Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, der Wahrspruch der Geschworenen zur Hauptfrage II (fortlaufende Zahl 3 des Fragenschemas) und das darauf beruhende Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 201 Abs 1 StGB (Punkt II des Urteilssatzes), im Ausspruch, daß die Drohung mit gegenwärtiger "schwerer" Gefahr für Leib oder Leben begangen wurde, ferner in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung als Verbrechen der Vergewaltigung als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 201 Abs 1 StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und gemäß § 351 StPO im Umfange der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Ivka I***** hat durch die im Schuldspruch zu Punkt II bezeichneten Tathandlungen das Verbrechen der Vergewaltigung als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 201 Abs 2 StGB begangen und wird hiefür sowie für die ihr nach dem unberührt bleibenden Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich das Verbrechen des Totschlages nach § 76 StGB und das Vergehen der Blutschande als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 211 Abs 1 StGB, nach § 76 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 9 (neun) Jahren verurteilt.
Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Ivka I***** der Verbrechen (I) des Totschlages nach § 76 StGB und (II) der Vergewaltigung als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 201 Abs 1 StGB sowie (III) des Vergehens der Blutschande als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 211 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat sie in Wien
(zu I) am 16.Januar 1996 sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lassen, das männliche Neugeborene der Danijela I***** zu töten, indem sie dieses mehrmals gegen die Wand eines Kellerabteils schleuderte, wodurch das Kind infolge eines Schädelhirntraumas an Atem- und Hirnlähmung starb;
(zu II) ab Herbst 1994 bis Januar 1996 zur Ausführung der strafbaren Handlungen des Tomislav I*****, welcher ab Herbst 1994 bis Januar 1996 in Wien seine leibliche Tochter Danijela I***** in wiederholten Angriffen mit Gewalt und durch eine gegen sie gerichtete Drohung mit gegenwärtiger schwerer Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Beischlafes genötigt hatte, indem er sie jeweils brutal auf ihr Bett niederdrückte, ihr die Beine auseinanderzwängte und an der in extremer Angst vor ihm befindlichen Jugendlichen den Geschlechtsverkehr vollzog, wobei sich Danijela I***** jeweils deswegen in einem extremen Angstzustand befand, weil Tomislav I***** aufgrund der jeweiligen rücksichtslosen und brutalen sexuellen Übergriffe und seiner früheren körperlichen Attacken gegen sie im Falle der Gegenwehr zumindest mit einer schweren Körperverletzung rechnete, deren sofortige Verwirklichung I***** aus der jeweiligen brutalen Durchführung des Geschlechtsverkehrs in Verbindung mit der Tatsache, daß er Danijela I***** bereits oftmals verprügelt und auch mit einem Riemen geschlagen hatte, zu erkennen gab, dadurch beigetragen, daß sie die sexuellen Übergriffe zuließ und keine Anzeige erstattete, sowie
(zu III) von Herbst 1994 bis Januar 1996 zur Ausführung der strafbaren Handlungen des Tomislav I*****, welcher die unter Punkt II beschriebene Handlung an einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf vollzogen hatte, dadurch beigetragen, daß sie die sexuellen Übergriffe zuließ und keine Anzeige erstattete.
Der Schuldspruch beruht auf dem Wahrspruch der Geschworenen, welche die auf die Delikte der Vergewaltigung und der Blutschande bezogenen Hauptfragen (fortlaufende Zahl 3 und 5) jeweils stimmeneinhellig bejaht, hingegen die in Richtung Mord gestellte anklagekonforme Hauptfrage 1 stimmenmehrheitlich verneint und die diesbezügliche Eventualfrage 2 nach dem Verbrechen des Totschlages einstimmig bejaht hatten.
