OGH 11Os92/95

OGH11Os92/9525.7.1995

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Juli 1995 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Hager, Dr.Schindler, Dr.Holzweber und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Tschugguel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Herbert R***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.März 1995, GZ 3 c Vr 12773/94-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Raunig, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Hintersteininger zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert R***** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall und 15 StGB (A) und des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (B) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

(zu A) gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in einem 25.000 S nicht übersteigenden Betrag, mit dem Vorsatz, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, unbekannt gebliebenen Kunden der Österreichischen Post- und Telegraphendirektion

I. weggenommen, und zwar

in der Zeit von Anfang 1991 bis zum 15.November 1994 aus den Telefonzellen Nr 807, Margaretenstraße 125, Sprengergasse 54, Schönbrunnerstraße Ecke Reinprechtsdorferstraße, Nevillegasse Ecke Schönbrunnerstraße, Am Hundsturm 11, Johannesgasse Ecke Margaretenstraße, Leopold Rister Gasse Ecke Reinprechtsdorferstraße, Reinprechtsdorferstraße Ecke Stolberggasse, Reinprechtsdorferstraße Ecke Fendigasse, Reinprechtsdorferstraße Ecke Siebenbrunnengasse und aus den Telefonzellen in Wien 12, Kreuzung Arndtstraße-Gaudenzdorfergürtel, Wolfganggasse 1 und 48, Steinbauergasse 22, Aßmayergasse 35 und Kreuzung Aßmayergasse - Karl-Löwe-Gasse, Kreuzung Löwegasse - Längenfeldgasse sowie Karl-Löwe-Gasse Ecke Am Fuchsfeld und Flurschützgasse 6 und 21, jeweils geringe Bargeldbeträge;

II. wegzunehmen versucht, und zwar

1. am 21.März 1993 aus den Telefonzellen Nr 10238 und Nr 2329 ca 400

S Bargeld;

2. am 15.August 1993 aus den Telefonzellen Nr 373, Nr 10238, Nr 552 und Nr 6049 insgesamt 940 S Bargeld;

3. in der Zeit vom 7.November bis zum 15.November 1994 aus den Telefonzellen Nr 10222, Nr 2832, Nr 1486, Nr 1506, Nr 6955, Nr 6949, Nr 4918 und Nr 1445 geringe Bargeldbeträge;

(zu B) vorsätzlich fremde Sachen, nämlich für öffentliche Zwecke bestimmte Fernmeldeanlagen unbrauchbar gemacht und so zum Nachteil der Österreichischen Post- und Telegraphenverwaltung einen Schaden von 8.580 S herbeigeführt, und zwar

a) am 15.August 1993 die Telefonautomaten mit den Standnummern 6094, 3737 und 10238 dadurch, daß er die Geldrückgabetasten blockierte und die Blockade gewaltsam löste;

b) in der Zeit zwischen dem 7. und 15.November 1994 die Telefonautomaten mit den Standnummern 10222 und 6955 (diesen Apparat zweimal) dadurch, daß er die Münzeinwurfschlitze mit Papier verstopfte und später mit einem Metallstreifen durchstieß.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich jedoch in keinem Punkt als berechtigt erweist.

Entgegen der unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit erhobenen Mängelrüge (Z 5) hat das Schöffengericht die Verantwortung des Angeklagten mit dem Hinweis teils auf die Bekundungen von Tatzeugen über wahrgenommene Manipulationen des Angeklagten an Fernmeldeanlagen sowie auf die jeweils folgende Sicherstellung einschlägigen Tatwerkzeuges bei ihm (Punkte A/II des Urteils), teils auf die Gleichartigkeit des modus operandi bei der Verübung weiterer derartiger Straftaten (Punkt A/I des Urteils) denkrichtig für widerlegt erachtet. Zu einer Erörterung von Details dieser Verantwortung, die nicht die erstrichterliche Entscheidungsgrundlage in ihrer Gesamtheit zum Gegenstand haben, waren die Tatrichter demnach nicht verhalten (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Daher bedurfte es auch keiner gesonderten Erörterung der Behauptung des Angeklagten, wonach er die jeweiligen Telefonautomaten nur einer Funktionskontrolle unterzogen und die bei ihm sichergestellten Münzen sowohl legal gesammelt als auch zu legalen Zwecken mit sich geführt habe. In Wahrheit zielt die Beschwerde damit lediglich darauf ab, aus einer isolierten Betrachtung dieser Einlassung und der Depositionen der Belastungszeugen eine Mißdeutung des Verhaltens des Angeklagten durch diese Zeugen nach Art einer unzulässigen Bekämpfung der erstrichterlichen Beweiswürdigung abzuleiten.

Gleichfalls nicht stichhältig ist die Beschwerdebehauptung (Z 5), daß der Schuldspruch zu Punkt A/I des Urteils nicht auf den in einem Gedächtnisprotokoll festgehaltenen Wahrnehmungen, sondern lediglich auf Schlußfolgerungen der hiezu vernommenen Zeugen beruhe und demgemäß nur unzureichend begründet sei. Erweist sich doch die von den Tatrichtern aus den betreffenden Verfahrensergebnissen insgesamt abgeleitete Annahme, daß der Angeklagte (auch) diese Taten begangen habe, nach dem bereits Gesagten sehr wohl als denkmöglich, wogegen die auf gegenteilige Folgerungen abzielende und abermals nur von Teilaspekten der Verfahrensergebnisse ausgehende Beschwerdeargumentation in Wahrheit bloß neuerlich die erstrichterliche Beweiswürdigung kritisiert.

