OGH 11Os99/08f

OGH11Os99/08f19.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Liridan S***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Liridan S***** sowie die Berufung des Ugur K***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 3. März 2008, GZ 143 Hv 92/07h-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Liridan S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch nicht angefochtene Schuldsprüche gegen zwei weitere Angeklagte enthält, wurde Liridan S***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (A), des Verbrechens des (zu ergänzen: versuchten [siehe S 145 f, 157 und 175/II]) Raubes nach (richtig:) §§ 15, 142 StGB (B), des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs 1, Abs 2 und Abs 4 zweiter Satz StGB (B) sowie des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 (zu ergänzen: Abs 1) (D) StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien (zusammengefasst)

A. am 5. März 2007 gemeinsam mit Ugur K***** und Kadir U***** zur Ausführung eines Raubes (und zwar eines Mobiltelefons und von Bargeld iHv 55 Euro) durch den bislang nicht identifizierten unmittelbaren Täter „Sül" beigetragen, indem sie mit ihm die Durchführung eines Raubes, nämlich die gewaltsame Abnahme von „Handys" und Wertgegenständen zum Nachteil von Jugendlichen besprachen (S 153/II), sich während der Tatausführung in wenigen Metern Entfernung zum Tatort aufstellten, solcherart durch Demonstration zahlenmäßiger Überlegenheit die Drohung gegen das Tatopfer Altay Y***** verstärkten und dessen Begleiterin Lara A***** aufforderten, ruhig zu sein und Hilferufe zu unterlassen, ansonsten würde etwas passieren;

B. am 19. April 2007

1. im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem unbekannt gebliebenen „Musti" durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben dem Jakob S***** eine fremde bewegliche Sache, nämlich sein Mobiltelefon mit dem Vorsatz abzunötigen versucht, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er ihn am rechten Arm packte, zur Herausgabe des Mobiltelefons aufforderte, von der Straße in einen Gastgarten drängte und ihm androhte, ihn zu verprügeln, wobei das Opfer flüchten konnte;

2. den Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen, nämlich den unbekannt gebliebenen „Musti", der kurz zuvor dem Ryan M***** unter der Ankündigung, ihn sonst zu schlagen, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben ein Mobiltelefon abgenötigt hatte, nach der Tat dabei unterstützt, das erbeutete Mobiltelefon, nachdem er es an sich gebracht hatte, zu verwerten, indem er es für den unmittelbaren Täter verkaufte, wobei die mit Strafe bedrohte Handlung, durch die die Sache erlangt worden ist, aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die fünf Jahre erreicht oder übersteigt, und er die Umstände kannte, die diese Strafdrohung begründen;

C. ...

D. zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt Mitte März 2007 Lara A***** durch die Äußerung, wenn sie vor Gericht aussage, werde er Leute auf sie hetzen, mithin durch gefährliche Drohung, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von Zeugenangaben im Strafverfahren, zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten Liridan S***** aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene und inhaltlich nur gegen die Schuldsprüche A. und B.1. gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Die in der Mängelrüge (Z 5) zum Urteilsfaktum A. angestellten Erwägungen, wonach der unmittelbare Täter „Sül" unter der Annahme des festgestellten Tatbeitrags - der vom Erstgericht darin erblickt wurde, dass sich die drei Angeklagten Liridan S*****, Kadir U***** und Ugur K***** wenige Meter vom Tatort bedrohlich positionierten, um Altai Y***** und seiner Begleiterin Lara A***** deren zahlenmäßige Unterlegenheit vor Augen zu führen (vgl RIS-Justiz RS0090377), und Lara A*****, als sie laut um Hilfe rief, mehrfach aufforderten, ruhig zu sein (S 153/II) - gar kein Messer benötigt hätte, um den Willen des Opfers zu brechen, beruhen auf reinen Spekulationen, die im Ergebnis bloß darauf abzielen, die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung nach Art einer zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile in der Verfahrensordnung nicht vorgesehenen Schuldberufung in Frage zu stellen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 451; 15 Os 45/05i uva), und vermögen solcherart weder eine auf unzureichenden Prämissen oder Denkfehlern der Tatrichter beruhende geradezu willkürliche Begründung (Z 5 vierter Fall) noch nach logischen Gesichtspunkten miteinander unvereinbare Urteilsannahmen (Z 5 dritter Fall) aufzuzeigen. Der Einwand, allfällige Äußerungen gegenüber Lara A***** seien als verbale Entgleisungen und nicht im Sinn eines Tatbeitrags zu einem Raub zu qualifizieren, macht keinen Begründungsmangel (Z 5), sondern Nichtigkeit aus Z 9 lit a des § 281 Abs 2 StPO geltend, ohne indes - wie es die gesetzmäßige Ausführung eines materiellen Nichtigkeitsgrunds erfordert hätte - die Feststellungen zu den Beitragshandlungen in ihrer Gesamtheit zu betrachten (oben sowie S 153/II) und sodann dem vom Erstgericht zur Anwendung gebrachten materiellen Recht vergleichend gegenüberzustellen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581 ff; RIS-Justiz RS0099810).

In der Urteilsbegründung keineswegs unberücksichtigt blieb, dass der Zeuge Jakob S***** den Beschwerdeführer nicht als unmittelbaren Täter wiedererkennen konnte (Schuldspruchsfaktum B.1.), wurde doch dieser Umstand vom Schöffensenat unter Hinweis auf gegenteilige Beweisergebnisse, nämlich die eigene Verantwortung des Angeklagten S***** (der selbst eingestanden hatte, S***** direkt angesprochen zu haben), die Depositionen des Opfers (wonach nur einer der Täter „aktiv" war, dh ihn angesprochen, festgehalten, abgedrängt und bedroht hatte) sowie die ebenfalls den Beschwerdeführer belastenden Schilderungen des Zeugen K***** - daher frei von Willkür - als ein mit der verständlichen Aufregung des Zeugen im Tatzeitpunkt und der vorübergehenden Natur der von ihm erwähnten „Pickel" im Gesicht des Täters erklärbarer Irrtum erachtet (S 171/II). Warum diese tatrichterliche Wertung dem Akteninhalt widersprechen sollte, vermag die Beschwerde nicht darzulegen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufungen das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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