Spruch:
In der Strafsache AZ 6 U 212/07x des Bezirksgerichts Bregenz verletzen das Gesetz
1. der im Abwesenheitsurteil vom 25. Juni 2007, GZ 6 U 212/07x-7, ohne Anhörung des Beschuldigten ergangene Zuspruch von 500 Euro an den Privatbeteiligten in § 365 Abs 2 zweiter Satz StPO aF;
2. der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 18. Februar 2008, AZ 25 Bl 09/08z (ON 17 der U-Akten), durch die Zurückweisung der Berufung als verspätet in § 478 Abs 2 StPO. Aufgehoben werden das Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 25. Juni 2007, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Adhäsionserkenntnis sowie der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 18. Februar 2008.
Der Privatbeteiligte Janos F***** wird gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Dem Landesgericht Feldkirch wird die meritorische Entscheidung über die Berufung aufgetragen.
Text
Gründe:
Zum AZ 6 U 212/07x des Bezirksgerichts Bregenz legte die Staatsanwaltschaft Feldkirch dem Paul H***** - nach dem erfolglosen Versuch eines außergerichtlichen Tatausgleichs (ON 3) - das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zur Last, weil er verdächtig war, am 24. November 2006 in Lochau Janos F***** dadurch, dass er ihm einen Faustschlag gegen den Brustkorb versetzte, wodurch dieser zu Boden stürzte und sich Prellungen am Brustkorb und an der linken Hand sowie eine Schürfwunde am Ohrläppchen bzw Kiefergelenk zuzog, am Körper verletzt zu haben (ON 4).
Nach Anberaumung der Hauptverhandlung meldete sich H***** telefonisch beim Bezirksrichter und erklärte, aus beruflichen Gründen zum Termin verhindert zu sein. Nach Rechtsbelehrung stimmte er der Durchführung der Hauptverhandlung in Abwesenheit zu (S 64).
In der gemäß § 469 StPO (S 66; gemeint offensichtlich der zu diesem Zeitpunkt in Geltung gestandene § 459 StPO) in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführten Hauptverhandlung am 25. Juni 2007 schloss sich das Opfer dem Strafverfahren mit einer Forderung von 3.000 Euro als Privatbeteiligter an (S 67); der Bezirksanwalt modifizierte den Bestrafungsantrag hinsichtlich der Tatmodalitäten geringfügig (S 68). Der Bezirksrichter verurteilte Paul H***** (zulässig - vgl RIS-Justiz RS0101525, RS0101549) im Sinne des modifizierten Bestrafungsantrags und sprach dem Privatbeteiligten, den er mit seinen weiteren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwies, einen Betrag von 500 Euro zu (S 69).
Gegen dieses Urteil erhob der mittlerweile anwaltlich vertretene Angeklagte fristgerecht (S 99) Einspruch (ON 10 = ON 11), den der Bezirksrichter nach Anhörung der Staatsanwaltschaft Feldkirch (S 100) verwarf (ON 12).
Dieser Beschluss wurde dem Rechtsvertreter des Einspruchswerbers am 15. November 2007 zugestellt (Rückschein bei S 104). Mit am selben Tag eingebrachtem Schriftsatz vom 28. November 2007 erhob Paul H***** eine mit Berufung gegen das Abwesenheitsurteil verbundene Beschwerde dagegen (ON 13 = ON 14), der das Landesgericht Feldkirch mit Beschluss vom 18. Februar 2008, AZ 25 Bl 09/08z, nicht Folge gab (ON 18). Die Berufung wies es mit Beschluss vom selben Tag als verspätet mit der Begründung zurück, dass die Berufung auch gegen ein Abwesenheitsurteil binnen drei Tagen nach Zustellung des Urteils anzumelden sei und lediglich in dem Fall, dass ein Einspruch erhoben wird, die Berufung zugleich, also binnen vierzehn Tagen, angemeldet werden könne (ON 17).
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zu Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, wurde im Verfahren AZ 6 U 212/07x des Bezirksgerichts Bregenz das Gesetz in zweifacher Hinsicht verletzt.
Gemäß dem zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung in Geltung gestandenen § 365 Abs 2 StPO (nunmehr § 245 Abs 1a StPO) wäre der Beschuldigte zu den geltend gemachten Ansprüchen des Privatbeteiligten zu vernehmen gewesen. Dabei handelt es sich um ein zwingendes, dem Grundsatz des beiderseitigen Gehörs Rechnung tragendes Gebot (Spenling, WK-StPO § 365 Rz 28; RIS-Justiz RS0101175, RS0101178, RS0101197 ua), sodass der ohne Anhörung erfolgte Zuspruch unzulässig war.
Gegen ein in Abwesenheit des Angeklagten beim Bezirksgericht ergangenes Urteil kann gemäß § 478 Abs 1 StPO binnen vierzehn Tagen nach Urteilszustellung Einspruch erhoben werden und entweder schon mit dem Einspruch (vgl EvBl 1970/188, 1979/67 ua) oder erst mit der an das Landesgericht gerichteten Beschwerde gegen die Verwerfung des Einspruchs durch das Bezirksgericht das Rechtsmittel der Berufung verbunden werden (§ 478 Abs 2 StPO), das in diesen Fällen nicht gesondert angemeldet werden muss (Ratz, WK-StPO § 478 Rz 6; RIS-Justiz RS0101837).
Die Gesetzesverletzungen wirken sich zum Nachteil des Angeklagten aus. Der Oberste Gerichtshof sah sich gemäß § 292 letzter Satz StPO veranlasst, die gesetzwidrigen Entscheidungen aufzuheben.
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