OGH 12Os100/20b

OGH12Os100/20b15.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in Gegenwart des Schriftführers Mag. Nikolic in der Strafsache gegen Ramis C***** wegen des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 14. Mai 2020, GZ 40 Hv 140/19s‑17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00100.20B.1015.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ramis C***** des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (I./) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (II./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 25. Juli 2019 in S*****

I./ eine fremde Sache beschädigt, indem er die Türglocke des Wettlokals des Said S***** zu Boden riss;

II./ Engin D***** durch die sinngemäße Äußerung, dass dieser schauen solle, dass er sein Geld wieder bekomme, andernfalls er ihn abstechen und umbringen werde, wobei er seine Äußerung mit einem Springmesser bekräftigte, somit durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung, nämlich zur Übergabe von Bargeld, zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5a, 10 und 10a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.

Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld‑ oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

An den einleitend dargestellten Anfechtungsvoraussetzungen scheitert die Beschwerde, die bloß die dem Zeugen Engin D***** vom Schöffensenat attestierte Glaubwürdigkeit sowie den Beweiswert der (einen Teil der Auseinandersetzung dokumentierenden) Videosequenz in Frage stellt. Erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen werden auch nicht mit dem Vorbringen zur angeblichen körperlichen Überlegenheit des Engin D***** sowie mit dem Hinweis auf die Einschätzung eines weiteren Zeugen, wonach sich Engin D***** niemals vor dem Angeklagten gefürchtet habe, geweckt.

Indem die Subsumtionsrüge (Z 10) mit der Behauptung, das Vorzeigen eines Messers und die Ankündigung, das Opfer „abzustechen“, stelle im Wettspielmilieu keine Todesdrohung dar, den vom Erstgericht gegenteilig festgestellten Bedeutungsinhalt dieses Verhaltens (US 3) in Abrede stellt, entfernt sie sich prozessordnungswidrig vom Urteilssachverhalt (vgl RIS‑Justiz RS0099810).

Aus § 281 Abs 1 Z 10a StPO ist ein Urteil dann nichtig, wenn die darin enthaltenen Feststellungen bei richtiger Rechtsansicht die Nichtanwendung der Diversion nicht zu tragen vermögen oder wenn Ergebnisse der Hauptverhandlung auf einen Umstand hindeuten, der für die positive Beurteilung der diversionellen Voraussetzungen den Ausschlag gäbe, das Gericht dazu aber keine Feststellungen getroffen hat. Gegenstand des Nichtigkeitsgrundes ist demnach, nicht anders als im Fall einer Rechtsrüge (Z 9) oder einer Subsumtionsrüge (Z 10), ein Vergleich der im Urteil getroffenen Feststellungen mit den Diversionskriterien des § 198 StPO (RIS‑Justiz RS0119091).

Soweit der Angeklagte das Unterbleiben diversionellen Vorgehens mit der Behauptung kritisiert, sein Verhalten sei vor dem Hintergrund der illegalen Glücksspielmachenschaften des Zeugen Engin D***** in ein günstigeres Licht zu stellen, geht er an den Konstatierungen des Erstgerichts vorbei, das eine Manipulation der Wettautomaten durch den genannten Zeugen gerade nicht feststellen konnte (US 2). Im Übrigen erklärt der Beschwerdeführer auch nicht, weshalb seine Schuld trotz des Umstands, dass ihm neben einem Verbrechen der schweren Nötigung (§§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB) auch noch ein Vergehen der Sachbeschädigung (§ 125 StGB) zur Last liegt, nicht als schwer im Sinn des § 198 Abs 2 Z 2 StPO anzusehen sein soll.

Mit Blick auf die solcherart erfolglose Kritik zur Frage der Schuldschwere erübrigt sich somit ein Eingehen auf die weiteren Ausführungen der Diversionsrüge (zur Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 198 StPO vgl RIS‑Justiz RS0124801).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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