OGH 11Os73/06d (11Os74/06a)

OGH11Os73/06d (11Os74/06a)26.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. September 2006 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bussek als Schriftführerin, in der Medienrechtssache der Antragstellerin G***** „F*****" registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung wider die Antragsgegnerin K***** Gesellschaft mbH & Co KG über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Juli 2004, GZ 094 Hv 31/04y-9, und das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. September 2005, AZ 17 Bs 337/04 (ON 15), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiss, sowie des Vertreters der Antragstellerin, Rechtsanwalt Dr. Noll, und des Vertreters der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt Dr. Aixberger, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 11 Abs 1 Z 7 MedienG

1) das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Juli 2004, GZ 094 Hv 31/04y-9, mit dem auf teilweise Veröffentlichung der beantragten Gegendarstellung erkannt und das Mehrbegehren abgewiesen wurde, und

2) das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. September 2005, AZ 17 Bs 337/04 (ON 15), mit dem der Berufung der Antragsgegnerin nicht Folge gegeben wurde.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO werden das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, welches im Übrigen unberührt bleibt, in seinem stattgebenden Teil sowie im Kostenausspruch und jenes des Oberlandesgerichtes Wien zur Gänze aufgehoben und es wird in der Sache selbst erkannt:

Das Begehren der Antragstellerin, die Antragsgegnerin K***** Gesellschaft mbH & Co KG als Medieninhaberin der periodischen Druckschrift „K*****" zur Veröffentlichung nachstehender Gegendarstellung zu verpflichten:

„Gegendarstellung

Sie schreiben in der Ausgabe der K***** vom 28. 4. 2004 auf Seite 33 unter dem Titel 'Bauskandal: Wie Traumwohnung zu einer Schimmel-Hölle wurde!', dass die Wohnung von Carina S. 'wegen schwerer Baumängel seit Jahren unbewohnbar sei' und die G***** 'F*****', 'zu einer ordentlichen Sanierung nicht bereit' sei.

Dies ist unwahr: Richtig ist zwar, dass es bei der Errichtung der Wohnung zu Baumängel gekommen ist, jedoch hat die S***** 'F*****' unter Beiziehung eines von Frau Carina S. namhaft gemachten Bausachverständigen die Wohnung gänzlich saniert.

Weiters schreiben Sie, dass aus der Steckdose Wasser rinne, dass Schimmelkulturen die gesamte Wohnung überziehen und dass es sich bei der Wohnung um einen 'Totalschaden' handle. Dies ist unwahr: Es hat an einzelnen Stellen der Wohnung Schimmelbildung gegeben, diese wurde beseitigt. Aus den Steckdosen rinnt kein Wasser.

Sie schreiben weiters, dass für den 'Totalschaden' niemand haften wollte, nachdem die Baufirma H***** in Konkurs gegangen war. Dies ist unrichtig: Die B***** 'F*****' hat sich als Wohnungsvermieterin von jeher zu ihren Aufgaben bekannt und sämtliche Sanierungsarbeiten veranlasst.

Sie schreiben: 'Doch erst als sich das Gericht mit dem Fall beschäftigte, gab die 'F*****' eine Sanierung in Auftrag. Die Wände wurden einfach gestrichen, der Boden neu gelegt, eine 'Zwangsbelüftung' eingebaut.'

Dies ist unwahr: Die Sanierungsarbeiten wurden von der 'F*****' unabhängig von laufenden Gerichtsverfahren in Auftrag gegeben. Tatsächlich haben sich die Sanierungsarbeiten nicht auf das Streichen der Wände und auf die Neulegung des Bodens und den Einbau einer Zwangsbelüftung reduziert, sondern es wurde umfassend alles vorgesorgt, um eine weitere Schimmelbildung zu verhindern, die auf bautechnischen Gebrechen beruhen konnte.

