European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120NS00120.15S.0128.000
Spruch:
Die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher und Hon.‑Prof. Dr. Danzl sowie der Anwaltsrichter Dr. Morent sind von der Entscheidung über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten Mag. Ralph K***** ausgeschlossen.
An ihre Stelle treten die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Hon.‑Prof. Dr. Sailer sowie der Anwaltsrichter Dr. Kretschmer.
Hinsichtlich des Anwaltsrichters Dr. Schimik wird der Ablehnungsantrag zurückgewiesen.
Gründe:
Der Oberste Gerichtshof hat zu AZ 26 Os 9/15s über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten Rechtsanwalt Mag. Ralph K***** gegen das Erkenntnis der Rechtsanwaltskammer Wien vom 20. Jänner 2012, GZ 22/10, DV 30/11, D 139/09, DV 10/10, D 125/10, DV 31/11, zu entscheiden. Nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs sind Mitglieder des zuständigen 26. Senats Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzender, die Anwaltsrichter Dr. Morent und Dr. Hausmann (diese als Ersatzmitglied für den ausgeschlossenen Dr. Buresch) sowie Senatspräsident des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Danzl als weiterer Richter.
Bereits mit Erkenntnis der Obersten Berufungs‑ und Disziplinarkommission (OBDK) vom 18. November 2012 war der Berufung des Disziplinarbeschuldigten Rechtsanwalt Mag. Ralph K***** gegen das obgenannte Erkenntnis der Rechtsanwaltskammer Wien teilweise Folge gegeben worden, sodass Freisprüche von einigen Vorwürfen ergingen. Im Übrigen war der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld hingegen nicht Folge gegeben worden.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses, am 24. September 2014 abgefertigte Erkenntnis erhob der Disziplinarbeschuldigte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Diese wurde mit Beschluss vom 11. Juni 2015, GZ D 337‑338/2014‑11, mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Zustellung des als Bescheid zu wertenden Erkenntnissen der OBDK erst nach Ablauf der in § 2 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergang-gesetz genannten Frist erfolgte, was das Außerkrafttreten des Bescheids und somit jener Aussprüche zur Folge hatte, durch dessen Inhalt sich der Beschwerdeführer für beschwert erachtete.
In seinem Ablehnungsantrag behauptet der Disziplinarbeschuldigte, die vormals in der OBDK befassten Richter seien objektiv befangen, weil sie ihre Entscheidung zum Fall des Beschwerdeführers schon einmal verkündet hätten. Demgegenüber habe der Beschuldigte gemäß Art 6 EMRK das Recht, dass sein Fall von Richtern gehört werde, die sich noch keine Meinung über seinen Fall gebildet hätten. Auch lehne er jenen für die Verzögerung verantwortlichen Richter ab, der ihm das Beschwerderecht an den Verfassungsgerichtshof genommen habe. Schließlich legt er ‑ für die Entscheidung über den Ablehnungsantrag jedoch nicht von Relevanz ‑ dar, dass er nicht neuerlich vor Gericht gestellt werden dürfe.
Der Antrag erweist sich als berechtigt:
Die Beurteilung der Frage, ob Richter ausgeschlossen sind, erfordert nicht nur mit Blick auf das Spannungsverhältnis zum verfassungsrechtlich gewähr-leisteten Recht auf den gesetzlichen Richter (Art 83 Abs 2 B‑VG) und zum Prinzip der festen Geschäftsverteilung (Art 87 Abs 3 B‑VG), sondern auch und vor allem unter dem Aspekt des Zugangs zum Recht eine ausgewogene Auslegung dieser Norm unter Berücksichtigung von Organisation und Funktion des Gerichts. Die Bestimmungen über die Ausgeschlossenheit und die Befangenheit stellen auf äußere Umstände ab, die zum einen durch ausdrückliche Aufzählung (§ 43 Abs 1 Z 1 und Z 2, Abs 2 bis 4, § 47 Abs 1 Z 1 und Z 2), zum anderen mittels Generalklausel (§ 43 Abs 1 Z 3, § 47 Abs 1 Z 3) determiniert werden. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber die Ausgeschlossenheit abschließend regeln wollte; die Bestimmungen der §§ 43 ff StPO sind, weil dieser Wille des Gesetzgebers eine Gesetzeslücke jedoch nicht ausschließt, aber dennoch grundsätzlich analogiefähig. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der genannten Bestimmungen und der verfassungsrechtlichen Vorgaben ist aber hiebei ein strenger Maßstab anzulegen (zum Ganzen Lässig, WK‑StPO Vorbem zu §§ 43‑47).
