OGH 12Os100/22f

OGH12Os100/22f29.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Richteramtsanwärter Mag. Turner in der Strafsache gegen * E* wegen des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 und Abs 4 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 23. Mai 2022, GZ 29 Hv 14/22t-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00100.22F.0929.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Innsbruck verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * E* des Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat sie vom 22. Jänner 2021 bis zum 9. November 2021 in I* aus mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlungen gegen fremdes Vermögen herrührende Vermögensbestandteile, nämlich „von Geschädigten schwerer und gewerbsmäßiger Betrügereien stammende Gelder“ besessen, umgewandelt und einem anderen übertragen, wobei sie zur Zeit des Erlangens wusste, dass diese „aus einer kriminellen Tätigkeit (Abs 5) eines anderen herrühren“, indem sie ein Girokonto bei der R* für Überweisungsgutschriften in Höhe von insgesamt 41.640 Euro sowie ein eigens dafür eröffnetes Konto bei der B* für Überweisungsgutschriften in Höhe von insgesamt 33.420,88 Euro zur Verfügung stellte, die Gelder behob und mittels QR‑Code bei zwei verschiedenen Bitcoin‑Automaten direkt auf die Kryptowährung Wallets eines nicht ausgeforschten Täters alias * S* transferierte, wobei sie die Tat in Bezug auf den 50.000 Euro übersteigenden Wert von insgesamt 75.060,88 Euro beging.

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 „9a“ und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

[4] Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil mit von der Angeklagten nicht geltend gemachter materieller Nichtigkeit (Z 9 lit a) behaftet ist, die der Angeklagten zum Nachteil gereicht und daher vom Amts wegen wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

[5] Strafbarkeit wegen Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB setzt eine Vortat nach § 165 Abs 5 StGB voraus. Diese muss in dem von § 165 Abs 7 StGB bezeichneten Ursachenzusammenhang („rührt … her“) für den Täter der Vortat einen Vermögensbestandteil erbracht haben. Sie muss zumindest tatbestandsmäßig und rechtswidrig begangen worden sein. Unter den in § 165 Abs 5 Z 2 StGB angeführten Voraussetzungen kann sie auch im Ausland verübt worden sein. Die Vortat muss in einem wegen (hier) § 165 Abs 2 StGB schuldig sprechenden Urteil festgestellt werden (zum Ganzen eingehend 13 Os 105/15p, 106/15k [Punkt 1.3.1]; jüngst 14 Os 102/21p; Kirchbacher in WK2 StGB § 165 Rz 5, 11, 12/5 und 13 mwN).

[6] Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil, wonach die Angeklagte „aus mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Handlungen gegen fremdes Vermögen herrührende Vermögensbestandteile, nämlich von Geschädigten schwerer und gewerbsmäßiger Betrügereien stammende Gelder besessen, umgewandelt und einem anderen übertragen [habe], wobei sie zur Zeit des Erlangens wusste, dass sie aus einer kriminellen Tätigkeit eines anderen herrühren“ (US 4), wonach sie „wissentlich Vermögensbestandteile besessen, umgewandelt und einem anderen übertragen [habe], die aus einer mit mehr als einjährigen Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens des schweren und gewerbsmäßigen Betruges [...] stammen“ und von denen sie gewusst habe, dass „diese aus einer kriminellen Tätigkeit eines anderen im Sinne des § 165 Abs 5 StGB herrühren“ (US 8), nicht gerecht. Denn solcherart wird in Ansehung der Vortaten durch den bloß substanzlosen Gebrauch der verba legalia keinerlei – eine rechtliche Beurteilung ermöglichender – Sachverhaltsbezug hergestellt (RIS‑Justiz RS0119090).

[7] Daran vermag auch die namentliche Benennung der Kontoinhaber jener Konten, von denen die Überweisungen veranlasst wurden (US 5, 6 und 7), sowie die Wiedergabe der Zeugenaussagen dreier Geschädigter im Rahmen der beweiswürdigenden Erwägungen (US 11 f) nichts zu ändern.

[8] Zudem bietet das – lediglich die Überweisung auf in Österreich situierte Empfängerkonten konstatierende – Urteil keine Grundlage betreffend den Tatort allfälliger Vortaten (zum Tatort beim [hier in Rede stehenden] Betrug siehe eingehend 14 Os 102/21p).

[9] Damit ist aber die Beurteilung, ob die gegenständlichen Vermögensbestandteile aus den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechenden Vortaten (§ 165 Abs 5 StGB) herrühren, auf Basis der Urteilskonstatierungen nicht möglich und das Urteil mit Rechtsfehlern mangels Feststellungen (Z 9 lit a) behaftet (vgl überdies RIS‑Justiz RS0092377 [T5, T7]).

[10] Die aufgezeigten Rechtsfehler führten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[11] Mit ihren Rechtsmitteln war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Für den zweiten Rechtsgang sei hinzugefügt:

[12] Die vorab erfolgte Zusage, ein Empfängerkonto für betrügerisch erschlichene Überweisungen zur Verfügung zu stellen und nach Einlangen des Geldes darüber im Sinn des Auftrags des (unmittelbaren) Täters zu disponieren, kann ein Beitrag zum Betrug sein (vgl zum Erfordernis einer ausreichend individualisierten Tat Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 93 sowie zum Vorsatz der Beitragenden Rz 100 ff; zur Beitragshandlung allgemein Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 87; zu den Auswirkungen auf die Subsumtion nach § 165 Abs 2 StGB Glaser in Kert/Kodek, Das große Handbuch Wirtschaftsstrafrecht2 Rz 7.23). Denn ein solcher Beitrag ist über die formelle Vollendung hinaus bis zur materiellen Vollendung möglich (RIS‑Justiz RS0090346 [T2]; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 94; Kirchbacher/Sadoghi in WK2 StGB § 146 Rz 134), somit bei einer (wie hier) durch Täuschung bewirkten Überweisung eines Geldbetrags bis zu dessen Gutschrift auf dem (der Sphäre des Vortäters zuzurechnenden) Kryptowährung Wallet. Erst mit diesem Zeitpunkt des Zuwachses zum Vermögen des Täters der Vortat hat dieser den Vermögensbestandteil durch die Tat erlangt und wird Letzterer zum tauglichen Tatobjekt vortatbezogener Geldwäscherei (§ 165 Abs 1 und 2 StGB; Kirchbacher in WK2 § 165 Rz 5).

[13] Eine Kostenentscheidung entfällt, weil das Urteil zur Gänze aufgehoben wurde (Lendl, WK‑StPO § 390a Rz 7, vgl auch Rz 12).

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