Sie schreiben: 'Der Schimmel kommt wieder, weil verseuchtes Mauerwerk nicht abgetragen wurde. Und auch die Stromleitungen werden erst funktionieren, wenn unsere Leserin bereit wäre, den Großteil der Kosten zu übernehmen'. Dies ist unwahr: Die Wohnung ist technisch auf dem letzten Stand. Soweit dies bautechnisch notwendig war, wurde 'verseuchtes Mauerwerk' abgetragen und neu aufgerichtet. Schließlich schreiben Sie in der Überschrift von einem 'Bauskandal' und bezeichnen die B***** 'F*****' als 'uneinsichtige Genossenschaft'. Dies ist unwahr. Die B***** 'F*****' hat alles in ihrer Macht stehende getan, um die bestehenden Baumängel zu sanieren. Sie hat Anregungen der Mieterin aufgegriffen und insbesondere auch den von der Mieterin namhaft gemachten Sachverständigen mit der Leitung der Mängelbehebung beauftragt. Es gab und gibt keinerlei Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeiten, die der S***** 'F*****' zum Vorwurf gemacht werden könnten, sodass die Rede vom 'Bauskandal' unwahr ist."

wird abgewiesen.

Gemäß § 17 Abs 4 MedienG wird die Antragsgegnerin ermächtigt, binnen einem Monat ab Zustellung der vorliegenden Entscheidung den folgenden Text in einer dem § 13 MedienG entsprechenden Form zu veröffentlichen:

[Der Oberste Gerichtshof hat am 26. September 2006 in der Medienrechtssache der Antragstellerin G***** „F*****" registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung wider die Antragsgegnerin K***** Gesellschaft mbH & Co KG über die vom Generalprokurator gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. Juli 2004, GZ 094 Hv 31/04y-9, und das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 14. September 2005, AZ 17 Bs 337/04 (ON 15), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung (ua) zu Recht erkannt:

Das Begehren der Antragstellerin, die Antragsgegnerin K***** Gesellschaft mbH & Co KG als Medieninhaberin der periodischen Druckschrift „K*****" zur Veröffentlichung nachstehender Gegendarstellung zu verpflichten:

„Gegendarstellung

Sie schreiben in der Ausgabe der K***** vom 28. 4. 2004 auf Seite 33 unter dem Titel 'Bauskandal: Wie Traumwohnung zu einer Schimmel-Hölle wurde!', dass die Wohnung von Carina S. 'Wegen schwerer Baumängel seit Jahren unbewohnbar sei' und die G***** 'F*****' 'zu einer ordentlichen Sanierung nicht bereit' sei.

Dies ist unwahr: Richtig ist zwar, dass es bei der Errichtung der Wohnung zu Baumängel gekommen ist, jedoch hat die S***** 'F*****' unter Beiziehung eines von Frau Carina S. namhaft gemachten Bausachverständigen die Wohnung gänzlich saniert.

Weiters schreiben Sie, dass aus der Steckdose Wasser rinne, dass Schimmelkulturen die gesamte Wohnung überziehen und dass es sich bei der Wohnung um einen 'Totalschaden' handle. Dies ist unwahr: Es hat an einzelnen Stellen der Wohnung Schimmelbildung gegeben, diese wurde beseitigt. Aus den Steckdosen rinnt kein Wasser.

Sie schreiben weiters, dass für den 'Totalschaden' niemand haften wollte, nachdem die Baufirma H***** in Konkurs gegangen war. Dies ist unrichtig: Die B***** 'F*****' hat sich als Wohnungsvermieterin von jeher zu ihren Aufgaben bekannt und sämtliche Sanierungsarbeiten veranlasst.

Sie schreiben: 'Doch erst als sich das Gericht mit dem Fall beschäftigte, gab die 'F*****' eine Sanierung in Auftrag. Die Wände wurden einfach gestrichen, der Boden neu gelegt, eine ' Zwangsbelüftung' eingebaut.'

Dies ist unwahr: Die Sanierungsarbeiten wurden von der 'F*****' unabhängig von laufenden Gerichtsverfahren in Auftrag gegeben. Tatsächlich haben sich die Sanierungsarbeiten nicht auf das Streichen der Wände und auf die Neulegung des Bodens und den Einbau einer Zwangsbelüftung reduziert, sondern es wurde umfassend alles vorgesorgt, um eine weitere Schimmelbildung zu verhindern, die auf bautechnischen Gebrechen beruhen konnte.