Gleiches gilt für das gegen die Schuldsprüche zu den Punkten A/II/1 bis 3 des Urteils gerichtete Beschwerdevorbringen (Z 5). Entgegen der damit vertretenen Auffassung konnte das Erstgericht nämlich aufgrund des zeitlichen und räumlichen Naheverhältnisses zwischen der Beobachtung des Angeklagten bei Manipulationen an Telefonautomaten durch die jeweiligen Tatzeugen Wilhelm R***** (Fakten A/II/1 und 2; vgl hiezu US 8 iVm S 19 a, 17 in ON 8 und 220 ff) sowie Peter K***** und Robert P***** (Faktum A/II/3; vgl hiezu die US 8 und 9 iVm 95 ff, 103 f, 223 ff und 226 f) und der Sicherstellung von Tatwerkzeugen bzw von tatrelevanten Materialien bei der jeweils folgenden Anhaltung des Angeklagten mängelfrei dessen Täterschaft in allen diesen Fällen als erwiesen annehmen. Daß die betreffenden Zeugen nicht alle Einzelheiten der Manipulationen des Angeklagten mitverfolgen konnten, steht den vom Erstgericht aus den bezughabenden Verfahrensergebnissen abgeleiteten Schuldsprüchen somit nicht entgegen. Dem Beschwerdevorbringen zuwider, das sich der Sache nach in dem Bestreben erschöpft, die vorliegenden Verfahrensergebnisse zugunsten des Angeklagten umzudeuten, kann daher vom behaupteten Vorliegen eines formellen Begründungsmangels (Z 5) keine Rede sein.

Damit versagen die ausschließlich gegen den Schuldspruch zu Punkt A/I des Urteils gerichteten Ausführungen zur Mängelrüge auch insoweit, als sie der Angeklagte außerdem unter dem Gesichtspunkt der Tatsachenrüge (Z 5 a) behandelt sehen will; fehlt es ihnen doch nach dem bereits Gesagten (auch) an der Eignung, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu diesen Fakten zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken.

Ebensowenig durchzudringen vermag der Angeklagte schließlich mit seiner Subsumtionsrüge (nominell Z 9 lit a und 10, sachlich nur Z 10), mit der er sich gegen die Beurteilung der bei mehreren Diebstahlsversuchen an den betreffenden Telefonautomaten verursachten Schäden auch als Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB (Punkte A/II/2 und 3 sowie B/a und b des Urteils; im Punkt B/a wird die Standnummer eines dieser Automaten versehentlich mit 3737 statt mit 373 wiedergegeben) wendet. Denn die Qualifikationen nach Z 1 bis 6 des § 126 Abs 1 StGB schützen ein eigenständiges, über den rein materiellen (Vermögens-)Wert hinausgehendes Rechtsgut. Eine solcherart qualifizierte Sachbeschädigung wird daher durch einen Diebstahl (und zwar auch bei Vorliegen der Diebstahlsqualifikation nach § 129 Z 1 bis 3 StGB) nicht konsumiert. Vielmehr bedarf es im Falle einer durch einen Diebstahl herbeigeführten Sachbeschädigung, die nach § 126 Abs 1 Z 1 bis 6 StGB qualifiziert ist, zur vollständigen Ausschöpfung des Unrechtsgehaltes der Tat deren idealkonkurrierende Ahndung auch als im Sinne der zuletzt angeführten Bestimmung qualifizierte Sachbeschädigung (vgl SSt 49/22; ebenso Leukauf/Steininger, Komm3 § 125 RN 20; Kienapfel, BT II3, § 125, RN 67; Mayerhofer/Rieder, StGB4, § 126, ENr 9 a; ferner Foregger/Kodek, StGB5, § 126, Erl III). Die vom Erstgericht vorgenommene Beurteilung der gegenständlichen Taten sowohl als versuchte gewerbsmäßige Diebstähle nach §§ 127, 130 erster Fall StGB als auch als (bei Verübung dieser Diebstähle an öffentlichen Fernmeldeanlagen begangene) schwere Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB erweist sich daher als rechtsrichtig.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen.

Aber auch den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, die die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllen, ferner das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen; als mildernd nahm es hingegen den Umstand an, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist. Ausgehend davon hielt es eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren für schuld- und tatangemessen.

Dem Berufungswerber gelingt es nicht, vom Erstgericht nicht berücksichtigte weitere Milderungsgründe aufzuzeigen. Die als Milderungsgrund reklamierte Notlage ist beim Angeklagten, der die strafbaren Handlungen teilweise als Empfänger einer Sozialhilfe von über 10.000 S monatlich (53), teilweise während aufrechter Beschäftigung beging, objektiv nicht gegeben, sie wäre überdies eine typische Folge seiner asozialen Grundeinstellung und als solche nicht mildernd. Inwieweit die Gleichartigkeit der vom Berufungswerber begangenen Straftaten einen Milderungsgrund darstellen soll, ist den Berufungsausführungen nicht zu entnehmen. Tatsächlich sind die Strafbemessungsgründe zugunsten des Berufungswerbers - worauf die Staatsanwaltschaft in ihrer Berufung zutreffend verweist - dahin zu korrigieren, daß in geringem Umfang Teile der Diebsbeute sichergestellt werden konnten. Wenngleich die Begehung einer strafbaren Handlung während der Probezeit nach ständiger Judikatur keinen Erschwerungsgrund darstellt (Leukauf/Steininger aaO § 33 RN 8), sind die übrigen Argumente der Berufung der Staatsanwaltschaft zwar sachlich zutreffend, sie geben aber unter Gesamtabwägung aller Umstände und Berücksichtigung des Unrechtsgehalts der Taten auch zu einer Veränderung der Strafe nach oben keinen Anlaß. Die vom Schöffengericht ausgemittelte zweijährige Freiheitsstrafe wird vielmehr allen Aspekten des konkreten Falles gerecht.

Es war daher beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.

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