OGH 11Os86/10x

OGH11Os86/10x17.8.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. August 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Norbert M***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 28. Jänner 2010, GZ 40 Hv 25/09y-23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Norbert M***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im August 2009 in N***** außer den Fällen des § 201 StGB Monika M***** mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sie mit beiden Händen an den Schultern packte, auf das Bett drückte, sich auf sie legte, seinen Penis gegen ihren Bauch drückte und auf ihren Bauch ejakulierte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) moniert die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf „Einholung eines gerichtspsychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Angeklagte nach seiner Erzählung gegenüber seiner Gattin in Bezug auf eine geschlechtliche Handlung nichts anderes getan hat, als das, was zwischen den beiden Ehepartnern auch zuvor während der Ehe praktiziert wurde, ihm sohin insbesondere jedweder Vorsatz fehlte, körperliche Gewalt anzuwenden und dadurch seine Gattin zu einem bestimmten Verhalten zu nötigen, wobei in diesem Zusammenhang auch auf die Angaben der Zeugin Monika M***** selbst verwiesen wird, dass sein Verhalten für den Angeklagten keine Gewalt darstelle; durch das Gutachten wird sich beweisen lassen, dass die durch eine Verurteilung erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere auf der subjektiven Tatseite, nicht erfüllt sind, sohin allenfalls ein dem Vorsatz des Angeklagten ausschließender Tatbildirrtum vorlag, in Bezug sowohl auf die Anwendung von Gewalt als auch die Überwindung von Abwehr durch das angebliche Opfer bzw deren Nichtwollen für eine sexuelle Handlung“ (ON 22 S 32).

Der Schöffensenat hat diesen Antrag zu Recht abgelehnt. Gemäß § 258 StPO kommt die Beweiswürdigung ausschließlich dem Gericht zu, wobei die Richter sich aufgrund des Beweisverfahrens, des persönlichen Eindrucks von den Zeugen und vom Angeklagten sowie aufgrund ihrer Berufs- und Lebenserfahrung über die Verlässlichkeit der Aussagen schlüssig zu werden haben. Das Gutachten eines Psychiaters oder Psychologen ist nur in besonders gelagerten Fällen erforderlich, so etwa bei festgestellter abwegiger Veranlagung in psychischer oder charakterlicher Hinsicht, bei in der Hauptverhandlung zu Tage getretenen Entwicklungsstörungen oder sonstigen Defekten, die ein für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit erforderliches Fachwissen verlangen, das bei den Mitgliedern des erkennenden Senats nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann (RIS-Justiz RS0097733). Eine erhebliche Störung der Persönlichkeit des Angeklagten wurde von den Tatrichtern nicht festgestellt, auch im Rechtsmittel wurde eine solche nicht behauptet. Ebensowenig wird dargetan, inwieweit die angestrebte Expertise Klärung der subjektiven Tatseite erbringen könnte.

Die Beurteilung von Rechtsfragen (Intensität der Gewalt, Irrtum) ist einem Sachverständigenbeweis überhaupt nicht zugänglich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 346; RIS-Justiz RS0097260).

Soweit in der Nichtigkeitsbeschwerde die Begründung für die Antragstellung erweitert wird, verstößt dies gegen das Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0099618, RS0099117).

Als unvollständig bezeichnet die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) die Begründung der subjektiven Tatseite, weil die Tatrichter die Aussage der Zeugin Monika M***** bei ihrer kontradiktorischen Vernehmung, wonach das Vorgehen des Angeklagten für ihn „keine Gewalt“ darstellte, übergangen hätten.

Der Beschwerdeführer übersieht dabei aber, dass diese Aussage ein Therapiegespräch im Juli 2009 betraf, bei welchem frühere, nicht inkriminierte Vorfälle zwischen dem Angeklagten und seiner Gattin aufgearbeitet werden sollten. Bei diesem Gespräch hätte er die Anwendung von Gewalt nicht bestätigt, weil sein Verhalten „für ihn keine Gewalt“ sei.

Da die Aussage somit nicht den gegenständlichen Vorfall betraf, war sie für die Beweiswürdigung nicht erheblich und daher auch nicht erörterungsbedürftig.

Ob und zu welchem Zeitpunkt ein Scheidungsverfahren zwischen den Eheleuten M***** anhängig war, ist für die Lösung der Schuld- und Subsumtionsfrage nicht relevant.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Daraus folgt, dass zur Erledigung der Berufungen das Oberlandesgericht zuständig ist (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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