Sie schreiben: 'Der Schimmel kommt wieder, weil verseuchtes Mauerwerk nicht abgetragen wurde. Und auch die Stromleitungen werden erst funktionieren, wenn unsere Leserin bereit wäre, den Großteil der Kosten zu übernehmen'. Dies ist unwahr: Die Wohnung ist technisch auf dem letzten Stand. Soweit dies bautechnisch notwendig war, wurde 'verseuchtes Mauerwerk' abgetragen und neu aufgerichtet. Schließlich schreiben Sie in der Überschrift von einem 'Bauskandal' und bezeichnen die B***** 'F*****' als 'uneinsichtige Genossenschaft'. Dies ist unwahr. Die B***** 'F*****' hat alles in ihrer Macht stehende getan, um die bestehenden Baumängel zu sanieren. Sie hat Anregungen der Mieterin aufgegriffen und insbesondere auch den von der Mieterin namhaft gemachten Sachverständigen mit der Leitung der Mängelbehebung beauftragt. Es gab und gibt keinerlei Unregelmäßigkeiten oder Fahrlässigkeiten, die der S***** 'F*****' zum Vorwurf gemacht werden könnten, sodass die Rede vom 'Bauskandal' unwahr ist."

wird abgewiesen.

Die Antragstellerin wird zur Zahlung des Entgelts für die zu Unrecht erwirkte Veröffentlichung der Gegendarstellung und für die Veröffentlichung der von der obigen Ermächtigung betroffenen Einschaltung und zum Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.]

Die Antragstellerin wird zur Zahlung des Entgelts für die zu Unrecht erwirkte Veröffentlichung der Gegendarstellung und für die Veröffentlichung der von der obigen Ermächtigung betroffenen Einschaltung (§ 17 Abs 5 MedienG) und zum Ersatz der Verfahrenskosten (§ 19 MedienG) verurteilt.

Die der Antragsgegnerin von der Antragstellerin zu ersetzenden Kosten des Verfahrens werden mit 5.623,83 Euro (darin 921,48 Euro USt) bestimmt.

Gründe:

In der Medienrechtssache der Antragstellerin G*****„F*****" registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden kurz: „F*****") wider die Antragsgegnerin K***** Gesellschaft mbH & Co KG (im Folgenden kurz: „K*****") wegen §§ 14, 18 MedienG erkannte eine Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit Urteil vom 19. Juli 2004, GZ 094 Hv 31/04y-9, in teilweiser Stattgebung eines entsprechenden Antrages der „F*****" auf Veröffentlichung einer - mehrere Thesen und Antithesen umfassenden - Gegendarstellung im periodischen Druckwerk „K*****" und wies das Mehrbegehren - weil insofern der Antragsgegnerin der Beweis der Unwahrheit der Antithese geglückt sei - ab. Gemäß § 19 Abs 2 MedienG wurde die Antragstellerin zum Ersatz eines Drittels und die Antragsgegnerin zum Ersatz von zwei Dritteln der (unter einem der Höhe nach bestimmten) Verfahrenskosten der jeweiligen gegnerischen Partei verpflichtet.

In ihrer gegen den stattgebenden Teil erhobenen Berufung machte die Antragsgegnerin ua den Nichtigkeitsgrund nach der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO wegen des vom Erstgericht - nach Ansicht der Berufungswerberin rechtsirrig - verneinten Vorliegens des Ausschlussgrundes nach § 11 Abs 1 Z 7 MedienG geltend. Der Antragstellerin sei nämlich jener Beschwerdebrief der Karina S*****, der dem das Begehren um Veröffentlichung einer Gegendarstellung auslösenden Bericht in der „K*****" vom 28. April 2004 zu Grunde lag, schon am 29. Jänner 2004 mit dem Ersuchen um Stellungnahme übermittelt worden. Die der Antragstellerin somit angemessen eingeräumte Gelegenheit zum rechtlichen Gehör sei von dieser allerdings nicht genützt worden, weil nicht der mit der Sachlage vertraute Obmann der „F*****", Direktor B*****, sondern deren Rechtsvertreter, Rechtsanwalt Dr. N*****, zum Beschwerdebrief Stellung genommen habe, der hiebei bloß lapidar ehemals bestandene Mängel in der von Karina S***** gemieteten Wohnung eingeräumt und deren zwischenzeitige Behebung behauptet habe, auf konkrete Vorwürfe im Schreiben der Karina S***** aber nicht eingegangen sei, sondern diesbezüglich wieder auf den Obmann Direktor B*****, sohin jene Person verwiesen habe, die ihn selbst namens der Antragstellerin bevollmächtigt hatte. Eine derartige Rückverweisung des externen Vertreters auf den Vertretenen komme einem Nichtgebrauch des Rechtes zur Stellungnahme gleich, weshalb die „K*****" nicht mehr verpflichtete gewesen sei, nunmehr unmittelbar zu Direktor B***** Kontakt zwecks Erörterung des Beschwerdebriefes aufzunehmen. Das Landesgericht für Strafsachen Wien hatte demgegenüber den Ausschlussgrund nach § 11 Abs 1 Z 7 MedienG mit der Begründung verneint, dass „der Antragstellervertreter mit Schreiben Beil ./18 für Detailfragen logisch an Dir B***** als Obmann der Antragstellerin verweisen musste, dieser jedoch seitens der Antragsgegnerin nicht kontaktiert wurde" (S 169 = US 27).

