OGH 11Os75/14k

OGH11Os75/14k28.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Oktober 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Tagwerker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Imed A***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten A***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27. Mai 2014, GZ 71 Hv 45/14b‑105, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0110OS00075.14K.1028.000

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu I/A/5 und demzufolge auch in der zu I/A gebildeten Subsumtionseinheit nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG sowie im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben, eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache dazu an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte A***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Jasmin L***** enthält, wurde Imed A***** des Verbrechens (richtig: der Verbrechen ‑ RIS‑Justiz RS0123911) des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 1 SMG (I/A) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (II/A) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Kokain

I./ mit einem durchschnittlichen Reinheitsgehalt von zumindest 25 % Cocain anderen großteils durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar

A./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, wobei er die Tat gewerbsmäßig beging und schon einmal wegen einer Straftat nach § 28a Abs 1 SMG, nämlich mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. April 2009, AZ 45 Hv 6/09v, verurteilt worden ist, nachgenannten abgesondert verfolgten Personen, und zwar

1.) von Februar 2013 bis 20. Februar 2014 Walter P***** in wiederholten Übergaben insgesamt 100 Gramm um 80 Euro pro Gramm;

2.) von Sommer 2013 bis Februar 2014 Christian G***** in wiederholten Übergaben insgesamt 20 Gramm um 100 Euro pro Gramm;

3.) von Frühjahr 2013 bis Februar 2014 Rozalia S***** in wiederholten Übergaben zumindest 13 Gramm zu einem nicht mehr feststellbaren Preis;

4.) am 15. Februar 2014 Aicha O***** in einer Übergabe eine nicht mehr feststellbare Menge zu einem nicht mehr feststellbaren Preis;

5.) „weiteren, nicht mehr ausforschbaren Abnehmern in wiederholten Übergaben eine nicht mehr feststellbare Menge zu einem nicht mehr feststellbaren Preis“;

II./ am 20. Februar 2014 besessen, und zwar

A./ insgesamt 1,97 Gramm (Reinheitsgehalt zwischen 28 und 37 %).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A*****.

Berechtigt ist der aus Z 3 des § 281 Abs 1 StPO iVm § 260 StPO erhobene Einwand nicht ausreichender Individualisierung des zu I/A/5 ergangenen (der gleichermaßen vagen Anklageschrift ON 88 folgenden) Schuldspruchs, weil sich diesem im vorliegenden Fall bloß die Umschreibung eines relativ großen Tatortbereichs (Wien) und der Reinheitsgrad des überlassenen Kokains (zumindest 25 %) entnehmen lässt, sodass insoweit das Fehlen einer Tatzeit oder zumindest eines umgrenzten Tatzeitraums (US 3) ohne gleichzeitige (unterscheidbare) Bezeichnung von Abnehmern, abgegebenen Mengen oder sonstige individualisierenden Umständen der „wiederholten Übergaben“ einer zweifelsfreien Abgrenzung von anderen Suchtgiftüberlassungen entgegensteht, zumal der Angeklagte auch schon früher wegen im Tenor (zu I/A/5) nicht ausdrücklich ausgenommener Straftaten nach § 28a Abs 1 SMG verurteilt wurde (vgl RIS‑Justiz RS0120226 [T2]).

In diesem Umfang war das Urteil somit bereits in nichtöffentlicher Sitzung im aus dem Spruch ersichtlichen Teil (einschließlich des Strafausspruchs und der Vorhaftanrechnung) aufzuheben (§ 285e StPO), weshalb sich ein Eingehen auf das weitere Vorbringen zu I/A/5 des Schuldspruchs erübrigt.

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch ‑ im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur ‑ bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO):

Keine oder eine nur offenbar unzureichende Begründung (Z 5 vierter Fall) liegt nur dann vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS‑Justiz RS0099413).

Da bereits die ‑ nicht bekämpften ‑ Schuldsprüche zu I/A/1 und I/A/2 für sich die Qualifikation nach § 28a Abs 2 Z 1 SMG tragen, betrifft der zu I/A/3 erhobene Vorwurf einer Scheinbegründung der Urteilsannahmen, wonach die Suchtgiftüberlassungen an Rozalia S***** überwiegend gegen Entgelt und mit Gewinn für A***** erfolgten (US 12), von vornherein keine entscheidenden Tatsachen (RIS-Justiz RS0106268). Im Übrigen ist der insoweit von den Tatrichtern aus der Häufigkeit der Übergaben und deren Modalitäten unter Berücksichtigung der Angaben der Suchtgiftabnehmerin (ON 85 S 27 und ON 104 S 35 ff), aber auch der bescheidenen finanziellen Verhältnisse des eine Gewinnerzielung bestreitenden Beschwerdeführers (ON 104 S 24) gezogene Schluss unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0099455).

Ebenso geht die zu I/A/4 vorgebrachte Kritik an angeblich unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur Übergabe von Suchtgift an Aicha O***** ins Leere, die vom Schöffengericht auf eine lebensnahe Betrachtung der Modalitäten der Übergabe unter Einbeziehung der Ergebnisse der Telefonüberwachung und der Observation gestützt wurden. Dass aus den vorliegenden Umständen auch andere Schlüsse gezogen werden könnten oder dass jene der Tatrichter nicht logisch „zwingend“ sind, bewirkt keinen Urteilsmangel (RIS-Justiz RS0099455, RS0098471).

Der Einwand der Sanktionsrüge (Z 11) kann angesichts der ohnehin erforderlichen Kassation des Strafausspruchs auf sich beruhen.

Im zweiten Rechtsgang wird die zu I/A im Hinblick auf die Teilaufhebung zerschlagene Subsumtionseinheit nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 2 Z 1 SMG ‑ im Fall eines neuerlichen Schuldspruchs zu I/A/5 auch unter dessen Einbeziehung ‑ neu zu bilden sein (vgl RIS‑Justiz RS0116734 [T3 und T6]). Mangels Aufhebung des gesamten Schuldspruchs nach § 28a SMG konnte der Schuldspruch II/A bestehen bleiben (RIS‑Justiz RS0119278).

Bei der erforderlichen Strafneubemessung wird auch zu beachten sein, dass sich auf Grund der ratio des § 33 Z 2 StGB, die Tatbegehung trotz einschlägiger Vorbelastung schwerer zu bestrafen (vgl Mayerhofer, StGB6 § 33 E 15c), die aggravierende Wertung von auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorverurteilungen auf bereits zur Tatzeit rechtskräftige Vorstrafen zu beschränken hat. Weitere Straffälligkeit während eines zu diesem Zeitpunkt bereits anhängigen, erst danach mit einem rechtskräftigen Schuldspruch beendeten Verfahrens kann bei der Strafbemessung allerdings berücksichtigt werden (vgl Mayerhofer aaO § 33 E 20a; RIS-Justiz RS0119271, RS0090984, RS0091048).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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