Zielsetzung von § 43 Abs 2 letzter Fall StPO ist es, Entscheidungsträger, die in ihrer Sachentscheidung aufgrund eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs korrigiert worden sind, von der neuen Verhandlung und Entscheidung in derselben Causa auszuschließen.
Da das Gesetz insoweit (anders als § 68 Abs 2 aF) nunmehr auch Rechtsbehelfe anführt, trifft dies ebenso in Bezug auf Urteile zu, die aufgrund eines gegen die Verurteilung in Abwesenheit erhobenen Einspruchs (§ 427 Abs 3, § 478 Abs 1, § 489 Abs 1) oder einer diesbezüglichen Beschwerde (§ 478 Abs 2) kassiert worden sind. Richter, deren Urteil aufgrund einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gemäß § 292 letzter Satz unter Anordnung der Verfahrenserneuerung aufgehoben worden ist, sind ebenfalls nach § 43 Abs 2 letzter Fall StPO ausgeschlossen, wobei dies ‑ analog ‑ auch Richter betrifft, deren Berufungserkenntnis solcherart kassiert worden ist (Lässig, WK‑StPO § 43 Rz 25 f mwN).
Erfasst werden gemäß § 491 Abs 8 StPO aber auch Verfahren vor dem Bezirksgericht und dem Landesgericht als Einzelrichter, in denen eine Strafverfügung durch die bloße Erhebung eines zulässigen (auch unbegründeten) Einspruchs nach Abs 6 leg cit außer Kraft tritt (Fabrizy StPO12 § 491 Rz 10; Tipold in WK‑StPO § 491 Rz 104).
Da insbesondere der zuletzt angeführte Fall des Einspruchs im Mandatsverfahren, aber auch die übrigen Fälle erfolgreicher Rechtsbehelfe nicht immer mit einer Kritik an der außer Kraft tretenden Entscheidung verbunden sind, erweist sich die dem Gesetz innewohnende Intention, den solcherart korrigierten Entscheidungsträger vom weiteren Verfahren auszuschließen, mit der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation des kraft Gesetzes erfolgten Außerkrafttretens eines Erkenntnisses der OBDK soweit vergleichbar, dass eine durch Analogie zu schließende Lücke anzunehmen ist, zumal der Gesetzgeber dieses Falles offensichtlich nicht gedacht hat.
An die Stelle der somit Ausgeschlossenen treten aufgrund der laufenden Vertretungsregelung der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab und Hon.‑Prof. Dr. Sailer sowie der Anwaltsrichter Dr. Kretschmer (§ 77 Abs 3 DSt iVm § 45 Abs 2 StPO).
Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags auf Ablehnung eines Richters wegen Ausschließung nach § 44 Abs 3 StPO ist dessen konkret‑aktuelle Kompetenz zur Entscheidung in der Sache des Ablehnungswerbers (vgl RIS‑Justiz RS0097219, RS0097075; Lässig, WK‑StPO Vorbem zu §§ 43‑47 Rz 4, § 45 Rz 7). Da eine solche in Ansehung des dem Senat 26 in der hier zum Tragen kommenden Besetzung nicht mehr angehörenden Anwaltsrichters Dr. Schimik nicht vorliegt, war der ihn betreffende Antrag zurückzuweisen.
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