Mit Urteil vom 14. September 2005, AZ 17 Bs 337/04, gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht der Berufung nicht Folge. Zugleich sprach es aus, dass gemäß § 390a Abs 1 StPO iVm § 14 Abs 3 dritter Satz MedienG der Antragsgegnerin auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last fallen und die der Antragstellerin demnach zu ersetzenden Kosten gemäß § 19 Abs 6 und Abs 7 MedienG mit 1.185,05 Euro bestimmt werden (ON 15).

Wie schon das Erstgericht verneinte auch das Berufungsgericht das Vorliegen des von der Antragsgegnerin geltend gemachten Ausschlussgrundes nach § 11 Abs 1 Z 7 MedienG. Dazu traf es nach (aus dem Protokoll ON 14 über die Berufungsverhandlung allerdings nicht hervorgehender) Beweiswiederholung durch Verlesung des Akteninhaltes nachstehende Feststellungen:

Ca drei Monate vor dem am 28. April 2004 in der Ausgabe der K***** auf S 33 unter dem Titel „Bauskandal: Wie Traumwohnung zu einer Schimmel-Hölle wurde!" veröffentlichten Bericht, nämlich am 29. Jänner 2004, übermittelte die Antragsgegnerin den an Dr. Helmut Z***** als Ombudsmann der „K*****" gerichteten Beschwerdebrief der Karina S***** vom 17. Jänner 2004 (Beilage ./17) an die Antragstellerin mit der Aufforderung zur Stellungnahme. Dieses Schreiben enthielt konkrete Vorwürfe gegen die Antragstellerin, die sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen lassen:

Obwohl Karl B***** (Obmann der „F*****") in einer Help-TV-Sendung des ORF zugegeben habe, dass er selbst in der an Karina S***** vermittelten Wohnung weder wohnen noch dafür Miete zahlen würde, habe man ihr drei Wochen nach der Sendung mitgeteilt, dass die Wohnung nicht saniert werden würde. Trotz durch rechtskräftiges Urteil festgestellter Mängel habe die Antragstellerin mit der Sanierung erst begonnen, als ihr eine Zwangsverwaltung in Aussicht gestellt worden sei. Nach mehr als vier Monaten Sanierungsarbeiten und über hundert Handwerker- und Sachverständigenterminen sei kein Ende abzusehen; die Mängelliste umfasse noch immer zwei Seiten. Der Schimmelsporenwert in der Luft habe im Juni 2003 den Messwerten einer Mülldeponie entsprochen. Eine Schimmelentfernung sei bisher dennoch nicht beauftragt, sondern als „Sonderwunsch der Mieterin" bezeichnet worden. Küche, Bücher, Regale und Holzboden hätten als Sondermüll entsorgt werden müssen, andere Möbel würden seit Wochen auf der Terrasse lagern. Die Wohnung samt noch verbleibendem Inhalt wäre von einer Fachfirma als kontaminiert bezeichnet worden, einzelne Teile vom Sachverständigen als verseucht. Trotz dieses untragbaren Zustands stelle die Antragstellerin Karina S***** - im Gegensatz zu den mitbetroffenen Nachbarn - keine Ersatzwohnung zur Verfügung, um sie finanziell auszuhungern. Die Arbeiter würden keine Rücksicht auf die Privatsphäre oder Grundbedürfnisse der Bewohnerin nehmen sowie rücksichtslos ihr Wohnungseigentum verschmutzen oder zerstören. Hinsichtlich Schadensregulierung stoße sie auf Schweigen. Herr B***** sei bereits vor Monaten von der damaligen Staatssekretärin H***** mit dieser Situation konfrontierte worden, habe aber nur geantwortet, dass Frau S***** ihn ja klagen könne. Die Antragstellerin würde zudem eine Strategie entwickeln, der Mieterin permanent auf ganz unterschiedlichen Ebenen Leid zuzufügen.

