OGH 11Os71/02

OGH11Os71/021.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. Oktober 2002 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Teffer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alois Karl M***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 28. März 2002, GZ 29 Hv 1020/01b-95, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Andreas Waldhof zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alois Karl M***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB (1) und des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB (2) schuldig erkannt und nach § 201 Abs 1 (ersichtlich gemeint: Abs 2, vgl US 15) StGB unter Anwendung der §§ 28 und 36 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt sowie gemäß § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Nach dem Schuldspruch hat er am 27. Jänner 2001 in Oberperfuß Katrin F*****

zu 1: außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB mit Gewalt zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, nämlich der Durchführung des Oralverkehrs zu nötigen versucht, indem er wiederholt den Kopf der Frau gegen seinen Geschlechtsteil zu drücken trachtete (und die Vollendung lediglich am erfolgreichen Widerstand des Opfers scheiterte), sowie

zu 2: durch mehrere Minuten andauerndes, zum Eintritt der Bewusstlosigkeit führendes Würgen mit den Händen (siehe US 6) vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat eine an sich schwere Verletzung, nämlich Strangulationsverletzungen mit Stauungsblutungen im Bereich des Kopfes zur Folge gehabt "und mit einem solchen Mittel und auf solche Weise begangen worden ist, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist".

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil wurde zwar rechtzeitig Nichtigkeitsbeschwerde angemeldet (S 335/II), aber ein Nichtigkeitsgrund weder bei der Anmeldung noch während der Ausführungsfrist deutlich und bestimmt bezeichnet. Da die Nichtigkeitsbeschwerde entgegen der Bestimmung des § 285a Z 2 StPO nicht vom Gerichtshof erster Instanz zurückgewiesen wurde, war sie nunmehr zu verwerfen.

Es ist jedoch anzumerken, dass die Urteilskonstatierungen zum Schuldspruch 2 in objektiver Hinsicht nicht ausreichen, um die Tat dem § 84 Abs 2 Z 1 StGB zu unterstellen. Für diese Qualifikation haftet nur, wer einen anderen mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt. Unabdingbare Voraussetzung für die Annahme der in Rede stehenden Deliktsqualifikation ist somit der Einsatz eines lebensgefährlichen Mittels und dessen Verwendung in lebensgefährlicher Weise. Nur wenn beide Voraussetzungen kumulativ gegeben sind, kommt eine Tatbeurteilung nach § 84 Abs 2 Z 1 StGB in Betracht.

Die hier festgestellte konkret lebensgefährliche Begehungsweise ohne Verwendung eines abstrakt lebensgefährlichen Mittels erfüllt die Qualifikation demnach nicht. Als solche Mittel sind grundsätzlich nur (körperliche) Sachen zu verstehen, die gegen das Tatopfer als Instrument einer Körperverletzung eingesetzt werden, mithin für einen solchen Einsatz geeignet sind. Die vorliegend angenommene Anwendung bloßer Körperkraft durch die Hände entspricht daher nicht dem Gebrauch eines Mittels im Sinne des § 84 Abs 2 Z 1 StGB (Burgstaller/Fabrizy in WK2 § 84 Rz 41f), weshalb die Tat richtigerweise dem Vergehen der schweren Körperverletzung (nur) nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB zu unterstellen gewesen wäre. Die rechtsfehlerhafte Subsumtion unter § 84 Abs 2 Z 1 StGB wirkte sich aber - entgegen der Auffassung der Generalprokuratur - nicht zu einem amtswegig zu beachtenden Nachteil des Angeklagten aus, da die Strafe ohnedies nach § 201 Abs 2 StGB zu bemessen war und die mehrfache Qualifikation der Körperverletzung nicht als erschwerend gewertet wurde (vgl Ratz in WK-StPO § 281 Rz 654 ff; § 290 Rz 22 ff; 11 Os 176/01).

Der Schöffensenat führte vielmehr die hohe Aggressivität des Vorgehens des Rechtsmittelwerbers, die Lebensgefahr für das Opfer, die qualvolle Tathandlung, das Ausnützen eines besonderen Vertrauensverhältnisses und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als Erschwerungsgründe an, hingegen als mildernd das Geständnis, die Unbescholtenheit, das Alter unter 21 Jahren, die eingeschränkte Dispositionsfähigkeit und den Umstand, dass die Vergewaltigung beim Versuch geblieben ist.

Die gegen die Strafhöhe gerichtete Berufung ist nicht im Recht. Das Erstgericht hat nämlich die Strafzumessungsgründe zutreffend aufgezählt und nicht - wie der Berufungswerber meint - "aus einer Tat mehrere Erschwerungsgründe konstruiert". Der vom Rechtsmittel begehrte Milderungsumstand des Wohlverhaltens des Angeklagten seit der Tat kann schon infolge des relativ kurzen Zeitabstandes nicht zum Tragen kommen. Inwiefern die Milderungsgründe die erschwerenden Umstände überwiegen sollen, wird selbst in der Berufung nicht näher dargelegt.

Bei gebührender Berücksichtigung aller Strafbemessungskriterien vermag auch die rechtsirrig angenommene Qualifikation des § 84 Abs 2 Z 1 StGB, welcher der Schöffensenat ersichtlich keine straferhöhende Bedeutung beimaß, keine Reduktion der verhängten Freiheitsstrafe zu bewirken.

Gründe für die angestrebte Gewährung der bedingten Nachsicht eines Strafteiles werden weder in der Berufung genannt noch liegen solche vor.

Soweit sich die Rechtsmittelausführungen gegen die Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB wenden, verfehlen sie gleichfalls ihr Ziel. Die Berufungsargumente, die Widersprüche in den Gutachten der Sachverständigen aufzuzeigen trachtet, übergehen nämlich die (letztlich vorhandene) Übereinstimmung der Gutachten in wesentlichen Punkten, auf die sich die Einweisungsentscheidung zu Recht stützen konnte.

Es war daher der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Verpflichtung zum Kostenersatz beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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