Spruch:
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen (hinsichtlich der Teilfreisprüche) unberührt bleibt, gemäß § 290 Abs 1 StPO im Schuldspruch zu Punkt A, gemäß § 289 StPO auch im Schuldspruch zu Punkt B und demzufolge auch im Strafausspruch sowie in der Abschöpfung der Bereicherung aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Teilfreisprüche enthält, wurde Christoph A***** der teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs gebliebenen Verbrechen nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall SMG, § 15 Abs 1 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB (A) sowie der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG (B) schuldig erkannt. Danach hat er in Linz den bestehenden Vorschriften zuwider
A) gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6 SMG) in Verkehr gesetzt, wobei es teilweise beim Versuch geblieben ist, und zwar dadurch, dass er
1. vom 4. August 2001 bis Ende September 2001 zirka acht bis zwölf Stück Ecstasy-Tabletten an Klara S***** zum Stückpreis von 200 S weiterverkaufte;
2. von Anfang Oktober 2001 bis Anfang Februar 2002 Klara S***** dazu bestimmte, für ihn mindestens 780 Ecstasy-Tabletten an Elisabeth H*****, Lisa S***** sowie an zahlreiche weitere unbekannte Abnehmer zum Stückpreis von 200 S bzw 15 EUR gewinnbringend zu verkaufen und ihm den Erlös zu übergeben;
B) von Oktober 2001 bis Februar 2002 dadurch, dass er unbekannte
Mengen Ecstasy-Tabletten und Speed an Klara S***** übergab, Suchtgift erworben, besessen und einem anderen überlassen.
Mit seiner nominell auch auf die Z 9 lit a und 11, inhaltlich jedoch bloß auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte - trotz des formell umfassenden Aufhebungsantrages - der Sache nach allein den Schuldspruchpunkt A.
Rechtliche Beurteilung
Aus ihrem Anlass hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt (§ 290 Abs 1 StPO), dass der Schuldspruchpunkt A sowie das Abschöpfungserkenntnis mit vom Angeklagten nicht geltend gemachten materiellen Nichtigkeiten (§ 281 Abs 1 Z 10 und 11 dritter Fall StPO) behaftet sind, die sich zu seinem Nachteil auswirken:
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen enthielten die vom Angeklagten teilweise selbst ( 1.) bzw für ihn durch Klara S*****
(2.) sukzessiv in zahlreichen Teilakten und mit Additionsvorsatz gewinnbringend in Verkehr gesetzten 790 Ecstasy-Tabletten 45,82 Gramm reines MDMA oder einen anderen suchtgifthältigen Wirkstoff (US 6). In der rechtlichen Beurteilung wird lediglich ausgeführt, dass die für MDMA relevante Grenzmenge von 30 Gramm beim Inverkehrsetzen von 517 Stück Ecstasy-Tabletten erreicht ist (US 9).
Da in der Suchtgift-Grenzmengenverordnung (SGV) suchtgifthältige Substanzen aufgelistet sind, deren Grenzmenge 50 Gramm und mehr beträgt, steht bei der vorerwähnten Alternativannahme nicht fest, welcher Wirkstoff in den vom Schuldspruchpunkt A umfassten 790 Ecstasy-Tabletten enthalten war und ob durch deren Verkauf eine große Suchtgiftmenge im Sinn des § 28 Abs 6 SMG in Verkehr gesetzt wurde. Angesicht dieses Feststellungsmangels (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) zur großen Menge fehlt es an den Voraussetzungen für die Subsumtion der Tat unter § 28 Abs 2 SMG, wodurch auch der Anwendung des § 28 Abs 3 erster Satz erster Fall SMG die Grundlage entzogen ist (vgl 13 Os 169/01, 15 Os 82/03).
Da nach Aufhebung eines Schuldspruches nach § 28 Abs 2 vierter Fall SMG bei Fraglichkeit der Beurteilung einer in Verkehr gesetzten Menge als groß (§ 28 Abs 6 SMG) auch jene Annahmen, die einen insoweit (nicht erfolgten) Schuldspruch wegen § 27 Abs 1 sechster Fall, Abs 2 Z 2 erster Fall SMG allenfalls zu tragen vermöchten, für sich allein nicht bestehen bleiben, ist die Kassation des gesamten Schuldspruches A erforderlich (§ 285e StPO; 15 Os 138/01; 12 Os 3/03; 15 Os 82/03). Dies hat auch die Aufhebung des Schuldspruches B (Vergehen nach § 27 Abs 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG) zur Konsequenz (§ 289 StPO; vgl 13 Os 83/04), um - nach Abklärung der in den Ecstasy-Tabletten und im "Speed" enthaltenen Suchtmittelsubstanz - eine (für den Fall der Erledigung des Anklagevorwurfes wegen Verbrechens [A] auf andere Weise als durch Schuldspruch) allfällige gesetzlich gebotene Diversion (hier: §§ 35 Abs 2, 37 SMG) zu eröffnen (12 Os 69/04).
Die Kassation der Schuldsprüche führt auch zur Aufhebung des Abschöpfungserkenntnisses. Davon abgesehen hat das Schöffengericht angesichts des die Grenze des § 20a Abs 2 Z 1 StGB von 21.802 EUR nicht übersteigenden Bereicherungsausmaßes von 2.370 EUR (US 6) die Prüfung der dort erwähnten Präventionserfordernisse vollends unterlassen (§ 281 Abs 1 Z 11 dritter Fall StPO; 15 Os 72/03). Im Hinblick auf das amtswegige Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO im vorbeschriebenen Umfang erübrigt sich ein Eingehen auf das Rechtsmittelvorbringen des Angeklagten. Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht nach Abklärung der in den Ecstasy-Tabletten (und "Speed") enthaltenen Suchtmittelsubstanz einschließlich ihres Reingewichtes den Sachverhalt - hinsichtlich A/2. unter Berücksichtigung, dass die Übergabe von Suchtgift an einen Anderen zwecks bestimmungsgemäßen Weiterverkaufs unmittelbare Täterschaft begründet (vgl 15 Os 80/99) - neu zu beurteilen haben.
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