Die Antragsgegnerin bekam als Reaktion auf diesen Brief ein Schreiben des Rechtsanwaltes Dr. N***** (Beilage ./18), in welchem dieser erklärte, dass er von der Antragstellerin mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung und mit der Beantwortung des Schreibens vom 29. Jänner 2004 beauftragt worden sei, in welchem dieser wie folgt Stellung nahm:

„Die Durchsicht des an Sie gerichteten Schreibens von Frau S***** vom 17. Jänner 2004 ergibt, dass Frau S***** in überzogener und verzerrender Form sowie über weite Passagen schlichtweg tatsachenwidrig Beschwerde führt.

Um für ihre Tätigkeit einen sachlichen Kern dieser Ausführungen zu erfassen, sei darauf hingewiesen, dass es tatsächlich bei der gegenständlichen Wohnhausanlage bautechnische Probleme gegeben hat. Soweit davon die Wohnung von Frau S***** betroffen gewesen ist, wurden bestandene Mängel (trotz aller Schwierigkeiten, die meiner Mandantin entgegengebracht wurden) unter Beiziehung eines von Frau S***** seinerzeit nominierten Sachverständigen (Ing. B*****) behoben. Die Situation ist daher bereinigt, nur will das offenbar Frau S***** nicht wahrhaben.

Für weitere Rückfragen steht Ihnen selbstverständlich Herr Direktor B***** als Obmann der G***** „F*****" reg. Genossenschaft mbH zur Verfügung."

Eine Aufforderung an Direktor B*****, zu den Vorwürfen von Frau S***** Stellung zu nehmen, erfolgte darauf hin aber nicht (US 7 bis 9 der Rechtsmittelentscheidung).

Von dieser ergänzten Feststellungsgrundlage ausgehend gelangte das Oberlandesgericht Wien aus nachstehenden rechtlichen Erwägungen zur Nichtannahme des Ausschlussgrundes nach § 11 Abs 1 Z 7 MedienG:

„Gemäß § 11 Abs 1 Z 7 MedienG besteht eine Pflicht zur Veröffentlichung einer Gegendarstellung nicht, wenn dem Betroffenen zu einer Stellungnahme in derselben oder einer anderen gleichwertigen Veröffentlichung angemessen Gelegenheit geboten worden ist, er davon aber keinen Gebrauch gemacht hat. Die gebotene Gelegenheit muss demnach angemessen sein, worunter zu verstehen ist, dass der Betroffene im Einzelnen, aber auch darüber unterrichtet wird, dass die Bereitschaft besteht, ihn in der beabsichtigten Veröffentlichung fair zu Wort kommen zu lassen. Hiebei darf er nicht überrumpelt werden, sondern es muss ihm eine ausreichende Überlegungs- und Antwortfrist eingeräumt werden.

Über die Vorwürfe durch Übersendung des Briefes von Karina S***** wurde die Antragstellerin im Einzelnen genau unterrichtet. Die Bereitschaft, sie fair zu Wort kommen zu lassen, ergibt sich ex-ante konkludent aus der Aufforderung zur Stellungnahme bei Einräumung einer angemessenen Äußerungsfrist. Hinsichtlich dieser ist auf Grund des langen Zeitraums zwischen der Aufforderung vom 19. Februar 2004 und der Veröffentlichung am 22. (richtig: 28.) April 2004 auch von einer ausreichenden Zeitspanne auszugehen. Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin, wonach die Antragstellerin die Übermittlung des Schreibens von Frau S***** als eine Art „Generalbefreiung" gedacht habe, hat die Antragsgegnerin somit zunächst korrekt zur Stellungnahme aufgefordert.

