OGH 11Os40/18v

OGH11Os40/18v22.5.2018

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Shpend S***** wegen des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 24. Jänner 2018, GZ 22 Hv 98/17b‑21, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00040.18V.0522.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Shpend S***** des Verbrechens der geschlechtlichen Nötigung nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 13. Juli 2017 in Li***** L***** mit Gewalt zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, indem er sie wiederholt mit den Händen festhielt und an den Unterarmen sowie am Hals packte, sie zu sich zog, sie zu küssen versuchte und sie an ihren Brüsten und zwischen ihren Beinen anfasste, wobei es aufgrund der heftigen Gegenwehr und anschließenden Flucht des Opfers beim Versuch blieb.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Die Feststellungen zu einem auf die Duldung geschlechtlicher Handlungen gerichteten Nötigungswillen des Angeklagten (US 4) erschloss das Erstgericht aus seinen Konstatierungen zum äußeren Tatgeschehen (US 8 f), wonach er L***** trotz deren Gegenwehr „immer weiter in Richtung der Wohnzimmercouch“ drängte, sie fragte, ob sie „sein Schlafzimmer sehen“ wolle, sie „immer wieder fest“ hielt, sie „mit beiden Händen am ganzen Körper“ – unter anderem „kurz an ihren Brüsten oberhalb ihrer Kleidung“ – berührte und „ihr mit der Hand auch zwischen ihre Beine“ fuhr (US 4). Diese Konstatierungen wiederum stützte es in erster Linie auf die vom Gericht als glaubhaft erachteten Angaben der tatbetroffenen Zeugin (US 6 ff).

Der Nichtigkeitswerber bekämpft (deutlich genug) die erwähnten Feststellungen (über entscheidende Tatsachen), indem er behauptet, die Tatrichter hätten mehrere gegen die Überzeugungskraft der diesbezüglichen Zeugenaussage L***** sprechende Umstände unberücksichtigt (Z 5 zweiter Fall) gelassen (vgl RIS‑Justiz RS0106588 [T15], RS0119422 [T2]):

Die Beschwerde wendet ein, die Genannte habe „gegenüber den einvernommenen Zeugen“ – mit Ausnahme der Zeugin Nicole H*****, der gegenüber sie von einem „Abgrapschen“ gesprochen habe (vgl US 8) – „nach der Tat“ nur den „wenn auch mit Gewalt erfolgte[n] Versuch des Angeklagten sie zu küssen geschildert“, „nicht jedoch unsittliche Berührungen oder geschlechtliche Handlungen“. Damit wird (schon) kein konkretes, in der Hauptverhandlung vorgekommenes (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnis bezeichnet, dessen Nichtberücksichtigung Unvollständigkeit (iSd Z 5 zweiter Fall) begründen könnte.

Über ein Gespräch, das L***** gleich nach der Tat mit Nicole H***** und Sarah K***** führte, hat diese ein (in der Hauptverhandlung vorgekommenes – ON 20 S 7; vgl auch ON 17 S 11 f) „Protokoll“ errichtet (ON 11 S 3). Dass darin von gewaltsamen Versuchen des Angeklagten, L***** „zu küssen“, und nicht (explizit) von „geschlechtlichen oder versuchte[n] geschlechtliche[n] Handlungen“ die Rede ist, steht der Annahme, die zeugenschaftlichen Angaben des Opfers über ebensolche (ON 5 S 5 ff) seien glaubhaft, keineswegs erörterungsbedürftig entgegen.

In welcher Hinsicht diese Angaben – in erörterungsbedürftiger Weise – „ausweichend und ungenau“ gewesen sein sollten, lässt die weitere Rüge offen. Soweit sie sich (mit dem Argument, die Zeugin habe auf diesbezügliche Fragen „erst nach längeren Nachdenkpausen“ geantwortet) bloß auf Wahrnehmungen des Beschwerdeführers bei Vorführung der Ton- und Bildaufzeichnungen über die kontradiktorische Vernehmung der Zeugin, nicht aber auf im dazu erstellten Vernehmungs- oder im Hauptverhandlungsprotokoll festgehaltene Umstände stützt, verfehlt sie (von vornherein) den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung (RIS‑Justiz RS0130728 = 15 Os 20/16d).

Mit Abweichungen zwischen der Wiedergabe von gleich nach dem Vorfall getätigten Schilderungen der L***** durch die Zeugen E*****, S***** und H*****, der Angeklagte habe sie in seine Wohnung „hineingezerrt“ (ON 17 S 3, 7 und 11), und der späteren Aussage des Opfers, sie sei „hineingegangen“ (ON 5 S 3) bzw habe sich vom Angeklagten, der sie dabei „vorerst leicht“ am Arm erfasste, „hineinziehen“ lassen (ON 2 S 31), hat sich das Erstgericht– entgegen dem weiteren Vorwurf – ohnedies beweiswürdigend auseinandergesetzt (US 8).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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