Rechtliche Beurteilung
Lediglich den Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, 201 Abs 1 StGB bekämpft die Angeklagte mit einer auf Z 10 a und Z 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, wobei sie eine Tatbeurteilung als Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB mit der Argumentation anstrebt, das Tatmittel des unmittelbaren Täters stelle keine Drohung mit schwerer gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben dar, hätte Tomislav I***** doch diesfalls der Danijela I***** den Tod, eine erhebliche Verstümmelung, eine auffallende Verunstaltung oder ein vergleichbares Übel androhen müssen.
Der Subsumtionsrüge (Z 12) kommt Berechtigung zu.
Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben im Sinne des § 201 Abs 1 StGB ist die Ankündigung eines Übels, das in besonderem Maß das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Unversehrtheit der bedrohten Person beeinträchtigt. Gegenwärtig ist diese Gefahr, wenn der Drohende zu erkennen gibt, er könne und werde seine Drohung sofort wahrmachen. Eine Drohung ist dann geeignet, in der bedrohten Person die Besorgnis schwerer Gefahr für Leib oder Leben zu erwecken, wenn ihr der Tod, eine erhebliche Verstümmelung oder eine auffallende Verunstaltung oder die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung (§ 106 Abs 1 Z 1) oder ein vergleichbares Übel angedroht wird (Leukauf/Steininger Komm3 § 201 RN 15).
Ein drohendes Verhalten dieser Qualität kommt im Wahrspruch der Geschworenen allerdings nicht zum Ausdruck. Darin wird vielmehr konstatiert, daß (der unmittelbare Täter) Tomislav I***** seiner Tochter Danijela I***** durch brutales Vorgehen, das wegen früherer Attacken auch einen Ankündigungscharakter hatte, für den Fall der Gegenwehr eine schwere Körperverletzung in Aussicht gestellt hat. Die glaubhafte Androhung des unmittelbar bevorstehenden Eintrittes des Todes einer im § 106 Abs 1 Z 1 StGB bezeichneten körperlichen Beeinträchtigung oder der glaubhaften Androhung einer Lebens- und Gesundheitsgefährdung durch die dort genannten oder durch gleichwertige Mittel (13 Os 140/94, 14 Os 86/91, 11 Os 30/91 ua) läßt sich daraus nicht ableiten.
Mangels Vorliegens des Nötigungsmittels der Drohung mit gegenwärtiger "schwerer Gefahr" für Leib oder Leben war somit die Tat auf der Grundlage des Wahrspruches der Geschworenen rechtsrichtig als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB, begangen durch die Angeklagte als Beitragstäterin im Sinne des § 12 dritter Fall StGB, zu beurteilen. Im übrigen gelangte der Oberste Gerichtshof auch im Strafverfahren gegen den unmittelbaren Täter (11 Os 169/96) zur Ansicht, daß das dort abgeurteilte Verhalten des Tomislav I***** - zu dem die Angeklagte beigetragen hat - als Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB zu qualifizieren war.
Damit erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Beschwerdeausführungen zur Tatsachenrüge.
Bei der durch die Aufhebung des Strafausspruchs erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend (bei Faktum II und III) die oftmalige Tatwiederholung über einen Zeitraum von zwei Jahren und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen mit einem Vergehen, als mildernd den bisherigen ordentlichen Wandel und die Begehung durch Unterlassung bei Faktum II und III. Auf Basis dieser Strafbemessungstatsachen sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung (§ 32 StGB) ist die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der im Spruch genannten Höhe jedenfalls erforderlich, um dem exzeptionell hohen Handlungsunwert (bezüglich des Verbrechens des Totschlags) und dem gravierenden sozialen Störwert der Übergriffe gegen Danijela I***** - nämlich der zahlreichen Vergewaltigungsakte des leiblichen Vaters, zu denen die Angeklagte beigetragen hatte, verbunden mit zweifacher Schwangerschaft der Tochter - Rechnung zu tragen und auch der Verwerflichkeit sexueller Gewalt in der Familie den gebotenen Stellenwert einzuräumen.
Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.
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