OGH 12Ns20/90

OGH12Ns20/9023.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.August 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Felzmann, Dr. Rzeszut und Dr. Markel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Löschenberger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dkfm. Peter W*** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und 2 StGB, AZ 14 Vr 1340/85 des Landesgerichtes Klagenfurt, über den Antrag des Angeklagten auf Ausschließung des Oberlandesgerichtes Graz und seiner sämtlichen Richter und über die Ablehnung sämtlicher Richter des Oberlandesgerichtes Graz nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Das Oberlandesgericht Graz (einschließlich dessen Präsident) ist von der Ausübung des Richteramtes in dieser Strafsache nicht ausgeschlossen.

Die Ablehnung des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz ist nicht gerechtfertigt.

Zur Entscheidung über die Ausschließung und die Ablehnung der im Antragsvorbringen neben dem Präsidenten namentlich angeführten Richter des Oberlandesgerichtes Graz werden die Akten dem Präsidenten dieses Gerichtshofes zugeleitet.

Text

Gründe:

In der oben bezeichneten Strafsache, in welcher gemäß der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 7.Dezember 1989, GZ 12 Os 149/89-6 (Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung des Angeklagten) über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 2.Juni 1989, GZ 14 Vr 1340/85-413, zu entscheiden ist, macht der Angeklagte Dkfm. Peter W*** Ausgeschlossenheit des "gesamten" (Blatt 2 S 1 des Antragsvorbringens) Oberlandesgerichtes Graz sowie "sämtlicher" (in der Beilage 1 zum Antrag namentlich angeführter) Richter dieses Gerichtshofes (einschließlich dessen Präsidenten) geltend und lehnt letztere überdies wegen Befangenheit ab (Blatt 2 Seite 2, Blatt 3 Seite 1).

Rechtliche Beurteilung

Nur über die Ausschließung des "gesamten" Gerichtshofes zweiter Instanz (einschließlich des Präsidenten) bzw über die Zulässigkeit der Ablehnung des Präsidenten des Gerichtshofes zweiter Instanz hat der Oberste Gerichtshof zu befinden (§ 74 Abs. 2 letzter Fall StPO; § 22 GOG).

In diesem Umfang liegt weder die behauptete Ausgeschlossenheit vor, noch ist die Ablehnung gerechtfertigt.

Soweit im hier aktuellen Rahmen die Behauptung richterlicher Ausgeschlossenheit auf die Bestimmung des § 68 (richtig:) Abs. 1 Z 3 StPO gestützt und damit begründet wird, daß das Oberlandesgericht Graz im Zusammenhang mit einer "anhängigen" (richtig: beabsichtigten) Amtshaftungsklage als belangtes Organ im Sinne des Amtshaftungsgesetzes anzusehen und demnach davon auszugehen sei, daß der in Rede stehende Gerichtshof aus dem Freispruch oder aus der Verurteilung des (hier:) Angeklagten einen Nutzen oder Schaden zu erwarten habe, genügt der Hinweis darauf, daß ein § 68 Abs. 1 Z 3 StPO entsprechender Sachzusammenhang zwischen der (im anhängigen Berufungsverfahren allein offenen) Frage einer allfälligen Erhöhung der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe und den behaupteten Anspruchsgrundlagen nach dem Amtshaftungsgesetz nicht ersichtlich ist. Eine nachvollziehbare Begründung dafür, daß die zur Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft zuständigen Rechtsmittelrichter in ihrer ein allfälliges Amtshaftungsverfahren betreffenden Erwartungshaltung vom Ausgang des Berufungsverfahrens abhängig wären, ist auch dem Antragsvorbringen nicht zu entnehmen. Dazu kommt, daß Dkfm. Peter W*** bisher lediglich die Bewilligung der Verfahrenshilfe zwecks Einbringung einer Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich (wegen 493,220.855 S samt Anhang) beantragt hat, welcher Antrag mit Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 18. April 1990, GZ 4 Nc 1002/90-10, abgewiesen wurde. Die Absicht des Angeklagten, (auch) das "gesamte" Oberlandesgericht Graz in einem Amtshaftungsverfahren zu belangen, reicht aber auch nicht hin, die Ablehnung des Präsidenten dieses Gerichtshofes zu rechtfertigen.

Gemäß § 72 Abs. 1 StPO kann (u.a.) ein Mitglied des Gerichtes abgelehnt werden, wenn (außer den hier nicht aktuellen Fällen einer Ausgeschlossenheit - §§ 67 bis 69 StPO) andere Gründe angegeben und dargetan werden, die geeignet sind, seine volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen; mit anderen Worten, es müssen Umstände glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die Annahme ableiten läßt, der Richter werde sich bei seiner Entscheidung von anderen als allein sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen, wobei die bloß subjektive Annahme oder Besorgnis einer Partei, ein Richter könnte befangen sein, nicht ausreicht (Mayerhofer-Rieder, StPO2 E 7 zu § 72; Foregger-Serini StPO4 Anm I zu § 72); dies umsoweniger, wenn nicht einmal der äußere Anschein richterlicher Befangenheit vorliegt. Die bloße Tatsache, daß sich die Rechtsauffassung mehrerer Rechtsmittelsenate des Oberlandesgerichtes Graz wiederholt mit jener des (vom Angeklagten erfolglos als befangen abgelehnten) Richters des Landesgerichtes Klagenfurt Dr. Johann F***, nicht aber mit jener des Angeklagten deckte, stellt schon deshalb keine hinreichende Grundlage für die Annahme bzw den Anschein einer Befangenheit des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Graz dar, weil die (bloß subjektive) Befürchtung mangelnder objektiver richterlicher Einstellung aus dem Inhalt bestimmter Rechtsmittelentscheidungen abgeleitet wird, ohne daß in diesem Zusammenhang konkrete Anhaltspunkte für unsachliche Komponenten der entscheidungstragenden Meinungsbildung vorlägen oder auf eine solche Unsachlichkeit hindeutende Umstände glaubhaft gemacht worden wären. Die Frage der ausschließlich objektiv-sachlichen Ausrichtung der bezüglichen Rechtsmittelentscheidungen des Oberlandesgerichtes Graz bleibt aber auch davon unberührt, daß die Europäische Kommission für Menschenrechte nach dem Antragsvorbringen die Richter des Landesgerichtes Klagenfurt (Dr. Johann F*** und Dr. Hubertus H***) betreffende Beschwerden des Angeklagten zur weiteren Prüfung angenommen hat.

Aus den dargelegten Erwägungen liegt weder eine Ausgeschlossenheit des Oberlandesgerichtes Graz und seines Präsidenten vor, noch erweist sich die Ablehnung des Präsidenten dieses Gerichtshofes zweiter Instanz, der sich im übrigen in bezug auf das in Rede stehende Strafverfahren für nicht befangen erachtete (§ 183 Abs. 3 Geo), als gerechtfertigt.

Zur Entscheidung über die Ausgeschlossenheit und Ablehnung der in der Beilage 1 zum Antrag namentlich genannten anderen Richter des Oberlandesgerichtes Graz ist nunmehr der Präsident dieses Gerichtshofes berufen (§ 74 Abs. 1 StPO).

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