OGH 12Ns21/23v

OGH12Ns21/23v27.3.2023

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. März 2023 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari und Dr. Haslwanter LL.M. in der Disziplinarsache gegen Rechtsanwalt Mag. * W*, AZ D 6/21 des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien, über den Antrag des Genannten auf Ablehnung des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs *, der Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs * sowie der Anwaltsrichter * und * gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0120NS00021.23V.0327.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

1. Der Ablehnungsantrag wird, soweit er sich auf die Anwaltsrichter * und * bezieht, zurückgewiesen.

2. Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs * und Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs * sind von der Entscheidung über die Beschwerde des Mag. W* gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 30. Jänner 2023, AZ D 6/21, nicht ausgeschlossen.

 

Gründe:

[1] Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 22 Ds 3/23wüber das im Spruch (zu 2.) genannte Rechtsmittel zu entscheiden. Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs * und Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs * sind Mitglieder des dafür zuständigen Senats, nicht hingegen die Anwaltsrichter * und *. Soweit sich der Ablehnungsantrag gegen die beiden Letztgenannten richtet, war er daher zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0097219).

[2] Mit Erkenntnis vom 12. Dezember 2022 gab der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter zu AZ 22 Ds 8/22d, 9/22a den Berufungen des Mag. W* und des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 15. November 2021, GZ D 6/21‑26, nicht Folge. An dieser Entscheidung wirkten (unter anderem) Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs * und Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs * mit.

[3] Das im Spruch (zu 2.) angeführte Rechtsmittel richtet sich gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Disziplinarrats, womit die vom Verurteilten zu ersetzenden Kosten (§ 41 DSt) mit 1.000 Euro bestimmt wurden.

[4] Mag. W* begründet den Ablehnungsantrag (der Sache nach gestützt auf § 43 Abs 1 Z 3 StPO) zum einen mit Staatshaftungsansprüchen aufgrund Unionsrechtswidrigkeit des zuvor bezeichneten Erkenntnisses des Obersten Gerichtshofs vom 12. Dezember 2022, AZ 22 Ds 8/22d, 9/22a, und der Befürchtung, dass deren Geltendmachung durch die nunmehr anstehende Entscheidung über das im Spruch (zu 2.) genannte Rechtsmittel beeinflusst werden könnte. Zum anderen sei der Eindruck entstanden, dass sich die Abgelehnten von anderen als sachlichen Erwägungen hätten leiten lassen.

Rechtliche Beurteilung

[5] Gemäß § 64 DSt iVm § 43 Abs 1 Z 3 StPO ist ein Richter vom gesamten Verfahren ausgeschlossen, wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen. Die Bestimmungen über die Ausschließung stellen auf den äußeren Anschein ab. Entscheidend ist daher nicht die subjektive Ansicht des betroffenen Richters oder des Ablehnenden, sondern die Frage, ob die äußeren Umstände geeignet sind, beim verständig würdigenden objektiven Beurteiler naheliegende Zweifel an der unvoreingenommenen und unparteilichen Dienstverrichtung zu wecken (vgl RIS‑Justiz RS0097086 [T5]; Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 10 ff mwN).

[6] Aufgrund der bloßen Tatsache, dass die Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen angekündigt wird, kann eine Befangenheit der an der kritisierten Entscheidung mitwirkenden Richter nicht angenommen werden. Es müssen vielmehr besondere – hier nicht vorgebrachte – Umstände hinzutreten, um in solchen Fällen Zweifel an der Unbefangenheit annehmen zu können (vgl zu Amtshaftungsansprüchen RIS‑Justiz RS0046101 [insbes T7]; vgl auch RIS‑Justiz RS0096914 [T20]).

[7] Der weitere Vorwurf der (seinerzeitigen) Entscheidungsfindung aus nicht genannten, angeblich unsachlichen Motiven beschränkt sich auf reine Spekulation und entzieht sich solcherart einer sachlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0097082).

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