OGH 11Os51/10z

OGH11Os51/10z18.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Mai 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bayer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Reinhold W***** und eine Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Reinhold W***** und Angelika W***** sowie der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 24. November 2009, GZ 7 Hv 85/07y-180, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Reinhold W***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter StGB (A/I) und Angelika W***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 12 dritter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (A/II/1) und des Vergehens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB (A/II/2) schuldig erkannt.

Danach haben

A/I/ Reinhold W***** in Julbach und an anderen Orten mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verantwortliche der B***** AG bzw der U***** AG durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, welche diese Gesellschaft an ihrem Vermögen in einem insgesamt 50.000 Euro übersteigenden Betrag schädigten, wobei er schwere Betrügereien in der Absicht (US 12) beging, sich durch deren wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und zwar

1/ vom 28. Juli 1999 bis zum 28. Mai 2004 durch die Vorgabe, mindestens 10.000 DM ins Verdienen gebracht zu haben, sowie durch die Vorlage eines unrichtigen Arbeitsvertrags und fingierter Provisionsabrechnungen, somit unter Verwendung falscher Beweismittel, zur Bezahlung eines im Urteil näher aufgeschlüsselten Betrags von insgesamt 198.764,57 Euro als Verdienstentgang,

2/ vom 25. November 2000 bis zum 10. April 2004 durch die Vorgabe, sich einer Umschulung zu unterziehen, zur Bezahlung von 68.796,03 Euro (Schadensumme laut US 14: 68.456 Euro) und

3/ am 29. Jänner 2003 durch die Vorgabe, ein Praktikum zu absolvieren, zur Bezahlung von 5.040 Euro als Fahrtkosten;

II/ Angelika W*****

1/ im Juli 1998 in Julbach und an anderen Orten mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von schweren Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 12), zu den unter A/I/1/ angeführten Straftaten des Reinhold W***** beigetragen, indem sie ihm einen unrichtigen Arbeitsvertrag sowie unrichtige Provisionsabrechnungen zur Verfügung stellte;

2/ am 8. November 2002 in Wien als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien im Verfahren AZ 9 Cg 124/02z durch die Aussage, Reinhold K***** (damals bereits W*****) sei als Immobilienmakler tätig gewesen und habe jedenfalls ein Fixum von monatlich 10.000 DM verdient, er habe jedenfalls selber eine Gewerbeanmeldung gehabt, ihr Mann mache eine Umschulung, und zwar zum „Computerinformatiker“, zur Sache falsch ausgesagt.

Von weiteren gegen ihn in Richtung gewerbsmäßigen schweren Betrugs erhobenen Anklagevorwürfen wurde Reinhold W***** freigesprochen, darunter - für das Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren von Bedeutung - vom Vorwurf, er habe zwischen 14. Mai 2003 und 11. September 2003 Angestellte der Ö***** GmbH und der B***** AG durch die Vorgabe, bei A***** ein monatliches Einkommen von 3.500 Euro zu beziehen, und unter Vorlage von falschen Gehaltsabrechnungen, sohin unter Verwendung falscher Beweismittel zur Zuzählung eines Kredits von 130.000 Euro und Genehmigung der Überziehung des Kontos um 38.000 verleitet (B/2).

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil von der Staatsanwaltschaft aus Z 5 und 9 lit a und von den Angeklagten Reinhold W***** und Angelika W***** aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Das inhaltlich auf einen Feststellungsmangel (Z 9 lit a) abzielende Vorbringen, die Konstatierungen zum angefochtenen Freispruch B/2 seien „unvollständig geblieben (§ 181 Abs 1 Z 5)“, es fehle an Urteilsannahmen zur Kreditzusage und -zuzählung sowie zur Bewilligung der Kontoüberziehung, das Erstgericht habe sich mit dem Vorliegen bedingten Betrugsvorsatzes bei Eingehen der Schuldverhältnisse nicht auseinandergesetzt, geht prozessordnungswidrig über die eine solche Willensausrichtung des Angeklagten verneinende Feststellung (US 27) hinweg.

Das weitere Vorbringen, der Angeklagte Reinhold W***** habe über kein nennenswertes Einkommen verfügt, insbesondere nicht, wie von ihm behauptet, über ein monatliches Gehalt von 3.500 Euro als Geschäftsführer, sondern bloß über die einem Versicherungsunternehmen betrügerisch herausgelockten Beträge, was auf „zumindest bedingten Schädigungsvorsatz“ bei Eingehen der Kreditschuld schließen lasse, stellt nichts anderes als einen Angriff auf die erstgerichtliche Beweiswürdigung nach Art einer zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile in der Verfahrensordnung nicht vorgesehenen Schuldberufung dar.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Reinhold W*****:

Die Verfahrensrüge (Z 4) bezieht sich auf einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Vernehmung von Zeugen, ohne die entsprechende Stelle im umfangreichen Aktenmaterial zu bezeichnen (s aber §§ 285 Abs 1, 285a Z 2 StPO; 11 Os 129/08t; RIS-Justiz RS0124172). Im Übrigen ließ die Antragstellung kein Beweisthema erkennen (S 423/V; vgl RIS-Justiz RS0099301).

Indem die Mängelrüge (Z 5) eine Erörterung deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts vermisst, verfehlt sie den Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391).

§ 281 Abs 1 Z 5a StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).

Mit den vorgebrachten Hinweisen auf einzelne Zeugenaussagen werden beim Obersten Gerichtshof keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen geweckt.

Zur vermissten Heranziehung von Akten des Landesgerichts Wiener Neustadt und eines Urteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien samt bezughabenden Urkunden macht die Beschwerde nicht deutlich, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen, gehindert war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480 mwN).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Angelika W*****:

Weil sich dieses Rechtsmittel darin erschöpft, nahezu wortgleich Einwände wie der Angeklagte Reinhold W***** zu erstatten, genügt es, auf deren vorstehende Erledigung zu verweisen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht der beiden Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte