Herabsetzung der Strafe ermöglichen könnte.

Mit allen übrigen Einwänden gegen die Strafhöhe sind die Berufungen nicht am Akteninhalt oder Wahrspruch orientiert:

Dies gilt für die behauptete untergeordnete Beteiligung des Roland S***** (zu A/II; vgl 213 f, 217/I; 399, 407, 413, 415/II) und dessen angeblich rechtsirriges Nichterkennen einer tatimmanenten nationalsozialistischen Wiederbetätigung (zu A und B) in gleicher Weise wie für das Vorbringen, Markus Se***** habe bei Verübung der Verbrechen (zu A und B) keine politischen Ziele verfolgt. Da Mario G***** die subjektiven Tatbestandskomponenten nicht einbekannt hat (335/II), ist auch die von ihm aufgestellte Behauptung falsch, er habe ein volles und reumütiges Geständnis abgelegt. Da ein Tatsachengeständnis im übrigen keinen Milderungsgrund darstellt, kann dieser erstgerichtliche Strafzumessungsgrund (§ 34 Z 17 StGB) - wie auch bei allen anderen Angeklagten - überhaupt nur unter dem Aspekt eines wesentlichen Beitrags zur Wahrheitsfindung aufrecht erhalten werden.

Die darüberhinaus begehrte gänzliche - oder teilweise bedingte Strafnachsicht begegnet nicht nur (aus schon dargelegten Erwägungen) generalpräventiven Bedenken, sondern ist aufgrund der - altersunabhängig extrem und spezifisch in nationalsozialistischem Geist - ausgeprägten radikalen Aggressionsbereitschaft der Angeklagten, die im übrigen auch durch die Integration in der angeblich intakten Familie von Markus Se***** bisher nicht verhindert werden konnte, überdies auch aus spezialpräventiver Sicht nicht gerechtfertigt. Ein Gesinnungswandel während der Haft, wie ihn Markus Se***** und Mario G***** behaupten, entzieht sich derzeit jedweder zuverlässigen Überprüfbarkeit. Dafür in Zukunft möglicherweise verläßliche Anzeichen könnten demnach nach Lage des Falles nur als Beurteilungskriterien zur Problematik einer bedingten Entlassung in Betracht gezogen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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