Zur Beantwortung hat sich die Antragstellerin ihres Rechtsfreundes bedient. Da die Zuziehung eines Anwaltes in der Regel gerade bezweckt, dass dieser im Rechtsstreit gegenüber der anderen Partei als Ansprechpartner fungiert, kann ihr die Beiziehung eines solchen auch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Vielmehr ist dies eine mögliche und an sich auch vernünftige Vorgehensweise. Wie die Berufung zutreffend aufzeigt, muss sich die Antragstellerin freilich, wenn sie sich eines Vertreters bedient, dessen Verhalten wie ihr eigenes zurechnen lassen, so insbesondere, ob er von der Gelegenheit zur Stellungnahme Gebrauch macht oder nicht gehörig Stellung nimmt. Konkrete Äußerungen zu den Vorwürfen der Karin S***** sind dem Schreiben des Dr. N***** jedenfalls nicht zu entnehmen. Die Beschwerdepunkte werden nur pauschal bestritten („Mängel ... behoben"; „Situation ist daher bereinigt"), sodass eine Gebrauchnahme vom Recht zur Stellungnahme - zumal eine solche ja ein für eine Veröffentlichung geeignetes Substrat beinhalten muss - dadurch noch nicht gegeben ist. Stattdessen wird darauf verwiesen, dass sich die Antragstellerin für eine Stellungnahme an Direktor B***** wenden könne.

Die Antragsgegnerin übersieht diesbezüglich, dass eine Aufforderung zur Stellungnahme an die Antragstellerin nicht per se einer solchen an deren Obmann Direktor B***** gleichzuhalten ist, da die Antragstellerin als juristische Person nach außen eben nicht nur durch das zur Außenvertretung befugte Organ - Herrn B***** als Obmann - sondern auch durch andere Vertretungsorgane - wie den im Rechtsstreit zur Vertretung berufenen Antragstellervertreter - handeln kann.

Wenn aber Obmann B***** zugleich auch jene Person ist, die, da mit der Materie vertraut, diesbezüglich kompetent Auskunft erteilen kann, ist im Allgemeinen nicht ersichtlich, weshalb der Rechtsvertreter für Sachfragen nicht an diesen verweisen können sollte. Im Falle einer Stellungnahme iSd § 11 Abs 1 Z 7 MedienG ist jedoch ein Verweis durch den Ansprechpartner an Dritte, wie im Schreiben des Antragstellervertreters geschehen, an sich nicht zulässig und kann wie in der Berufungsschrift mit Recht moniert - grundsätzlich auch nicht zu Lasten des Medieninhabers gehen. Die prinzipielle Unzulässigkeit einer solchen Weiterverweisung folgt daraus, dass eine Rückverweisung vom Vertreter an den Vertretenen sonst nur allzu leicht dazu verwendet werden könnte, der Z 7 in rechtsmissbräuchlicher Weise ihren Anwendungsbereich zu nehmen, indem der Betroffene von einem Ansprechpartner an den nächsten verwiesen werden könnte. In der Regel hat in solchen Fällen somit der primäre Ansprechpartner - was im vorliegenden Fall durch den Hinweis, mit der Beantwortung beauftragt worden zu sein, unzweifelhaft der Antragstellervertreter ist - selbst Stellung zu nehmen und darf nicht an Dritte verweisen.

Zurecht weist die Antragstellerin in ihrer Gegenausführung aber auf die besondere Komplexität des dem vorliegenden Fall zu Grunde liegenden Sachverhalts hin, welche eine abweichende Beurteilung angebracht erscheinen lässt:

Wie schon aus dem Medienrechtsakt ersichtlich, handelt es sich um eine ausgesprochen umfängliche Angelegenheit, wobei die Besprechung der einzelnen von Karina S***** angesprochenen Punkte jeweils mehrseitiges, teilweise auch bautechnisches Vorbringen erfordern würde, um auf die Beschwerdepunkte im notwendigen Maße eingehen zu können. Da hiefür zum Großteil einschlägiges Fachwissen notwendig ist, über welches der Vertreter als Rechtsanwalt im Regelfall nicht verfügt, hätte dieser seinerseits Rücksprache mit Direktor B***** halten müssen, wobei hiezu wiederum sinnvollerweise eine Konkretisierung der von der Antragsgegnerin vorgebrachten Vorwürfe angebracht gewesen wäre. Dies musste der Antragsgegnerin schon aus der Fülle der Problemstellungen, die sich aus den Vorwürfen von Frau S***** ergibt, bewusst sein. Da es sich sohin um großteils vom Vertreter selbst auch bei dessen intensiver Beschäftigung mit der Materie nicht beantwortbare, teils spezielle bautechnische Sachfragen handelt, deren Beantwortung durch den Rechtsfreund ein Vielfaches der Zeit erfordern würde, in welcher Direkter B***** hiezu persönlich Stellung nehmen könnte - was im Sinne einer Wahrung der Aktualität der Berichterstattung der Antragsgegnerin geradezu kontraproduktiv wäre und eine Veröffentlichung in angemessener Zeit nahezu unmöglich machen würde - wäre ein striktes Festhalten am Grundsatz der Unverweisbarkeit vom Vertreter an Dritte im konkreten Falle im äußersten Maße unpraktikabel.

