OGH 11Os66/18t

OGH11Os66/18t19.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sinek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nesad A***** wegen des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 2, Abs 2 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 30. August 2017, GZ 80 Hv 10/17k‑31, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00066.18T.0619.000

 

Spruch:

 

Das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 30. August 2017, GZ 80 Hv 10/17k-31, verletzt § 32 MedienG.

Dieses Urteil wird aufgehoben und Nesad A***** von dem wider ihn erhobenen Vorwurf,

er habe von 15. Juli 2014 bis 1. September 2016 in K***** sonst auf eine Weise, wodurch die Handlungen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurden, nämlich dadurch, dass er ein auf dem Facebook-Account „Ljuti Krajisnici FAN Team Dijaspora“ platziertes Foto eines auf die am Boden liegende israelische Nationalflagge urinierenden nackten Knaben durch den Vermerk „like“ in seinen Facebook-Account importierte, mit der Aussage: „Seit der Geburt habe ich kein schöneres Bild gesehen und ich glaube, ich werde sterben und so ein Bild nicht mehr sehen“, kommentierte und (weiterhin) auf seinem Facebook-Account zur Schau stellte, in der Absicht, die Menschenwürde anderer zu verletzen, eine der nach den vorhandenen Kriterien der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft definierte Gruppe, nämlich Angehörige des Staates Israel oder Personen jüdischen Glaubens in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, diese Gruppe in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

 

Gründe:

Mit in Rechtskraft erwachsenem, in gekürzter Form ausgefertigtem Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 30. August 2017, GZ 80 Hv 10/17k-31, wurde Nesad A***** wegen des im Tenor des obigen Spruchs umschriebenen Vorwurfs des Vergehens der Verhetzung nach § 283 Abs 1 Z 2, Abs 2 StGB (iVm § 1 Abs 1 Z 12 MedienG) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 37 Abs 1 StGB nach § 283 Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.

Die gekürzte Urteilsausfertigung enthält die Feststellung, dass der Genannte das Foto und seinen Kommentar einer breiten Öffentlichkeit, nämlich zumindest seinen 495 Facebook-Freunden zugänglich machte, sowie die erforderlichen Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (US 3); Feststellungen zu allfälligen verjährungshemmenden Tatsachen enthält sie nicht.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht dieses Urteil mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Für ein Medieninhaltsdelikt im Sinn des § 1 Abs 1 Z 12 MedienG, also eine durch den Inhalt eines Mediums begangene, mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung, die in einer an einen größeren Personenkreis gerichteten Mitteilung oder Darbietung besteht, gilt gemäß § 28 MedienG § 32 MedienG als lex specialis. Danach beginnt die Frist der Verjährung der Strafbarkeit eines Medieninhaltsdelikts zu der Zeit, da mit der Verbreitung im Inland begonnen wird (15 Os 129/17k [15 Os 130/17g]). § 58 Abs 1 StGB, der eine Sonderregelung für Erfolgsdelikte enthält, ist ausdrücklich nicht anzuwenden. Nach dem zweiten Satz des § 32 MedienG beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr; ist die strafbare Handlung hingegen mit einer drei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht, so richtet sich die Frist nach § 57 Abs 3 StGB.

Unabhängig von der Dauer der Verbreitung (vgl 15 Os 129/17k, 15 Os 130/17g) begann die Verjährungsfrist mit dem Zeitpunkt des Beginns der Verbreitung (auch) im Inland, also am 15. Juli 2014, und endete – mangels Androhung einer drei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe – nach dem Ablauf eines Jahres.

Da das – gemäß § 270 Abs 4 StPO gekürzt ausgefertigte – Urteil keine Feststellungen zu verjährungshemmenden Tatsachen nach § 58 Abs 2 oder Abs 3 StGB enthält, verletzt der Schuldspruch § 32 MedienG.

Dieser gereicht dem Verurteilten zum Nachteil, sodass die Feststellung der Gesetzesverletzung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verbinden und– mangels Indizien für verjährungshemmende Tatsachen – ein Freispruch zu fällen war.

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