Es schien daher auf Grund genannter Umstände - auch im Interesse einer raschen Berichterstattung durch die Antragsgegnerin - geboten, den skizzierten umständlichen Weg abzukürzen und - wie es vom Vertreter vorgeschlagen und der Antragsgegnerin auch offengestanden wäre - sich nochmals direkt an Direktor B***** zu wenden, um mit diesem die Angelegenheit in concreto durchzubesprechen. Nur dadurch wäre die die Antragstellerin als Medieninhaberin treffende Pflicht eines ordentlich recherchierenden Journalisten, den beiderseitigen Standpunkten gleichermaßen, Gehör zu schenken, ausreichend gewahrt gewesen.

Daher ist die Verweisung durch den Antragstellervertreter an Herrn B***** im Ergebnis als zulässig zu erachten. Da sich die Antragsgegnerin mit diesem nicht in Verbindung gesetzt hat, wurde der Antragstellerin sohin nicht angemessen Gelegenheit zur Stellungnahme geboten. Nur eine Befragung Direktor B*****s wäre unter Berücksichtigung genannter Umstände als faire Möglichkeit für die Antragstellerin anzusehen gewesen, sich zu den Vorwürfen zu äußern, weshalb der Ausschlussgrund der Z 7 nicht gegeben ist, die Anordnung einer Gegendarstellung durch das Erstgericht zurecht erfolgte und der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a und b StPO nicht gegeben ist" (US 9 bis 14 der angefochtenen Rechtsmittelentscheidung des Oberlandesgerichtes).

Text

Über Verlangen der Antragsgegnerin war sie zur Veröffentlichung der angeführten gedrängten Darstellung dieser Entscheidung zu ermächtigen (§ 17 Abs 4 MedienG) und die Antragstellerin zur Bezahlung der dadurch erwachsenden Kosten sowie jener der zu Unrecht bewirkten Veröffentlichung der Gegendarstellung zu verpflichten (§ 17 Abs 5 MedienG). Darüber hinaus waren der Antragstellerin die mit insgesamt 5.623,83 Euro (darin 921,48 Euro USt) verzeichneten und in dieser Höhe bestimmten (Rami in WK² MedG, § 19 Rz 11) Verfahrenskosten zum Ersatz aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Die von beiden Instanzen zum Nachteil der Antragsgegnerin vorgenommene Verneinung des Ausschlussgrundes nach § 11 Abs 1 Z 7 MedienG entspricht, wie der Generalprokurator in seiner deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, nicht dem Gesetz.

Dieser bereits mehrfach zitierte, vom Oberlandesgericht Wien eingangs seiner rechtlichen Erörterung korrekt wiedergegebene Ausschlussgrund leitet sich aus der Eigenschaft der Gegendarstellung als Hilfsmittel ab, um das Interesse des Betroffenen, selbst - nach dem Grundsatz „audiatur et altera pars" - zu Wort zu kommen, gegenüber einem Medium, das eine unrichtige oder unvollständige Mitteilung verbreitete, durchzusetzen. Das Medium kann diesem Interesse des Betroffenen auch auf andere Weise Rechnung tragen und dadurch eine drohende Gegendarstellung vermeiden, etwa indem es dem Betroffenen angemessen Gelegenheit bietet, in derselben oder einer anderen gleichwertigen Veröffentlichung Stellung zu nehmen. Lehnt der Betroffene das Angebot ab oder macht er von diesem Angebot einfach keinen Gebrauch, so ist es ihm nicht mehr möglich, mit einer Gegendarstellung zu reagieren (Hanusch Kommentar zum MedienG Rz 11; vgl auch Litzka-Strebinger MKK MedienG5 Rz 10; je zu § 11). „Angemessen Gelegenheit zur Stellungnahme" bietet ein Medium dem von ihrer (künftigen) Berichterstattung Betroffenen dann, wenn es diesem - wie hier die Antragsgegnerin durch Übermittlung des Beschwerdebriefes der Karina S***** - sämtliche relevante Anschuldigungspunkte zur Kenntnis bringt und ihm für die zu erstattende Äußerung ausreichend Zeit lässt. Ist der Betroffene eine juristische Person, so steht es ihr frei, die Stellungnahme entweder durch ein nach außen vertretungsbefugtes Organ oder durch eine andere von diesem Organ bestimmte Person (hier deren Rechtsvertreter Rechtsanwalt Dr. N*****) abzugeben. Unterlässt aber sodann eine solcherart ausdrücklich mit der Stellungnahme beauftragte externe Person im Wesentlichen jegliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den voraussichtlich der künftigen Veröffentlichung zu Grunde liegenden Anschuldigungspunkten, indem sie - wie hier - insofern bloß das Medium wiederum auf das bestellende Organ verweist, dann hat in Wahrheit der Betroffene von der ihm vom Medium gebotenen Gelegenheit zur Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht. Zur Erneuerung des bereits einmal gestellten Ersuchens um Stellungnahme, nunmehr etwa durch persönliche Befragung der vom Betroffenen (durch seinen Rechtsvertreter) namhaft gemachten Person, ist das Medium sodann - der Ansicht des Rechtsmittelgerichtes zuwider auch bei komplizierten Sachverhalten - nicht mehr verpflichtet. Andernfalls könnte - wie auch das Oberlandesgericht Wien erkannt hat - durch ständige Weiterverweisung an andere, mit der Sach- und Rechtslage vertraute Personen der Ausschlussgrund des § 11 Abs 1 Z 7 MedienG gänzlich unterlaufen werden, womit auch die Freiheit der Meinungsäußerung (Art 10 EMRK) gefährdet wäre.

Wird vom Medium dem Betroffenen somit angemessen, dh auch zeitlich ausreichend, Gelegenheit zur Stellungnahme geboten, dann liegt es an ihm (sei er eine natürliche oder juristische Person), sich zur Beantwortung einer solchen Person zu bedienen, die entweder von vornherein die zur Beantwortung erforderlichen Sach- und Rechtskenntnisse besitzt oder sich diese anzueignen vermag. Ist Letzteres dem bestellten Vertreter - aus welchem Grunde immer - nicht möglich, so hat er hievon nicht das Medium, sondern seinen eigenen Auftraggeber in Kenntnis zu setzen, um diesem die Gelegenheit zu geben, entweder selbst Stellung zu nehmen oder den Auftrag zur Stellungnahme an eine geeignetere (mit der Sachlage besser vertraute) Person weiterzugeben. Kommt der Vertreter dieser Verpflichtung nicht nach, so hat der Vertretene diese Unterlassung seines Erfüllungsgehilfen (analog § 1313a ABGB) gegen sich gelten zu lassen. Dass die in § 11 Abs 1 Z 7 MedienG vorausgesetzte „angemessene Gelegenheit zur Stellungnahme" auch bei komplexen Sachverhalten keineswegs eine - über die schriftliche Mitteilung von Vorwürfen und das gleichzeitige Ersuchen um Äußerung hinausgehende - Verpflichtung des Mediums zur ergänzenden Recherche bei vom Betroffenen namhaft gemachten rechts- oder sachkundigen Personen umfasst, ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass nach der erfolgten Veröffentlichung des Berichtes im Medium die vom Betroffenen mit der Antragstellung auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung beauftragte Person sich die Kenntnisse zur Erstellung der (den verbreiteten Tatsachenmitteilungen im periodischen Medium entgegenzusetzenden) Antithesen auch selbst verschaffen muss und nicht auf andere, besser informierte Personen „weiterverweisen" kann.

Gemäß § 292 letzter Satz StPO war daher das angefochtene Urteil des Oberlandesgerichtes Wien zur Gänze sowie, weil der aufgezeigte Rechtsfehler in gleicher Weise dem Ersturteil anhaftet, auch das angefochtene Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in seinem stattgebenden Teil und demgemäß auch im Kostenausspruch aufzuheben und der Antrag auf Veröffentlichung der Gegendarstellung abzuweisen.

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